17. Verhalten bei akuten Notfällen

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Der "alte" Ratgeber

17. Verhalten bei akuten Notfällen

Es ist sehr schwer, bei der Abhandlung von akuten Notfällen im Knast die entscheidenden Schwerpunkte herauszufinden, die allein aus der Sicht des_der Gefangenen von Belang sein können. Die Wahmehmungsmöglichkeiten sind in einem Ausmaß eingeengt, das nur für jene verständlich ist, die selbst schon einmal gesessen haben. Zum einen zwingt der Knast durch die Einengung der Lebensäußerung auf einen kleinen Raum und einen festge­legten persönlichen Zusammenhang zur Beschäftigung mit dem eigenen Körper und den eingeschränkten Gefühlen, zum anderen werden gerade dieser Körper und diese Gefühle im Knastalltag krank gemacht,so dass weniger schlimme Krankheiten draußen im Knast viel gefährlicher und lebensbedrohlicher sein können. Ein Verfasser des folgenden Kapitels hat in den vergangenen Jahren alle Formen der Haft durchgemacht, die gegenwärtig in der BRD und West­berlin praktiziert werden. Er ist gleichzeitig medizinisch ausgebildet. Er versucht, sein Wissen und seine Erfahrungen so zu vermitteln, dass sie im Knast-Alltag gebraucht werden können. Er hat daher versucht, in den verschiedenen Abschnitten die Krankheitszeichen zur Selbstdiagnose und die Möglichkeiten der Selbsthilfe hervorzuheben. Darüber hinaus soll auch soviel Wissen vermittelt werden, dass gegenüber den Knastärzten_Innen und Sanis Forderungen nach einer bestimmten medizinischen Versorgung — auch im Knast — gestellt werden können. Wir geben dabei auch Stichwörter, die über das Wissen des_der einzelnen Gefangenen hinausgehen. Aber jede_r Gefangene braucht für sein Überleben ein paar Grundkenntnisse, er_sie sollte überall nach den Begriffen fragen, die mit seiner_ihrer Erkrankung zusammenhängen. Denn wenn er_sie über sie verfügt, wird er_sie fähig, gegen die Sanis und Knastärzte_Innen zu kämpfen, die ja sein_ihr absolutes Unwissen brauchen, um mit ihm_ihr nach Lust und Laune um­springen zu können. Die kurzen Stichworte reichen natürlich nur aus, um mit ihrer Hilfe die Gesundheit auch im Knast einzufordern und von der Knastmedizin, die zerstörerisch ist, etwas unabhängiger zu werden. Man kann diese Stichworte benutzen, um über Anwälte_Innen, Angehörige usw. mit seiner besonderen Krankheit umgehen und überleben zu lernen. Bei Notfällen genügt oft schon die Kenntnis von ein paar Schlagwörtern, um Sanis und Knastärzte_Innen zu veranlassen schnell zu handeln. Ein Beispiel: Ein_e Mitgefangene_r litt an schwerem Zucker (Diabetis), der nie richtig eingestellt wurde. Er_Sie lernte zu fragen: "Wie ist denn heute der Zuckerspiegel im Blut?" Er_Sie lernte weiter, dass es bei einem Wert über 350 (mg %) kritisch wird, das entsprach ja auch seinen Beschwerden. Er_Sie lernte zu fordern, mehr als einmal den Blutzucker zu untersuchen. Er/Sie lernte zu erklären, dass er sich immer häufiger dem Koma nah fühle. Schließlich wurde er in eine Klinik außerhalb des Knasts verlegt und erhielt Haftverschonung. Die Kenntnis lebensbedrohlicher Zustände durch den_die Gefangene_n selbst sollen dafür sorgen, dass sie nach Möglichkeit gar nicht erst auftreten. Wir beginnen mit einer Beschreibung lebensbedrohlicher Erscheinungsbilder (Abschnitt 17.1) und allgemeinen bedrohlichen Zuständen (abschnitt 7.2. - 17.6.). In den darauffolgenden Abschnitten beschreiben wir einige besondere d.h. an bestimmten Körperregionen auftretende bedrohliche Zustände und die erforderlichen Nothilfemaßnahmen (Abschnitt 17.7. - 17.12.). Am Ende fassen wir noch einmal die wichtigsten lebensrettenden Maßnahmen zusammen (Abschnitt 17.13.). Hier zunächst die Übersicht über die behandelten Notfallsituationen:

17.1. Lebensbedrohliche Erscheinungsbilder

     Herz- und Kreislaufstillstand                                                    
     Todesangst                                                                       
     "Durchdrehen"                                                                    
     Selbsttötung                                                                     

17.2 Schock

     Allergieschock         
     Unterzuckerung, Insulinschock
     Überzuckerung, Insulinmangelschock
     Leberschock, Leberkoma
     Akutes Nierenversagen
     Akutes Herzversagen, Herzinfarkt
     Akute Bauchschmerzen, Koliken

17.3. Bewusstlosigkeit

     Schlaganfall
     Bluthochdruckkrise
     Hitzschlag

17.4. Krampfanfälle, Vergiftungen

     Epilepsi
     Wundstarrkrampf
     Tetanie
     Vergiftungen
     Verätzungen durch Laugen
     Verätzungen durch Säuren
     Vergiftungen mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln
     Vergiftungen mit Kohlenmonoxid

17.5. Blutungen

     Blutungen nach Verletzungen
     Bluthusten
     Bluterbrechen
     Blut im Urin
     Blut im Stuhl
     Blutungen aus Nase, Ohr und Bluterguss am Auge

17.6. Verbrennungen, Erfrierungen, Stromschlag 17.7. Kopf und Hals

     Schädel-, Hirn-Verletzungen
     Gehirnerschütterung
     Hirnhautentzündung
     Plötzliche Erblindung
     Plötzliche Augenschmerzen, Glaukomaanfall
     Plötzlicher Hörsturz, Gehörverlust
     Augenverletzungen
     Augenverätzung
     Manderabszeß

17.8. Herz, Kreislauf, Lunge

     Brustverengung, Brustschmerzen
     Atemnot
     Riss des Lungenfells
     Akuter Schlagaderverschluss, Embolie
     Akuter Venenverschluss, Thrombose

17.9. Speiseröhre, Magen, Darm

     Durchbruch eines Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwürs
     Magenblutungen
     Darmverschluss
     Blinddarmentzündung

17.10.Galle, Leber, Bauchspeicheldrüse

     Gallenkolik
     Bauchspeicheldrüsenentzündung
     Gelbverfärbung der Haut, Ikterus

17.11.Niere, Harnweg, Sexualorgane

     Akute Nierenkolik
     Harnverhalten
     Elektrolytstörungen
     Priapismus, Steifbleiben des Gliedes, Beckenkrämpfe

17.12.Knochen Muskeln und Gelenke

     Akuter Gichtanfall
     Akutes Rheuma
     Akuter Bandscheibenvorfall
     Knochenbrüche

17.13 Lebensrettende Maßnahmen

     Maßnahmen bei Herz-Kreislauf-Atemstillstand
     Maßnahmen bei schweren Blutungen
     Maßnahmen bei Knochenbrüchen
     Ausrüstung einer Sanitätsstation für den Notfall

17.1. Lebensbedrohliche Erscheinungsbilder

Du musst beim Lesen dieses Kapitels sehr gut aufpassen, dass die Einsamkeit und die Ängste im Knast dich nicht glauben machen, du wür­dest schon an einer dieser sehr seltenen Krankheiten leiden. Wenn du etwas über deinen Körper wissen willst, dann lies zuerst Kapitel 15. (Häufige Gesundheitsbeschwerden) und vor allem Kapitel 13. (Wie man im Knast gesund bleiben kann). Gerade im Knast äußern sich auch leichtere Beschwerden oft dramatischer als draußen. Auch wenn beim Durchlesen dieses Kapitels anfangs die Angst vor dem, was auch bei zuerst leichteren Krankheiten im Knast alles passieren kann, verstärkt wird — jede und jeder Gefangene kennt diese Angst und fühlt sich mit ihr alleingelassen. Wir wollen deswegen versuchen, Möglichkeiten der Selbsthilfe und der Kontrolle von Ärzten_Innen und Sanis aufzeigen.

Herz- und Kreislaufstillstand

Die Ursachen von Atem-, Herz- und Kreislaufstillstand sind äußerst vielfältig. Oft ist kein direkter Zusammenhang zu einem äußeren Ereignis festzustellen. Umso wichtiger ist die Fähigkeit, den plötzlichen Tod von ähnlichen Zuständen wie Be­wußtlosigkeit, Schock und Krampfanfällen unterscheiden zu können. Denn davon hängt es ab, ob sofort Maßnahmen zu einer möglichen Wiederherstellung des Lebens einzusetzen sind.

Anzeichen: Auf der Gemeinschatszelle plötzlicher, oft lautloser Zusammenbruch. Pulsfühlen: kein Puls mehr. Brust entblößen und Ohr auf die Herzgegend legen: kein Herzschlag mehr. Augen: Pupillen starr, oft weit (nicht immer). Mund: keine Atmung mehr. (Eventuell Spiegel vorhalten: beschlägt nicht mehr!) Auf Nachbar­zellen der Abteilung: manchmal durchdringende Schreie, dumpfer Körperaufschlag.

Hiife durch Mitgefangene: Mögliche äußere Ursachen beseitigen: Bei der_dem Erhängten Strick abschneiden, Körper dabei festhaken und langsam auf den Boden gleiten lassen; beim Elektrounfall aus dem Stromkreis nehmen (vorher Strom abschalten!). Auf harte Unterlage legen (nie Bett oder Matratze, sondern Fußboden). Oberkörper von Bekleidung freimachen. Kopf nach hinten biegen, Mund öffnen und mit Taschentuch freimachen (Zahnprothese, Schaum, auf Fremdkörper achten). Mit einer Hand die Nasenlöcher schließen, tief einatmen, Mund auf den Mund des_der Zusammengebrochenen legen und in ihn_sie hinein ausatmen, dann eigenen Mund weg­nehmen und fünf Sekunden warten. Währenddessen hat sich der zweite Lebens­retter von der anderen Seite über den entblößten Körper gebeugt, die Hände werden rechtwinklig zueinander unten auf das Brustbein gelegt und in fünf Sekunden rhyth­misch auf den Brustkorb gedrückt. Nach fünf Brustkorbstößen wird dann wieder eine Mund-zu-Mund-Beatmung vorgenommen. Lange durchhalten, nicht schon nach einer Viertelstunde aufhören! Nach den Sanis und dem_der Arzt_Ärztin schreien! Ihnen aber nicht das Feld überlassen, sie haben meistens keine Lust und keine Ahnung. Weitermachen bis der_die Notarzt_Notärztin kommt, dann unter seinem_ihrem Kommando weiter­arbeiten. Fordert Erste-Hilfe-Kurse für euch und eine optimale Ausrüstung der Sani-Station (vergleiche auch den Abschnitt 17.13. „Lebensrettende Maßnahmen").

Todesangst

Fast jede_r, der_die länger inhaftiert ist, kennt sie. Deshalb sollte jede_r zu ihr stehen. Sie darf nicht einfach als Feigheit abgetan werden, sondern muss solidarisch aufge­arbeitet werden. Merke: wenn die Todesangst in ständige Angstzustände übergeht, entstehen daraus schwere Krankheitsbilder, die vor allem den Langstrafer über kurz oder lang geistig-körperlich zerstören können. Die Todesangst immer im Wechsel von Ursachen und Auswirkungen begreifen und gegen sie ankämpfen!

Anzeichen: Meistens drei Entwicklungsschritte: Alarmstadium— Anpassungssta­dium — Zerstörungsstadium. Alarmstadium: akut ausgelöst durch unerwartete Langstrafe, Überfall durch die Grünen, erstes Erleben der B-Zelle mit wechselnder Heißluft-Kaltluft-Mißhand­lung usw. Zeichen: Plötzliche panische und aussichtslose Fluchtversuche, Kopf-gegen-die-Wand-Schlagen, Schreikrampf, Muskelzittern, Speichelfluß, unwillkürliches Urinieren und Einkoten, Durchfälle, Pupillenerweiterung, Atmen wie bei Asthma. Beim Übergang in Dauerzustand Pulsbeschleunigung, Kopfschmerzen durch er­höhten Blutdruck, vermehrter Schweiß, Waden- und Zehenkrämpfe. Anpassungsstadium: chronische Folgekrankheiten durch ständig erhöhten Blut­druck, Magen- und Darmgeschwüre, Asthmaanfälle, Schluckbeschwerden. Die im Knast vorkommenden Magendurchbrüche, Darmblutungen, Darmkrebse, Schlag­anfälle sind zum Beispiel die lebensgefährlichen Erscheinungen dieses Stadiums von Angst. Zerstörungsstadium: Totale Appetitlosigkeit, Erbrechen beim Essen, Durchfall sofort nach dem Essen, Abmagern zum Skelett, Kreislaufschwäche und ständig ernie­drigter Blutdruck, völliges Abstumpfen, Gleichgültigkeit gegenüber Schikanen, aber auch bei lange ersehnten Besuchen. Das ist das sogenannte Muselman-Syndrom der KZ-Ärzte_Innen, an dem inzwischen wieder einmal mehr und mehr Gefangene leiden.

Hilfe durch Mitgefangene: Den_Die Mitgefangene_n um jeden Preis von der Todesangst befreien. Ihn_Sie in den Arm nehmen, streicheln. Ihm_Ihr jede Art von Zuwendung zu­kommen lassen: Tabak, Kaffee sammeln, für ihn pendeln usw. Falls die Grünen nicht loslassen: Bambule auf der Abteilung, Sprechchor gegen die Grünen, Hungestreik, Anwälte_Innen einschalten, Anzeigen schreiben. Wichtig: Das auslösende Ereignis, Namen der Grünen und Ablauf genau festhalten, aufschreiben, Zeugen_Innen sammeln. Die Todesangst muss aber vorallem langfristig verarbeitet werden! Isolation: Es ist sehr schwer etwas gegen die Angst und Isolation zu unternehmen. Auf den ersten Blick hören sich einige Tips sehr einfach an, und doch sind sie ungeheuer wichtig. Atemübungen, den Körper mit harter Bürste von Armen und Beinen aus zur Körpermitte massieren, Autogenestraining ausprobieren, alle Träume aufschreiben und mit Verwandten und Freunden darüber sprechen und in Briefen davon erzählen. Bei Besuchen immer wieder über die Angstsituation sprechen. Du musst dich überhaupt in Wort und Schrift in Selbstkontrolle üben: Selbstgespräche offen führen, in Zweiergespräche umwandeln und beide Rollen sprechen; aber auch die angstauslösenden Ereignisse aufschreiben, daraus Texte machen, sie zu Theaterstücken umarbeiten und sie so spielen, dass deine Misshandler bestraft werden. Nicht um die Wut zu besänftigen, sondern damit dich die Angst nicht so hilflos und krank macht! Aktionen in Kleingruppe und in Gemeinschaftsveranstaltungen: Realistische Gegenmaßnahmen vorbereiten, Gruppengespräche über die Auswirkungen der Angst führen, die angstauslösenden Ereignisse als Theater spielen, die Träume gemeinsam durchsprechen. Auf jeden Fall gegen die Selbst-Isolierung der betroffenen Gefangenen angehen.

"Durchdrehen"

Jede_r, der den Knast von innen kennt, weiß welche Folgen das "Durchdrehen" gewöhnlich nach sich zieht: Alamierung der Abteilungsgrünen, gewaltsamer Abtransport in die B-Zelle mit Mißhandlungen. Dann vielleicht nach Stunden oder Tagen ein Arzt. Diese immer wiederkehrende Erfahrung macht jedes "Durchdrehen" so gefährlich, außer wenn der_die Gefangene_r die Bambule kühl als Mittel des Widerstandes gewählt hat, und in der Lage ist, in allen Phasen, die dann kommen, einen klaren Kopf zu bewahren. Meistens geht das "Durchdrehen" aber auf akute Erkrankungen zurück, um den sich die Rollkomandos sogar in den Knastkliniken einen Dreck schweren. Die Frage, ob der_die betroffene Mitgefangene durchkommt, hängt also von den anderen Gefangenen ab.

Anzeichen: Das Durchdrehen hörst du immer, wenn es in deinem Trakt passiert. Sofort Kontakt mit dem_der Nachbarn_Nachbarin aufnehmen. Klopfzeichen für die wichtigsten Informationsfragen und -antworten vereinbaren. Das Vorgehen sofort abstimmen. Auf der ganzen Abteilung keine Ruhe geben, bis der Fall geklärt ist. Genaue Informationen über den Zellenrundfunk verlangen. Erst mit den gemeinsamen Aktionen aufhören, wenn die Versorgung des_der Mitgefangenen sicher gestellt ist! Nicht auf die Sanis verlassen, die sehen vor allem nachts grundsätzlich nichts, was ihnen Scherereien machen könnte (Notarzt holen, Krankentransport veranlassen). Ihr müsst vorallem folgende mögliche Ursachen ausschließen - und dabei auch an solche Geschichten denken, die nur bei frisch Eingelieferten auftreten können. Immer erst fragen, wie lang ist er_sie schon hier?

Alkoholentzug: Spricht wirr, wird immer fahriger, macht nestelnde Bewegungen mit den Händen, Hände und Füße zittern immer grober, gedunsene Haut mit geplatzten Äderchen, Bindehautentzündung in den Augen.

Alkoholvergiftung: Gesicht und Bindehaut gerötet, erregt, schlägt plötzlich grundlos um sich, oft Alkoholgeruch, findet die richtigen Worte nicht, weiß nicht, wo er_sie ist.

Arterienverkalkung: Der_Die Mitgefangene ist älter wirkt vorzeitig gealtert, dreht vor allem abends oder nachts durch, weiß dann nicht wo er_sie ist.

Anfallsleiden: Oft besondere Empfindungen vor dem Zusammenbruch, eventuell Hinstürzen mit Schrei, sekundenlange Starre mit Atemstillstand, dann wiederkehrende Zuckungenen mit unterschiedlicher Ausdehnung über den Körper, Schaumaustritt vor dem Mund, Zungenbiss, Urinabgang. Nach einigen Minuten längerdauernde Verwirrtheit.

Angstzustände: Wurden im vorigen Abschnitt besprochen.

Drogenentzug: Verwirrt, redet nur vom nächsten Schuss, Angstzustände, schwitzt, hat Jerzjagen, weite Pupillen, Tränenfluss, allgemeines Schmerzgefühl, Brechreiz.

Schwere Schmerzzustände: Praktisch bei allen Notfällen möglich, die hier geschuldert werden. Besonders wichtig bei Ausländern, die sich nicht verständigen können und oft erstmal vom Rollkomando zusammengedonnert werden!

Schädel-Hirnverletzungen: Besonder wichtig, denn oft ist diese_r Mitgefangene voher von Grünen, schwer mißhandelt worden. Die haben dann ein besonderes Interesse an einer Fehldiagnose. Merke: Manche Schädel_Hirnverletzte wirken so, als ob die schwer Betrunken wären. Vor allem bei neu eingelieferten Gefangenen aufpassen: Die Polizeibeamten pflegen manchmal gerade Betrunkene bei der Festnahme zusammenzuschlagen. Dann kann eine lebensgefährliche Schädel-Hirn-Verletzung vorliegen, und das bei Alkoholgeruch, wo dann alles dem Alkohol zugeschoben wird.

Zusammenbruch mit Kreislaufkrise: Der_Die Mitgefangene ist schwer gestürzt, stellt fest, dass er stark blutet, als er das Bewusstsein wiedererlangt. Er_Sie versucht den Sani zu rufen. Da meistens so schnell kein Grüner kommt, gerät er_sie in eine akute Angstsituation. Er_Sie trommelt an die Zellentür und schreit, um Hilfe zu bekommen. Die Antwort ist dann vielleicht ein Rollkommando. Dieser Ablauf ist mir mehrfach und glaubhaft von Mitgefangenen berichtet worden. Also nie den Grünen glauben, sondern auf eigene Faust die Gründe des Durchdrehens untersuchen.

Hilfe durch Mitgefangene: In allen Fällen ist ärztliche Behandlung und Klinikeinweisung erforderlich, auch bei Alkohol- und Drogenentzug. Unbedingt durchsetzen! Die Gefangenen landen dann meist in Haftkliniken. In allen Fällen sind sie den Sanis und Knastärzten_Innen gegenüber besonders hilflos. Gerade sie brauchen deine Unterstützung. Bei schweren Erkrankungen für Haftverschonung kämpfen. Im Fall der Entzugsbehandlung aufpassen, dass die Betroffenen von den Weißkitteln nicht als Abschaum behandelt werden, wie es leider die Regel ist. Sie gelten als Abschaum und kriegen gerade noch Distraneurin oder Aponal in den Rachen geschmissen. Gerade diese Gefangenen brauchen jedoch mehr: Kontakt mit dir und Verständnis von deiner Seite. Nicht zulassen, dass sie in Einzelhaft kommen. Sie sind in großer Gefahr sich selbst zu töten, und sie tun es häufig.

Selbsttötung

Wir sprechen hier über die Selbsttötung in der Absicht, Leben zu retten. Wir machen also als Mitgefangene eine Entscheidung rückgängig, die der betroffene Gefangene für sich getroffen hat. Jede_r, der schon gesessen hat, weiß, wie schwer das in manchen Situationen fallen kann. Aber wir wissen, es ist nie der_die Mitgefangene, der Hand an sich legt, sondern es sind die unmenschlichen Bedingungen des Knasts, die ihn_sie umbringen: Er_Sie zieht nur die letzte Konsequenz aus einem menschenunwürdigen Zustand. Dennoch handeln wir immer, denn wir können als Gefangene insgesamt diesen Entschluss nicht anerkennen. Die Gefangenenbewegung kämpft nur für eine Situation, in der der Knast die Menschen nicht zerstört, sie kämpft überhaupt für eine Gesellschaft, in der es keine Knaste mehr gibt. Jede Selbsttötung, die geklappt hat, ist eine Niederlage für unseren Lebenswillen. Die Wiederbelebung führt freilich zu einer schwerwiegenden Verpflichtung. Wir dürfen den_die Gefangene_n, der_die überlebt hat, danach nicht sich selbst und den Knastpsychiatern überlassen. Wir müssen ihn_sie in unsere Gesellschaft hineinnehmen, uns ihm_ihr besonders zuwenden. Ihm_ihr Hoffnung machen, indem wir ihm_ihr zeigen, dass der Kampf fürs Leben möglich ist. Nur unter dieser Voraussetzung sind wir legiti­miert, die Entscheidung des Bruders und der Schwester, Schluss zu machen, zurück­zunehmen! Hilfe durch Mitgefangene: Wenn du keinen Fensterkontakt hast, nimmst du meistens nicht wahr, welches Drama sich in der Nachbarzelle abspielt. Du hörst allenfalls einen dumpfen klatschenden Schlag, wenn der_die Mitgefangene sich am Fensterkreuz aufhängt. Aber du weißt besser als die Grünen, wer in Gefahr ist, sich selbst zu töten. In diesem Fall musst du den Mut haben, für einen falschen Alarm geradezustehen.

Erhängen: So schnell wie möglich die Schnur durchschneiden, vorher den_die Mitge­fangene_n umfassen und langsam auf den Boden gleiten lassen. Das klingt selbstver­ständlich, ist es aber in der Aufregung nicht. (In der Knastklinik haben Kalfaktoren eine verzweifelten Bruder einmal zehn Minuten hängen lassen, denn sie waren der Situation nicht gewachsen). Danach sofort mit Wiederbelebung anfangen.

Ersticken: Manche Gefangene töten sich, indem sie sich eine Plastiktüte über den Kopf stülpen und über dem Hals zuschnüren. Tüten herunterreißen und sofort mit der Wiederbelebung anfangen. Sofort Notarzt und Krankentransport verlangen.

Vergiftung: Meistens mit Schlafmitteln oder chemischen Reinigungsmitteln. Reste aus dem Mund entfernen, Wiederbelebung und sofort den Notarzt verlangen, genaueres in Abschnitt 17. 4..

Elektrounfall: Hier nur der Vollständigkeit wegen nochmal erwähnt. Sofort Strom abstellen und den Mitgefangenen aus dem Stromkreis ziehen. Sonst Wiederbele­bung, Schockbekämpfung, Behandlung der Verbrennungen und Krankenhausein­weisung.

Schlucken: Sofort Entfernung des Fremdkörpers. Nur wenn es ohne Verletzung geht, sonst wie oben und Krankenhauseinweisung.

17.2. Schock

Anzeichen: Bei allen schweren Krankheiten, Verletzungen und Vergiftungen kann es zum Schock kommen. Alles Blut geht aus dem Kopf, den Armen und Beinen raus, man wird kalkweiß, kaltschwitzig, der Puls ist schnell und kaum noch zu fühlen, der „Systolische" Blutdruck wird ganz niedrig (unter 100), es kann zur Unruhe und Bewußtlosigkeit bzw. Kreislaufversagen kommen.

Hilfe durch Mitgefangene: Den Kopf tieflagern, den Körper zum Erwärmen in Decken einhüllen, ihn_sie beruhigen und sofort den Arzt rufen und Krankenhausein­weisung verlangen.

Arzt: Muss sofort die Blutmenge auffüllen (mit Plasmaexpander z.B.) und bei Herz-Kreislaufversagen oder Atemstillstand sofort Wiederbelebungsmaßnahmen ergrei­fen. Dann muss sofort die auslösende Ursache (Blutung, Stoffwechselkrankheit, Gift) behoben werden. Hier einige Erscheinungsformen des Schocks:

Allergieschock

Anzeichen: Pelzige Zunge, Atemnot wie beim Asthma, Herzjagen, Erbrechen und Leibschmerzen, Rötung und Quaddeln auf der Haut, Nies- und Juckreiz. Oft sind Medikamente (Penicillin, Sulfonamide, Schmerzmittel), Pflanzen, Obst, Reinig­ungsmittel, Bienenstiche usw. die Ursache

Selbsthilfe: Auslösende Ursache vermeiden, Arzt rufen.

Arzt: Schockbekämpfung, evtl. Mittel gegen die Allergie (Calzium, Cortison, Meprobamat z.B.).

Unterzuckerung, Insulinschock

Anzeichen: Kommt vor bei Blutzuckerwerten unter 70(mg/dl), häufig bei Leuten, die Insulin spritzen, oder die andere Krankheiten oder gehungert haben und unter­ernährt sind. Es kommt zu Bewußtlosigkeit, Müdigkeit, Schwäche, Zittern, Gähnen, Herzklopfen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Konzentrationsstörungen, weil zuwenig Zucker im Blut ist.

Selbsthilfe: Zucker, Süßigkeiten und Keks essen ist auch richtig, wenn es sich eventuell um.eine Überzuckerung handeln sollte; bessert sich der Zustand, war die Behandlung richtig. Genaue ärztliche Untersuchung des Hormonstoffwechsels, von Leber, Niere, Gehirn und Bauchspeicheldrüse verlangen, weniger Insulin spritzen, sofort Neueinstellung der Zuckerkrankheit im Krankenhaus verlangen.

Arzt: Eventuell auch vor Bestimmung des Blutzuckers Spritzen von Glukose, Be­handlung der Symptome, Suche nach den Ursachen.

Insulinschock, Überzuckerung, Koma bei Zucker

Anzeichen: Bei dem_der Zuckerkranken, wenn er_sie zu wenig Insulin gespritzt hat bzw. zuviel Nahrung/Zucker zu sich genommen hat oder durch andere Krankheiten und auch zuwenig Bewegung der Stoffwechsel gesört wird, kann es zu einer Überzuckerung kommen. Normalwert des Blutzuckers zwischen 70-110 mg/dl, ein Koma ist bei Werten über 260 mg/dl möglich. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Überkeit, Verstopfung, Bauchschmerzen, zunehmende Bewusstlosigkeit, schwere und große Atmung sind Zeichen.

Selbsthilfe: Sofort 1-2 Lr. ungezuckerte Flüssigkeit (Tee, Mineralwasser, Wasser) trinken und den Arzt verlangen. Sofortige Neueinstellung des Zuckers im Krankenhaus verlangen.

Arzt: Muss sofort Alt-Insulin spritzen, um den Zucker zu senken, die Kreislaufstörungen behandeln und den Zucker neueinstellen.

Leberschock,Leberkoma

Meist durch langdauernde Leberkrankheiten verursacht, manchmal aber auch nach Vergiftungen (pilze, Pflanzenschutzmittel) oder ganz akut nach einer Leberentzündung (Hepatitis).

Anzeichen: Vorgschichte beachten. Schläfrigkeit, Benommenheit, verwaschene Sprache, Zittern der Hände, zeitweise auch Unruhe und Erregungszustände. Mundgeruch nach frischer Leber oder Erde, meistens rötliche Verfärbung der Haut und Gelbfärbung der Haut und Scheimhäute, Pupillen erweitert, schwere-große Atmung, niedriger Blutdruck, schneller flacher Puls.

Behandlung: Sofort in ein Krankenhaus (möglichst in ein Spezialkrankenhaus für Leberkranke), sonst wir beim Schock allgemein.

Akutes Nierenversagen

Verursacht durch Salzmangel, Austrocknung z.B. beim Hungerstreik mit Wasserentzug, akutem Blutdruckabfall, Nierenkrankheiten und Verengung oder Verstopfung der Harnabflußwege, Nierenverletzung.

Anzeichen: Zuwenig oder gar keine Harnbildung, blasses-gedunsenes Gesicht, Bluthochdruck, Wasser in den Beinen, Gliederschmerzen, Schüttelfrost, Mundgeruch nach Urin, Muskelzittern, Appetitlosigkeit, Magen-Darmschmerzen, Halluzinationen, Bewusstlosigkeit.

Behandlung: Sofort den Arzt verlangen, sonst Erstbehandlung wir beim Schock allgemein.

Arzt: muss sofort ins Krankenhaus einweisen. Sofort müssen Urin, Blutbild und Nieren untersucht werden, Schockbekämpfung, evtl. Blutreinigung (Dialyse), Gabe von harntreibenden Mitteln und Operation.

Akutes Herzversagen, Herzinfarkt

Zuvor meistens schon längere Krankheitsdauer, Herzschmerzen, Druckgefühl oder Enge in der linken Brust, manchmal in den linken Arm hineinstrahlend, Luftnot auch ohne Belastung, Wasser in den Beinen.

Anzeichen: Vernichtungsgefühl, blass-graues Gesicht, nasskalter Schweiß, schwerer Druck auf dem Brustkorb, Bewusstlosigkeit, Apetitlosigkeit, allgemeine Schwäche und Kraftlosigkeit.

Selbsthilfe: Sofort den Arzt rufen, Schockbehandlung,vor allem beruhigen.

Arzt: Sofort Einweisung ins Krankenhaus, Schockbekämpfung, Beruhigungs- und kreislaufstärkende Mittel, Untersuchung des Herzens mit Elektrokardioprogramm (EKG) und Blutuntersuchung (vor allem GOT, GPT, LDH und CPK).

Akute Bauchschmerzen, Koliken, Bauch-Vernichtungsschmerz

Anzeichen: Meistens gar nicht so genau bestimmbarer Schmerz im Bauch bis hin zur Todesangst, manchmal bestimmte Schmerzpunkte wie Nabel, rechten Rippenbogen (Galle), Rippenwinkel (MAgen), manchmal in die rechte Schulter ziehend (Galle) oder gürtelförmig um den Bauch herum (Bauchspeicheldrüse). Bauchschmerzen, Duchfälle, wässriger Stuhl, Erbrechen, Verstopfung, evtl. Anzeichen wie beim Schock. Ein brettharter Bauch ist immer alarmierend.

Selbsthilfe: Bauchmassage (leicht), Wärme, Beruhigen, sofort den Arzt rufen.

Arzt: Krankenhauseinweisung, Diagnose mit Hilfe der körperlichen Untersuchung, der Vorgeschichte, Magen-Darm-Röntgen, Blututersuchung. Beruhigungsmittel oder krampflösende Zäpfchen können die Krankheitsursache vertuschen!

17.3. Bewusstlosigkeit

Alle Formen der Bewusstlosigkeit müssen unter hAftbedingungen sehr ernst genommen werden. Die Ursachen sind oft schwer (auch für den_die Notarzt_ärztin) zu erkennen. Gerade die Vorgeschichte, die Beobachtungen der Mitgefangenen sind oft sehr wichtig und lebensrettend.

Zur Beobachtung hilft vielleicht dieses Schema:

Anzeichen: Bewusstlosigkeit zum ersten Mal? Wann? Wo? Wie? Wie oft? Selbsttötungsabsicht, schwere Krankheiten, Mißhandlungen? Wie ist die Atmung? Gesichts- und Hautfarbe? Blass, bläulich, grau, gelb, schmutzigbraun? Mundgeruch? Äußere Verletzungen? Zugenbiss, Blutungen aus Nase, Mund, Ohr, Verletzung durch Strom? Prellungen, Schlagspuren? Wie sind die Pupillen? Ungleich groß? Eng? Weit? Wohin ist der Blick gerichtet? Krämpfe? Ist der Körper schlaff, zum Teil gelähmt? Urin und Scheiße in der Hose? Herabhängende Mundwinkel oder Augenlieder? Wie ist der Puls? Klopft das Herz regelmäßig?

Hilfe durch Mitgefangene: Wie bei der Schockbehandlung, den_die Mitgafangene_n möglichst liegen lassen oder in der stablilen Seitenlage mit einem angezogenen Knie, Erbrochenes oder Gebiss aus dem Mund entfernen, wenn möglich evtl. Wiederbelebung. Sofort den_die Arzt_Ärztin rufen.

Arzt: Krankenhauseinweisung, Schockbekämpfung, Ursachenbekämpgung.

Schlaganfall

Meist hervorgerufen durch das Platzen eines Hirngefäßes (z.B. bei hohem Blut­druck) oder Verstopfung der Hirnblutgefäße (Thrombose, Verkalkung).

Anzeichen: Konzentrationsstörung, verändertes Verhalten, Teilnahmslosigkeit bis zur Bewusstlosigkeit, oft Lähmung bestimmter Körperteile oder -gebiete. Sprache schlecht oder nicht zu verstehen, manchmal starrer Blick nach links oder rechts oben, Pupillen verändern ihre Größe nicht bei Lichteinfall.

Behandlung: Beruhigen des_r Mitgefangenen, Beobachtung, Puls- und Blutdruck-messen, Schockbekämpfung, stabile Seitenlagerung. Sofort den_die Arzt_Ärztin rufen, Krankenhauseinweisung.

Bluthochdruckkrise

Hauptzeichen ist die Einschränkung des Bewusstseins bei sehr hohem Blutdruck, der erste Wert oft über 200 mmHg. Häufig bei älteren Mitgefangenen mit Übergewicht, Stoffwechsel oder Nierenkrankheiten, oder der Gefäßverkalkung (Arteriosklerose).

Anzeichen: Kopfschmerzen, Kopdruck, gerötetes Gesicht, Blutandrang und Hitzegefühl im Kopf, Benommenheit.

Selbsthilfe: Ruhigstellen, Freihalten der Atemwege, Arzt_Ärztin rufen.

Arzt: Blutdrucksenkende Mittel, evtl. Beruhigungsmittel, evtl. auch Cortison, Krankenhauseinweisung und ständige Überwachung.

Hitzschlag

Verursacht durch übermäßige Hitzeinwirkung von außen, enge und luftdichte Kleidung, zu hohe Luftfeuchtigkeit.

Anzeichen: Harndrang, Benommenheit, plötzliche Bewusstlosigkeit, Aufhören des Schwitzens, heiße und gerötete Haut, manchmal bläulich, Herzrasen, röchelnde Atmung, enge Pupillen. Beim Kollaps meistens vorher über einige Zeit Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Teilnahmslosigkeit, Arme und Beine kalt, feucht-klebrige Haut.

Hilfe durch Mitgefangene: Runter mit allen Kleidern, Eisbeutel auf Kopf und Nacken, frische Luft und Ventilation, Körper massieren, bei leichteren Fällen auch heiße Getränke {nur wenn der Mitgefangene ansprechbar ist). Beine hoch und Kopf tief lagern.

Arzt: Kreislaufstützende und -anregende Maßnahmen, Krankenhausüberwachung.

17.4. Krampfanfälle, Vergiftungen

Krampfanfälle werden meist verursacht durch Stoffwechsel- oder Gehirnkrankheiten, Infektionen, Vergiftungen oder auch psychisches Durchdrehen.

Anzeichen: Auch hier ist die Vorgeschichte und die Beobachtung der Mitgefangenen sehr wichtig. Wie sind die Krämpfe? Rechte Körperhälfte? Mehr eckig? Ganz schnell hintereinander? Wie ist die Atmung dabei? Ist der Kranke ansprechbar?

Hilfe durch Mitgefangene: Sofort den_die Arzt_Ärztin rufen und alle Beobachtungen erzählen, den_die Kranke_n beruhigen, streicheln, stabil lagern, besonders auf Erbrochenes achten.

Epilepsie

Ganz allgemein fast zu jedem Krampfanfall, der sich wiederholt und mit Muskel­zuckungen, Fühlstörungen, blassem Gesicht und Mißempfindungen einhergeht, wird Epilepsie gesagt. Meist beginnen diese Anfälle schon vor dem 20. Lebensjahr, sie können leicht mit Krämpfen in der Schwangerschaft, Vergiftungen, Stoff­wechselstörungen, »nervlichen und seelischen Krankheiten verwechselt werden.

Anzeichen: Bewusstlosigkeit, Krämpfe, kurze Schreie, Zungenbiß, Schaum vor dem Mund, bläuliche Färbung des Gesichts, Harn- und Stuhlabgang.

Hilfe durch Mitgefangene: Verletzungsrmöglichkeiten (Bett, Stuhl usw.) ent­fernen. Evtl. Taschentuch zwischen die Zähne klemmen. Den_die Arzt_Ärztin rufen. Behand­lung wie bei Schock und Bewusstlosigkeit, Blutbildkontrolle und Elektroencephalogramm verlangen!

Arzt: Mittel gegen die Epilepsie selbst, genaue Diagnose.

Wundstarrkrampf

Infektion mit Bakterien, die vor allem im Erdstaub sind, oft auch bei kleinsten Wunden.

Anzeichen: Muskelkrämpfe meist in der Kaumuskulatur beginnend, grinsender Ge­sichtsausdruck, Hohlstreckhaltung der Nacken-Rücken-Muskulatur.

Hilfe durch Mitgefangene: Sofort Krankenhauseinweisung (Intensivstation) ver­langen! Abschirmung von allen Außenreizen wie Licht, Geräusche etc. Bei kleinen Bagatellverletzungen immer Impfung gegen Tetanus verlangen!

Arzt: Sofort Intensivbehandlung im Spezialkrankenhaus.

Tetanie

Verursacht durch Störungen in der Nebenschilddrüse, im Elektrolytstoffwechsei oder durch maximale und hechelnde Atmung (Hyperventilationstetanie).

Anzeichen: Schmerzen in den Muskeln, Pfötchenstellung der Hände, Fußkrampf mit Einwärtsdehnung der Zehen, Asthma, Krämpfe der Blasen-Darm-Blutgefäß-Muskulatur.

Selbsthife: Arzt_Ärztin rufen, der muss die genaue Untersuchung stellen durch beklopfen mit dem Reflexhammer, Blutbilduntersuchung, Elektrokardiogramm. Bei Hyper-Ventilation Beruhigungen, Plastiktüte über den Kopf stülpen und gegen die geringe Luftmenge gegenatmen lassen.

Arzt: Calzium in die Vene, Untersuchung, evtl. Beruhigungsmittel.

Vergiftungen, Verätzungen

Besonders wichtig ist die Vorgeschichte und die Beobachtung der Mitgefangenen. Verdächtig auf eine Vergiftung bei Bewusstlosen ist immer:

Anzeichen: Eng gestellte Pupillen (Miosis), wässrig-blasse Atmung (Lungenödem) und Krämpfe.

Selbsthilfe: Nichts einflößen! Arzt rufen! Vorgeschichte notieren. Wiederbele­bung. Bei Giftaufnahme durch den Mund Erbrechen herbeiführen mit warmem Salzwasser (3 gehäufte Teelöffel auf ein Glas Wasser — nicht bei Verätzungen und bei eingeschränktem Bewußtsein!) — bei Atemgiften sofort an die frische Luft. Ent­fernung verschmutzter Kleidung, bei Vergiftung der Augen 10 Minuten mit Wasser sanft spülen. Bei Giftbissen, -stichen oder -injektionen: zum Herzen hin ab­schnüren, beruhigen.

Arzt: Gegengifte, Wiederbelebung, zentral belebende Maßnahmen und Kranken­hauseinweisung möglichst in Spezialklinik, dort Magenspülung, Entwässerung, Kohletabletten usw., Magensonde legen.

Verätzungen durch Laugen: Verätzungen durch Natron- oder Kalilauge (in vielen Waschmitteln enthalten, Möbelpoiitur). Sofort verdünnten Essig oder Zitronensaft trinken lassen. Schockbekämpfung. Krankenhaus.

Verätzungen durch Säuren: Zum Beispiel durch Schwefel-, Salz oder Salpeter­säure. Sofort Neutralisation mit Milch oder rohen Eieren, Magnesia usta, Schockbe­kämpfung, evtl. Wiederbelebung, Krankenhaus.

Vergiftung mit Schlaftabletten und Beruhigungsmitte!n: Sofort Magenspülung, Entwässerung, Aufrechterhaltung von Atmung und Kreislauf, evtl. Blutreinigung mit der künstlichen Niere.

Vergiftung mit Kohlenmonoxyd: Autoabgase, schlecht ziehende Ofen. Meist Kopfschmerzen, Übelkeit, Bewußtlosigkeit, rosarote Gesichts- und Hautfarbe. So­fortbehandlung: Frische Luft, künstliche Beatmung.

17.5. Blutungen

Schon kleine Blutverluste können bei manchen Menschen und besonders in der Gefängnissituation zum Schock führen und lebensbedrohlich sein. Blutungen großer Gefäße gibt es im Knast praktisch nur als Folge eines Selbsttötungsversuchs oder von Schlägereien. Falls sie zusammen mit Mehrfachverletzungen auftreten, gilt die Faustregel: Zuerst massive Ge­fäßblutungen so schnell wie möglich stillen, und dann mit der Wiederbelebung beginnen. Ein_e Mitgefangene_r, der_die aus einer großen Arterie des Oberschenkels, Halses oder der Arme blutet, kann innerhalb von ein bis zwei Minuten verloren sein! Jede größere Blutungsquelle muss sofort gestoppt werden, gleichgültig auf welche Art und Weise. Ist das Blut dunkel, pulsiert und quillt nur hervor und spritzt nicht wie aus einer Fontäne hervor, dann sofort mit frischem Taschentuch oder ähnlichem auf die Blutung drücken. Gibt es eine Wundhöhle, dann diese verstopfen. Das Taschentuch mit Hilfe einer breiten Notbinde (beispielsweise dem Hemd) fest am Körper be­festigen. Dann die verletzte Partie über Herzhöhe heben und so festhalten. Notarzt zur weiteren Wundversorgung verlangen. Ist das Blut hell, spritzt stoßweise aus der Verletzung hervor, und ist die verletzte Schlagader groß und sichtbar, sofort in die Wunde hineinfassen und die Ader zwischen Daumen und Zeigefinger abklemmen. Ist ein zweiter Mitgefangener da oder ist die Ader nicht direkt abzuklemmen, dann durch Druck die Ader zwischen Herz und Wunde abklemmen. In allen Fällen muss eine endgültige Wundversorgung durch den Chirurgen erfolgen. Transport ins Krankenhaus durchsetzen.

Blutungen nach Verletzungen

Anzeichen: Kopfplatzwunden bluten meist besonders stark, immer muss nach einer Schädelverletzung gesucht werden. Blutungen aus den Venen (Gefäße, die das Blut zum Herzen zurückführen und sauerstoffarm sind) pulsieren nicht und sickern meistens, Blutungen aus Hämorrhoiden am Enddarm können jedoch sehr stark sein. Blutungen aus den Arterien (Gefäße, die das sauerstoffreiche Blut in die Beine und Organe bringen) sind meist besonders stark und pulsieren stoßweise, sie sind besonders bei großen Gefäßen sehr gefährlich.

Selbsthilfe: Sofort Stillen der Blutung, am besten durch Druck auf die Wunde selbst (natürlich nicht bei offenen Brüchen, bei Messerstichverletzungen das Messer nicht gewaltsam rausziehen) oder an den großen Gefäßen abbinden zwischen Wunde und Herz, Ruhigstellung.

Arzt: Wundversorgung, Versorgung des Bruches, evtl. Krankenhauseinweisung, Schockbekämpfung, Wiederbelebungsmaßnahmen.

Bluthusten

Das Blut wird abgehustet, also nicht unwillkürlich erbrochen. Dennoch ist die eigene Unterscheidung oft schwierig.

Anzeichen: Das Blut ist hellrot, schaumig, oft mit Spucke durchsetzt. Wenn das Blut runtergeschluckt und vom Magen angedaut wird, kann es beim Erbrechen kaffeesatzartig aussehen. Häufigste Ursache im Knast: Offene, unbehandelete Lungentuberkulose, Bronchenauswehung bei Asthma, chronische Stauungslunge, Herzfehler, Fremdkörper in den Atemwegen, chronische Bronchitis, Lungenkrebs.

Selbsthilfe: Ruhigstellung, Schockbekämpfung, Arzt rufen und sofortige Krankenhauseinweisung verlangen.

Arzt: Schockbekämpfung, Diagnose stellen, vor allem muss die Lunge geröngt und evtl. eine Bronchoskopie gemacht, d.h. in die Luftwege hineingesehen werden.

Bluterbrechen

Häuptursachen im Knast sind: Blutende Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüre, geplatzte Speiseröhrengefäße bei schwerem Leberschaden, Magenschleimhautent­zündung, Magen-, Darmkrebs, Darmverschluß.

Anzeichen: Meist wird Blut erbrochen, das entweder hellrot, himbeergeleeartig oder wie Kaffeesatz aussieht, je nachdem wie lange das Blut im Magen gewesen ist. Alarmierend sind immer massive Blutungen im Schwall.

Behandlung: Sofortige Krankenhauseinweisung und Untersuchung, Erstbehand­lung wie beim Schock, Magensonde.

Blut im Urin

Ist nur selten lebensgefährlich. Es muss sofort geklärt werden, ob die Ursachen Steine, akute Nierenentzündungen oder -geschwülste sind oder ob Verletzungen (z.B. Nierenkapselriss mit Schmerzen in der Nierengegend meist unterhalb der Rippen neben der Wirbeisäule hinten) vorliegen, die meist alarmierend sind.

Behandlung: Sofort krankenhausärztliche Untersuchung fordern, Blutbild- und Urinuntersuchung, evtl. Röntgen der Niere mit Kontrastmittel, Blasenspiegelung, Röntgen der Nierengefäße.

Blut im Stuhl

Anzeichen: Manchmal hellrotes Blut auf dem Stuhl (Hämorrhoiden, „Wolf"), manchmal hellrot-schleimige Stühle (aus dem Enddarm bei Entzündungen, Mißbil­dungen, Geschwülsten) und manchmal pechschwarz-stinkend (kommt als Teerstuhl aus oberen Darmabschnitten).

Behandlung: Ursache muß sofort gefunden werden, auf Verletzungen achten! Evtl. Schockbekämpfung und Krankenhauseinweisung.

Blutung aus Nase, Ohr und Bluterguß am Auge

Ist immer verdächtig auf eine lebensgefährliche Verletzung des Schädels und des Gehirns, muss sofort genauestens im Krankenhaus untersucht werden. Bei allen längeren oder großen Blutungen darf keine Sekunde gewartet werden, Schockgefahr.

17.6. Verbrennungen, Erfrierungen,Stromschlag

Verbrennungen

Sofort Flammen löschen, Kühlen mit eiskaltem Wasser, Trinken möglichst mit Kochsalz, Schock- und Schmerzbekämpfung, bei Verbrennung von mehr als 10 % der Körperoberfläche z.B. Kopf und Hals, Teilen des Rumpfes, oder beide Ober­schenkel, sofortige Krankenhauseinweisung. Evtl. Verbinden der Wunde mit sterilem Verbandsmaterial.

Erfrieren, Unterkühlung

Anzeichen: Blässe, Abgeschlagenheit, Abnahme der Seh- und Gehörkraft, Schnappatmung, Bewusstlosigkeit, später dann Fieber, Krämpfe, Sprachstörungen, Halluzinationen und Verwirrtheit.

Behandlung: Wärmezufuhr (langsam!), Schockbekämpfung, evtl. Wiederbelebung, Kreislaufstützung, Krankenhaus.

Stromschlag

Anzeichen: Nach dem elektrischen Unfall Krämpfe, Muskelspannung, Atemläh­mung, Herzrasen, ungleichmäßiger Herzrhythmus, vorübergehend Herzstillstand und Blutdruckerhöhung. Bewußtlosigkeit, evtl. Kreislaufstillstand.

Behandlung: Verletzte_n aus dem Stromkreis ziehen (vorher Strom abschalten), künstliche Atmung, durch den_die Notarzt_Notärztin sofort Schockbehandlung.

17.7. Kopf und Hals

Schädel-Hirn-Verletzungen

Sie sind im Knast Folge von Mißhandlungen, manchmal, auch von Stürzen aus großer Hohe in Selbsttötungsabsicht. In beiden Fallen legen die Grünen wenig Wert auf die Erhellung der Vorgeschichte. Hier musst du einspringen, und zwar nicht nur, um ein Verbrechen an einem_r Mitgefangenen aufzudecken. Der_Die so schwer verletzte Mitgefangene braucht für sein_ihr Überleben deine genaue Beobachtung, und deine Fähigkeit, den_die Notarzt_ärztin darüber genau zu informieren. Das folgende gilt vor allem für Verhältnisse, wo keine dramatischen Verletzungszeichen zu sehen sind und die Sanis meinen „es ist schon nicht so schlimm".

Anzeichen: Die Beschreibung kann sich vielleicht an folgenden Fragen orientieren: Wie ist die Bewustseinslage beim Auffinden des_r Verletzten und wie verändert sie sich bis zum Eintreffen des_der Notarztes_ärztin: zuerst etwa tiefe Bewusstlosigkeit, dann völlige Wachheit und dann wieder zunehmende Bewusstseinseinschränkung? Bewusstlosigkeit von Anfang an? Allmähliche Entwicklung von Schläfrigkeit zur Bewusstlosigkeit? Das kannst du rauskriegen, indem du deine_n Kameraden_in in Knackimanier ständig ansprichst. Wann und wie oft tritt Erbrechen auf? Wie ist die Atmung? Wie ist der Puis, langsam, schnell, flach, angespannt? Wie wirkt die Körpertemperatur und der Schweiß, fiebrig, kalt, ansteigend? Treten Krämpfe auf, schnell, langsam, an einer Körperseite oder wie? Wie sind die Pupillen und wie verändern sie sich bei Lichteinfall, ungleich groß, nicht rund, weit, groß, klein, schielen, Blick starr in eine Richtung oder ständig wechselnd?

Hilfe durch Mitgefangene: Atemwege freimachen und -halten, stabile Seitenlagerung, Wunden versorgen, Sauerstoff — Nasensonde vom Sani verlangen. Evtl. sofort mit Schockbekämpfung und Wiederbelebung anfangen.

Arzt: Sofort Krankenhausbehandlung, evtl. Operation, Kreislauf- und Schockbe­handlung wie schon erwähnt.

Gehirnerschütterung

Anzeichen: Kann schon bei leichteren Verletzungen und Stößen gegen den Kopf sich entwickeln. Weiß der_die Mitgefangene nicht mehr wie es zu dem Unfall, der Schiägerei gekommen ist, muß er_sie sich erbrechen bzw. ist ihm_ihr übel oder schwindlig, hat er_sie Kopfschmerzen oder sich unwillkürlich in die Hose gemacht, so sind das immer Alarmzeichen.

Selbsthilfe: Ruhigstellung, Beruhigen, Arzt_Ärztin und Krankenhauseinweisung ver­langen.

Arzt: Röntgenuntersuchung des Kopfes,evtl. Darstellung der Blutgefäße mit Hilfe von Kontrastmitteln, Ruhigstellung usw.

Hirnhautentzündung

Anzeichen: Fieber, Krämpfe, Nackensteifigkeit, sehr starke Schmerzen beim Vor­beugen des Nackens oder Heben der Beine bis zum Brustkorb. Störung der Reflexe, Bewusstseinsverlust. Meist durch Bakterien, Viren oder nach Impfungen.

Behandlung: Sofortige Krankenhauseinweisung verlangen, Behandlung wie beim Schock.

Arzt: Im Krankenhaus muß evtl. die Gewebeflüssigkeit aus dem Rückenmark unter­ sucht werden, Blutuntersuchung, fachärztliche Behandlung in einer neurologischen Klinik.

Plötzliche Erblindung

Kann sehr viele verschiedene Ursachen haben, meist Blutung in der Netzhaut, Ver­schluss der Blutgefäße für den Sehnerven usw. Die plötzliche Erblindung muss immer sehr ernst genommen werden!

Behandlung: Sofortige und ganz schnelle Krankenhauseinweisung als Notfall ver­langen, das Augenlicht kann für immer verloren sein!

Plötzliche Augenschmerzen, Glaukomanfall

Oft verursacht durch eine Erhöhung des Drucks im Auge in der Dämmerung bei Er­weiterung der Pullen oder bei psychischer Erregung. Meist bei älteren Mitge­fangenen,

Anzeichen: Heftige Schmerzen im Auge, oft ausstrahlend in Stirn und Kopfhälfte,Brechreiz, Erbrechen, Schleier vor den Augen, Gefühl als wenn das Auge platzt.

Selbsthilfe: Beruhigen, sofort in helles Licht schauen lassen, Arzt!

Arzt: Sofort zum Augenarzt, der behandelt mit Spezialmitteln (z.B. Pilocarpin, Diamox), evtl. ist eine Operation notwendig.

Plötzlicher Hörsturz, Gehörverlust

Häufig ohne Vorankündigung plötzlicher Verlust der Hörfähigkeit auf einem oder beiden Ohren, durch psychische Aufregung oder Erkrankung am Ohr verursacht.

Behandlung: Sofort Behandlung durch einen Hals-Nasen-Ohren-Facharzt, wegen der Gefahr des Dauerschadens und der vielleicht dahinterstehenden Gehirnkrank­heit müssen ein plötzlicher Verlust des Hörens oder der Sehkraft sehr emst genommen werden!

Augenverletzung

Massiver Schmerz des betroffenen Auges, oft durch nicht genau erkennbare Fremd­körper oder durch Schläge, auch Prellungen können sehr schmerzhaft und gefährlich sein. Manchmal fließt das Auge sozusagen aus.

Selbsthilfe: Steriler Augenverband für kurze Zeit, auch beim nichtverletzten Auge. Den_Die Mitgefangene_n auf eine harte Unterlage auf den Rücken legen, ihn_sie bitten sich ruhig zu verhalten, Arzt!

Arzt: Sofort als Notfall ins Krankenhaus, Schockbehandlung.

Augenverätzung

Kalk- und Laugenverätzungen sind am Auge immer gefährlicher als Verätzungen mit Säure. Sofort nach dem Unfall stärkster Schmerz, Tränenfluß, Lichtscheu, Erblindungs- und Todesangst. Oft läßt sich das Auge nicht mehr öffnen, Blasenbildung auf den Lidern, Hornhaut getrübt, verdickt und verletzt.

Selbsthilfe: Unter laufendem Waser viel und lange spülen, schädigendes Mittel sofort evtl. mit Wattebausch oder notfalls Taschentuchzipfel entfernen.

Arzt: Sofort als Notfall in Augen-Spezial-Klinik.

Mandel-Abzess

Anzeichen: Verstärkung der Schluckbeschwerden meist bei Gefangenen, die schon häufig an Mandelentzündung gelitten haben, bis hin zur totalen Mundsperre, kein Sprechen und kein Kauen mehr möglich, Fieber, starke oder weniger starke Schmerzen hinten am Hals, vor allem bei schlechter Ernährung und sehlechtem Gesundheitszustand (wie häufig im Knast).

Behandlung: Sofort Krankenhauseinweisung, evtl. Operation durch Hals-Nasen-Ohrenärzte, Antibiotikabehandlung (Penicillin). Der Abzeß kann wie bei allen Infektionen im Kopfbereich schnell das Gehirn erreichen und schwer schädigen.

17.8. Herz, Kreislauf, Lunge

Einengungen der Blutgefäße, Entzündungen, Blutungen oder Stressfolgen können hier — und besonders erst im Knast — lebensgefährlich sein.

Brustverengung, Brustschmerzen

Anzeichen: Oft plötzlich einsetzender Schmerz oder Engegefühl in der Brust, manchmal Gefühl der Vernichtung, Todesangst. Ursache kann ein Lungenriss, ein beginnender Herzinfarkt, Thrombose oder Embolte (Verstopfung von Gefäßen in der Lunge oder im Herzen) sein. Manchmal kommen die Schmerzen auch so wie ein Hexenschuss von der Brustwirbelsäuie her.

Behandlung: Sofort krankenhausärztliche Behandlung fordern (in einem Kranken­haus mit Intensivstation!). Dort Herz- und Kreislaufuntersuchung, Röntgen der Lunge, Elektrokardiogramm, Blutuntersuchung usw.

Atemnot

Der durch extremen Lufthunger und Beklemmung sich ausdrückende Zwang zu atmen und die Unmöglichkeit, diesem Zwang nachzukommen, ist immer ein Zeichen von Lebensbedrohung. Die Atemnot kann verursacht sein durch eine Verengung der Luftwege, durch Fremdkörper, durch nervliche Krankheiten, durch Lungenkrankheiten (meist schon längerdauernde), Verletzungen von Lunge und Luftwegen (Vergiftung, Verätzung) oder auch durch Herzkrankheiten.

Anzeichen: Langsam-keuchende Einatmung, bei der der ganze Körper mitbeansprucht wird: Anspannung der Hals- und Bauchmuskeln, Tiefertreten des Adamsapfels, Einziehung in der Schlüsselgrube und den Zwischenrippenräumen, leichte — kaum wahrnehmbare Ausatmung. Anfänglich Blaßfärbung, dann Blau­färbung des Gesichts, Todesangst, Sprechen erschwert, zunehmende Bewußtlosig­keit.

Selbsthilfe: Entfernung von Fremdkörpern, Wiederbelebung, Schockbekämpfung. Sofortige Haftverschonung und Krankenhausbehandlung fordern. Zellenfenster öffnen, Kopf und Oberkörper hochlagern.

Arzt: Beruhigen, Wiederbelebung, Spritzen von atemanregenden und kreislauf­stützenden Medikamenten (z.B. Euphyllin, Strophantin, bei Lungenödem Cortison und Lasix), sofortiger Notfalltransport ins Krankenhaus.

Riss des Lungenfelis, Spontanpneumothorax

Vor allem bei Lungenerkrankungen wie Blählunge, Lungenkrebs, Lungenent­zündung, Lungentuberkulose, Rippenfellentzündung, manchmal auch ohne fest­stellbare Ursache.

Anzeichen: Plötzliche, manchmal verschiedenartige Brustschmerzen, meist einseitig, Atemnot, Blau Verfärbung, Husten. Die erkrankte Brustseite atmet nicht so tief ein wie die andere, oder nimmt gar nicht mehr an der Luftbewegung teil.

Selbsthilfe: Ruhigststellung mit erhöhtem Oberkörper, Bekämpfung des Husten­reizes mit einem Schluck eiskaltem Wasser. Beatmung, Schockbekämpfung.

Arzt: Sofortige Krankenhauseinweisung, Sauerstoffbeatmung mit Nasensonde, Maske oder Atembeutel, Bekämpfung des Hustenreizes, Beruhigung. Kreislauf­stützung, Luftabsaugung evtl. im Notfall durch den Brustkorb hindurch.

Akuter Schlagaderverschluss, Embolie

Meistens durch Herzkrankheiten (Herzfehler, Herzrhythmusstörungen) verur­sacht, auch durch Gefäß- und Herzentzündungen oder -verkalkungen.

Anzeichen: Plötzlich einschießender, peitschenartiger Schmerz im Bereich eines Blutgefäßes, danach oft dumpfer, sehr heftiger Dauerschmerz, Blässe bzw. bläuliche Verfärbung, Kältegefühl, Taubhaut, Kribbeln, kein Puls mehr an der herzentfern­testen Stelle, Reflexe und Fühlen gestört.

Behandlung: Sofort den Arzt und die Krankenhauseinweisung verlangen. Die Knastkrankenhäuser sind für solche Notfälle nicht ausgerüstet. Ruhigstellung. Schockbekämpfung, Tieflagerung der kranken Körperteile.

Arzt: Schmerzmittel, Blutgerinnungsmittel (Heparin, Asasantin), Schockbe­kämpfung, Einweisung in ein Spezial-Gefäßchirurgisches Krankenhaus. Gefahrvoll Schlaganfall und Herzstillstand!

Akuter Venenverschluß, Thrombose

Häufig nach längerdauernder Venenentzündung, durch Infektionen oder bei Krampfadern.

Anzeichen: Ähnlicher Schmerz wie beim Arterienverschluss im Bereich der Venen, Druckempfindlichkeit der Waden, Fußsohlen, des Oberschenkels oder des unteren Bauches. Schmerzen oft ausstrahlend und schwer zu bestimmen. Oft verbunden mit Einlagerung von Wasser in den Beinen, gefüllte Venen, normaler oder schwacher Puls.

Behandlung: Wie beim Arterienverschluss, Ruhiglagerung, ins Krankenhaus evtl. Operation.


17.9. Speiseröhre, Magen, Darm

Gefahr immer bei Blutungen, Vernichtungsschmerz, besonders heftigen Erbrechen (schwallartig), dauerndem, übelriechendem, dünnen Stuhl, Schockzeichen.

Durchbruch eines Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwürs

Zuvor meist längere Zeit über: Magenschmerzen, Magen- und Darmschleimhautentzündung. Besonders häufig durch den Stress im Knast.

Anzeichen: Schlagartig einsetzender stechender Schmerz im Oberbauch (manchmal auch eher schleichend), Ohnmacht, Bewusstlosigkeit, Erbrechen, graue Gesichtsfarbe, Vemichtungsgefühl, oft brettharter Bauch.

Selbsthilfe: Nichts mehr essen und trinken, Ruhigstellung, Warmhalten.

Arzt: Sofort Krankenhaus-Nottransport, evtl. Operation.

Magenblutung

Bluterbrechen, Teerstühle, Kreislaufschock, Blässe. Sofort Krankenhauseinweisung als Notfall (siehe auch Abschnitt 17.5. Blutungen).

Darmverschluss

Häufig nach Operationen, Darmverletzungen, Entzündungen, bei Narben, Leisten- ­oder Nabelbrüchen.

Anzeichen: Schlagartig einsetzender Schmerz in der Nabelgegend, der alle drei bis fünf Minuten wiederkommt, Erbrechen, Aufstoßen, allgemeiner Kraftverlust bis zur völligen Erschöpfung.

Behandlung: Keine Abführmittel! Ruhigstellung, Wärmflasche, sofort Arzt_Ärztin und Krankenhauseinweisung verlangen. Muss in jedem Fall geröngt und genau untersucht werden, evtl. Operation.

Blinddarmentzündung

Anzeichen: Heftige, zunächst allgemeine Bauchschmerzen, dann mehr im rechten Unterbauch, Schmerzen beim Heben des rechten Beines, Fieber, später brettharter Bauch, Walze im rechten Unterbauch, Schüttelfrost, Gelbsucht, Schocksymptome. Temperaturunterschied von 1 Grad Celsius zwischen Achsel und After.

Behandlung: Im Krankenhaus Operation und evtl. antibiotische Behandlung.

17.10. Erkrankungen der Galle, Leber und Bauchspei­cheldrüse

Diese Erkrankungen kommen meist nicht aus heiterem Himmel, die Vorgeschichte ist immer wichtig. Gallensteine? Alkoholismus? Vergiftung? Verletzung durch Gewalt?

Gallenkolik

Anzeichen: Rasch einsetzende Koliken im rechten Oberbauch, die in rechte Brust und Schulter ausstrahlen, Brechreiz, Fieber, Druckschmerz am rechten Rippen­bogen, oft heller Stuhl (wie Zement), bräunlich-gelber Urin, gelbe Augen.

Behandlung: Klinikeinweisung verlangen, Schmerz- und Schockbekämpfung.

Bauchspeicheldrüsenentzündung

Wird meistens nicht richtig erkannt oder mit einer „Gastritis" verwechselt.

Anzeichen: Heftige Schmerzen im Mittel- oder linkem Oberbauch, oft gürtel­förmig in die linke Flanke ausstrahlend, manchmal bis in den linken Rücken und Schulter, Aufblähung des Bauchs, kissenartige Vorwölbung des Magens, Übelkeit, Erbrechen, Schockzustand.

Behandlung: Sofort Notarztbehandlung, Krankenhaus, Schockbekämpfung.

Gelbverfärbung der Haut, Ikterus

Bei neu inhaftierten Fixern_Innen oft das erste Zeichen der Leberentzündung (Hepatitis), ebenso bei chronischer Leberschädigung, bei Lebervergiftung mit Medikamenten und anderen Giftstoffen, bei Entzündungen und Steinen der Galle und Blutkrankheiten möglich, oder bei bestimmten Infektionen.

Anzeichen: Die Gelbverfärbung kommt dadurch zustande (ebenso wie heller Stuhl und dunkler Urin), dass die roten Blutkörperchen unvollständig oder zuviel abge­baut werden und die Gallenfarbstoffe sich im Gewebe und in den Körpersäften an­häufen. Die häufigste Ursache sind unsaubere, sozusagen vergiftete Spritzen. Wenn du das annimmst, wegen der notwendigen schnellen Behandlung nicht verschweigen!

Behandlung: Schon bei ersten Anzeichen wie Grippegefühl, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen, allgemeine Übelkeit, Druckschmerz im rechten Oberbauch, Fieber, Gelbfärbung frühestens nach 5 Tagen! Nach der Untersuchung der Leberwerte im Labor fragen (Transaminasen, das sind GOT, GPT, Gamma-GT, die erhöht sind beim Untergang von Leberzellen), wegen der Ansteckungsgefahr eventuell Trennung von den Mitgefangenen, Ruhe, Kontrolle des Krankheitsver­laufs am besten in einem Spezialkrankenhaus.

17.11. Akute Erkrankungen der Niere, Harnwege und Sexualorgane

Da die Nieren bestimmte Stoffe aus dem Körper ausscheiden müssen, droht bei bestimmten Erkrankungen die Vergiftung des Blutes (Urämie) mit Bewusstlosigkeit und Schock/Kreislaufstillstand.

Akute Nierenkolik

Häufig durch Nierenentzündungen, Nierensteine oder Geschwülste verursacht.

Anzeichen: Heftiger, wehenartiger Schmerz bis zum Erbrechen, oft vom Rücken in die Lendengegend ausstrahlend, manchmal aufgetriebener, geblähter Bauch. Blutroter Urin, Druck- und Klopfschmerz der betroffenen Niere.

Behandlung: Wärme, Flüssigkeit {mehr als 2 Liter), Bettruhe, Schmerzmittel. Der Arzt muss die Ursache der Kolik herausfinden, tritt keine Besserung ein — sofort ins Krankenhaus, da vielleicht eine Operation notwendig ist und eine Vergiftung be­fürchtet werden muss.

Harnverhalten

Wenn kein Urin mehr kommt trotz Essen und Trinken, ist das immer ein bedroh­liches Zeichen. Entweder funktioniert die Niere nicht mehr oder aber der Abfluss ist durch Entzündungen, Krämpfe oder Fremdkörper und Geschwulste verstopft.

Anzeichen: Nieren- und Blasenschmerzen, vielleicht zuvor Jucken und Brennen beim Wasserlassen, rötlicher oder eitriger Urin, plötzlich oder langsam entstehend kein Urin mehr, es kann zu Erbrechen, Übelkeit, grauer Gesichtsfarbe, Darm­schmerzen und Bewusstlosigkeit kommen.

Behandlung: Wie beim Schock, sofort Notarztbehandlung und Spezialbehandlung durch Nierenfachärzte im Krankenhaus verlangen (Urologen).

Elektrolytstörungen

Elektrolyte sind Stoffe wie Natrium, Kalium, Chlor usw., die besonders für den Stoffwechsel der Körperzellen, der Nieren und der Nerven wichtig sind. Besonders häufig kommt es im Knast hier zu Störungen bei unbehandeltem oder unbeob­achtetem Erbrechen, Durchfällen, Nieren- oder Leberschäden, Dauerbehandlung mit Cortison, Hunger- und Durststreik.

Anzeichen: Übelkeit, Schlafsucht, Teilnahmslosigkeit, Konzentrationsstörung, Muskelkrämpfe, unregelmäßiger Puls werden meist im Knast nicht ernst genommen.

Behandlung: Wenn ein_e Mitgefangene_r abbaut, immer ärztliche Behandlung durchsetzen, in schweren Fällen (Salzmangel, Wasservergiftung, Krämpfen, ein­setzende Bewusstlosigkeit) sofort Schockbekämpfung und Krankenhausbehandlung!

Priapismus, Steifbleiben des Gliedes, Beckenkrämpfe

Aufgrund der Angst im Knast, der ständigen Drohungen und der sexuellen Ein­schränkung kann es beim Wichsen manchmal zur andauernden Versteifung des Gliedes kommen. Hört es gar nicht mehr auf und wird es auf die Dauer sehr schmerzhaft mit schlimmen Krämpfen im Beckenbereich, dann ohne Scham sofort spezialärztliche Behandlung im Krankenhaus verlangen (Urologie). Aufgrund des Blutstaus kann es zu schweren Schädigungen kommen.

17.12. Akut bedrohliche Knochen-, Muskel- und Gelenk­erkrankungen

Jede Lähmung, jeder Muskelkrampf und jede Einschränkung der Beweglichkeit in den Gelenken kann von Bedeutung sein. Längst nicht so häufig wie das die Knastärzte sagen, steckt eine Reizung oder „das Alter" dahinter.

Akuter Gichtanfall

Besonders bei Männern (seltener im Knast wegen der schlechten Ernährung als draußen), wenn bestimmte Stoffe (Harnsäure) im Blut zu hoch und über die Nieren nicht ausreichend ausgeschieden werden.

Anzeichen: Meist an einem großen Gelenk (Knie, Daumen, Fuß, Ellenbogen) stark schmerzhafte, rote und auffällig warme Schwellung, Bewegung und Belastung kaum noch möglich.

Behandlung: Untersuchung durch den_die Arzt_Ärztin. Blutuntersuchung (besonders Harn­säure) und Behandlung mit harntreibenden, die Harnsäure unterdrückende oder die Ausscheidung fördernde Mittel (Colchizin, Uralyt-U, Diät: kein Kaffee, wenig Fleisch, keine Innereien).

Akutes Rheuma

Anzeichen: Kann richtig anfallsartig auftreten, Schmerzen und rötliche Schwellung und Verdickung meist an kleineren Gelenken wie den Finger- und Zehengelenken.

Behandlung: Muss genau untersucht werden, durch die Röntgenaufnahme kann erst ein spätes Stadium der Krankheit festgestellt werden. Wichtig sind Blutunter­suchungen: Blutsenkung, Leukozyten, die sogenannte Rheumaserologie. Zur Abgrenzung von anderen Krankheiten muss ein sogenannter Leber- und Nieren-Status gemacht werden und evtl. eine Antikörperreaktion (HLA-B 27) bestimmt werden. Behandlung dann unter fachärztlicher Kontrolle durch Basismedikamente (Colchizin, d-Penicillamin u.a.), und Dauerbehandlung möglichst ohne Cortison. Cortison und Amuno haben sehr starke Nebenwirkungen und dürfen längst nicht jedem gegeben werden. Medikamentenbeipackzettel zum Lesen verlangen!

Akuter Bandscheibenvorfall

Anzeichen: Heftig umschriebender Kreuzschmerz aus Wohlbefinden heraus, sofortige Ausstrahlung zumeist in Gesäß und Bein (manchmal auch gürtelförmig um die Brust oder den Bauch), Muskelverspannung, gebeugte Haltung, Aufrichten nicht möglich, Schmerz schwindet manchmal völlig, aber damit ist die Krankheit nicht vorbei! Oft Taubheitsgefühl und Mißempfinden oder Lähmung in den Beinen. Der Mitgefangene kann nicht mehr auf den Zehen oder auf den Hacken gehen, nicht mehr auf einem Bein stehen oder das Knie beugen.

Behandlung: Sofortige nervenärztliche Untersuchung verlangen, Ruhigstellung, es kann zu Querschnittslähmungen kommen. Alarmierend (spätestens) ist es immer, wenn Stuhlgang und Wasserlassen nicht mehr möglich sind. Kann nicht ernst genug genommen werden!

Knochenbrüche

Sie sind gar nicht immer so leicht zu erkennen. Bei offenen Brüchen sind die Knochenenden zu sehen, zumeist sind Nerven und Blutgefäße verletzt, so daß nach Ruhigstellen, Blutungsstillen sofort Operation im Krankenhaus notwendig ist. Bei geschlossenen Brüchen ist manchmal am Knochen ein Bruchspalt oder eine Bruch­kante zu fühlen, auch hier kann es zu nicht sichtbaren Verletzungen gekommen sein.

Behandlung: Ruhigstellung, Blutstillung, Schockbekämpfung, Röntgenuntersuchung, evtl. sofort Krankenhausbehandlung.

17.13. Lebensrettende Maßnahmen

Zum schnellen Nachschlagen wollen wir hier die Grundsätze der Notfallbehandlung wiederholen und die Bedingungen aufzählen, die eine halbwegs vernünftig ausgestattete Sani-Abteilung erfüllen muss. Jede_r Ge­fangene kann fordern, dass Ausrüstung und Ausbildung der Ärzte_Ärztinnen und Sanis im Knast den notwendigen Anforderungen genügen (was sie meistens nicht tun).

Maßnahmen beim Herz-Kreislauf-Atemstillstand

1.Bewusstlosigkeit

Immer stabile Seitenlagerung, bei schwe­ren Kopfverletzungen Kopf anheben. [Bild fehlt]

2.Schockgefahr

Auch bei ausgeprägtem Schock, Kopf tief — Beine hoch (15 Grad) [Bild fehlt]

3. Atemnot

Bei Brustkorbverletzungen, Asthma, Atemnot Körper aufrecht [Bild fehlt]

4. Heftige Bauchschmerzen

Kopf leicht anheben, Rolle oder Kissen unter die Kniekehlen — Bauch entspan­nen.

Beatmung

Mund-zu-Mund-Beatmung etwa 15-20 mal pro Minute, oder anders ausgedrückt alle 4-5 Sekunden einmal, der Brustkorb des_der zu beatmenden Mitgefangenen soll sich deutlich heben.

1. Überstrecken des Kopfes, 2. Einblasen der Luft, 3. Beobachtung des Brustkorbes [Bilder fehlen]

Wichtig ist eine harte, nicht federnde Unterlage (Fußboden). Beine hoch­heben. Mit dem Ballen einer Hand verstärkt durch die zweite Hand auf das untere Brustbein kräftig und rhythmisch drücken, etwa 60 mal in der Minute. Herzmassage und Be­atmung zusammen: Nach viermali­gem Druck auf das Brustbein (Herz) einmal Atemstoß von Mund zu Mund (innerhalb von fünf Sekunden. Herzdruckmassage und Beatmung).

Maßnahmen bei schweren Blutungen

Im Notfall sofort versuchen, die Blutversorgung vom Herzen vor dem verletzten Blutgefäß zu unterbinden oder abzudrücken, also immer zwischen Herz und Blutungsquelle.

Blutung im Kopf und Halsbereich: Abdrücken der Schläfenarterie,Kinnaterie, Halsarterie (nur tief unten!) [Bild fehlt]

Blutung im Oberarm oder Unterarm [Bild fehlt]

Blutung des Oberschenkels oder Unterschenkels [Bild fehlt]

Maßnahme bei Knochenbrüchen

Erste Regel: Ruhigstellen (durch Lagerung, Schienen, Holzscangen etc.). Zweite Regel: jede Stellung, in der Arme oder Beine am meisten entspannt sind, bereitet am wenigsten Schmerzen.

Ausrüstung einer Sanitätsstation für den Notfall

1. Zur Diagnose und Bestimmung des Krankheitsbildes: Hörrohr (Stethoskop), Blutdruckmeßgerät, Taschenlampe. Ohr-, Nasen-, Rachen- und Augenspiegel, Reflexhammer zur Prüfung der Nerven, Teststäbchen für Blutzucker, Urinzucker, Aceton im Urin u.ä., Blasenkatheter, Ständer für Blutsenkung und -Bestimmung, Gerät zur schnellen Blutzuckerbestimmung (Reflomat)

2. Zur Behandlung des Atemstillstandes: Beatmungsbeutel mit Maske und Sauerstoffgerät, Tubus, Absaugschläuche (-katheter), Zahnkeil, Magenschlauch, Fußabsaugpumpe mit entspr. Absaugkathetern, Besteck für die Notfallöffnung des Kehlkopfes (Nottrancheotomie), Kornzange zum Entfernen von Fremdkörpern, Erbrochenem etc. aus dem Mundraum, Speziallampe zum Inturbieren (Einführen eines Beatmungsschlauches in die Luftröhre).

3. Zur Behandlung des Kreislaufstillstandes: Mittel zum Abfüllen/Ersatz der Blutmenge (Plasmaexpander, Macrodex, Dextran, Eufusol u.a.m.) Natriumcarbonat (zur Herstellung eines richtigen Verhälnisses von Säure und Basen im Blut), Hohlvenenkatheter, Spritzen, Kanülen, Notfallmedikamente. Eventuell Sichtgerät für die Herzstromkurve (EKG-Monitor), Gerät zur apperativen Behandlung bei Herzrythmusstörungen (Defibrillator).

4. Notfallmedikamente: Akrinor, Alupent, Attropin, Baralgin, Kalzium 10 %, Catapresan, Celestan, Dolantin, Euphyllin, Glukose, Altinsulin, Isoptin, Lasix, Natriumbicarbonat, Novalgin, Novodigal, Strophantin, Suprarenin, Tavegil, Valium, Psyquil, Haloperidol, Xylocain 2%, Lidocain 100 mg, Paspertin, Konakion, Visken, Alupent-Dosier-Aerosol, Nitrolingual-Spray.

5. Notfall-Labor:

1. Messung der Säure-Basen-Haushaltes (Astrup)

2. Bestimmung von Natrium, Kalium, Calzium, Chlor im Blut und Urin

3. Bestimmung von Harnstoff, Kratinin, Glukose, Gesamt-Eiweiß

4. Bestimmung von CK, SGOT, SGPT, alpha-Amylase (sogenannte Transaminasen)

5. Bestimmung der Blutwerte: Hämoglobin, Hämotokrit, Zahl der Erytrozyten, Leukozyten, Thrombozyten

6. Messung der Blutgerinnung (PTT, Quick, Thrombinzeit)

7. Messung von Kohlenmonoxyd unf Methämoglobin

8. Liquoruntersuchungen (Zellzahl, Glukose, Eiweiß)

9. Nachweis von Azeton und Bilinogen im Urin und quantitativ von Glukose im Urin.

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