Gender: Ein Querschnittsthema. Warum?

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Laut den Zielvereinbarungen der FU ist Genderkompetenz ein Querschnittsthema und soll deswegen Teil aller Studiengänge sein. Was heißt das überhaupt und warum ist das so?

Begrifferklärungen

Gender

Wikipedia:Gender

Stichpunktartig:

  • Geschlecht als soziales Konstrukt, Geschlecht als Ergebnis der eigenen Genderperformance und deren Interpretation durch andere
  • Aufbrechen der Geschlechterdualität, Geschlecht als Spektrum --> Nicht nur männlich & weiblich, sondern auch alles dazwischen

Genderkompetenz

Wikipedia:Genderkompetenz

Querschnittsthema

Ein Querschnittsthema zieht sich durch viele bis alle Bereiche (des Studiums, des Berufs, des persönlichen Lebens,...) und kann daher nicht (ausschließlich) singulär behandelt werden. Auf das Studium bezogen würde das heißen, dass eine einzelne Veranstaltung dazu (z.B. im ABV/LBW-Bereich) möglicherweise gut geeignet sein um Grundlagen zu vermitteln oder spezielle Aspekte zu vertiefen, aufgrund der Verflechtung mit allen Bereichen einer Wissenschaft das Querschnittsthema auch in allen Teilen des Studiums (in allen Modulen) thematisiert und die Auswirkungen auf den aktuellen Teil benannt und bearbeitet werden sollen.

Gender: Ein Querschnittsthema. Warum?

Jeder Mensch ist vom Thema Geschlecht betroffen / muss sich mit Geschlecht auseinander setzen. Wie grundlegend das Thema Geschlecht unsere Lebenswirklichkeit bestimmt, lässt sich z.B. daran erahnen, wie irritiert Menschen reagieren wenn sie die Geschlechtsidentität des Gegenüber nicht eindeutig genug einem der beiden vermeintlichen Geschlechtern zuordnen können. Soziale Interaktion ist stark geschlechterdefiniert, d.h. mein eigenes Geschlecht im Verhältnis zum Geschlecht meines Gegenübers definiert was als OK bzw. als üblich gilt und was nicht. Hinzu kommt, dass Geschlechterstereotype vielfach als Grundlage für die Bewertung der vermeintlichen Fähigkeiten und Interessen des Gegenübers herangezogen werden. Dadurch ergeben sich für die gleichen sachlichen Interaktionen ('Bitte um inhaltliche Unterstützung','Vorstellung von Arbeitsergebnissen', 'Gehaltsverhandlung') unterschiedliche Interaktionsverläufe für unterschiedliche Geschlechter. (Ich würde mich freuen, wenn Interessierte im folgenden Abschnitt unter Interaktionsbeispieleeigene Beispiele konstruieren und diskutieren würden.)

Interaktionsbeispiele

bitte hier Beispiel zum obigen Sachverhalt diskutieren

"Aber Neutronen haben doch kein Geschlecht" -- Geschlechtsneutrale Wissenschaft

Gender kann uns also nur da egal sein, wo keine zwischenmenschliche Interaktion stattfindet, im Wissenschaftlichen Bereich als nirgends. Selbst wenn ein_e vermeintlich geschlechtsunabhägige_r Wissenschaftler_in allein im Keller ein vermeintlich Geschlechterunabhängiges Forschungsfeld wie Teilchenphysik ("Neutronen haben doch kein Geschlecht") bearbeitet, spielt Gender eine Rolle. Er oder Sie ist nämlich selbst dann nicht vom wissenschaftlichen Prozess unabhängig:

  • die Grundlagen der eigenen Forschung wurden in einem geschlechterbestimmten historischen Prozesse geschaffen ('Newton', 'Einstein' & 'Curie' hatten nämlich schon ein Geschlecht und waren dadurch beeinflusst)
  • die eigene Wissensaneignung geschah in einer sozialen Interaktion mit Anderen (DIE Dozentin, DER Kommilitone), selbst das Lesen eines Sachbuches ist nicht geschlechtsunabhängig möglich, da sich die Autoren von Bücher im selben Spannungsverhältnis befanden wie unser_e hypothetische Wissenschaftler_in
  • die gemachten Forschungsergebnisse werden (hoffentlich) irgendwann veröffentlicht und von anderen Menschen (mit Geschlechtern) bewertet, interpretiert und weiterverwendet

Für Ingenieurs- und Sozialwissenschaften kommt noch hinzu das mensch Werkzeuge entwirft und darüber mitbestimmt wie diese in Zukunft eingesetzt werden und so über Inklusion/Exklusion und Vorteilsgabe/Benachteiligung mitbestimmt ('Fußgänger_innenbrücke ohne Rollstuhlrampe', 'Online-Anmeldeformular mit den Optionen male/female', 'Familienministerium schlägt Betreuungsgeld vor', 'Fusionella/Urinella').

Die Geschichte von der geschlechtsneutralen Wissenschaft erweist sich also als Märchen. Wenn sich diese Erkenntnis durchsetzten würde, wäre das schon ein guter erster Schritt.

Sammlung Genderpolitischer Ziele für alle Studiengänge

Begreifen von Wissenschaft als geschlechterbeeinflussten Prozess

siehe vorrangegangenen Abschnitt


Sichtbarmachung nicht-männlicher Wissenschaft

Lise Meitner legte in jahrelanger Arbeit zusammen mit Otto Hahn die Grundlagen für die Atomspaltungsexperimente im "Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem (heute Hahn-Meitner-Bau der Freien Universität Berlin)" [1], und deutete für ihn aus dem schwedischen Exil die Ergebnisse. Er bekam dafür den Nobelpreis. Seit dem Dezember 1956 hieß das Gebäude übrigens 'Otto-Hahn-Bau', die Umbenennung in 'Meitner-Hahn-Bau' erfolgte im Oktober 2010 [2].

Frauen waren zu allen Zeiten am Wissenschaftlichen Prozess beteiligt, sie waren aber oft benachteiligt und ihre Leistungen wurden nicht ausreichend gewürdigt. Daher fehlen in vielen Wissenschaftsbereichen ohne Not Vorbilder für heutige angehende Wissenschaftlerinnen. Eine Sichtbarmachung sollte daher in alle Modulen angestrebt werden.

Gleiches gilt Geschlechteridentitäten außerhalb der heterosexuellen Mann/Frau-Bipolarität. Da bestimmte Geschlechterkategorien aber erst vor relativ kurzer Zeit ein Label bekamen (der Begriff Homosexualität taucht 1869 erstmals auf [3]) ist die Quellenlage hier nicht immer ganz eindeutig. Obwohl die Geschlechterkategorien selbstverständlich schon vorher existierten, ist sie für einzelne Wissenschaflter_innen schlichtweg nicht überliefert. Die Sichtbarmachung ist aber natürlich auch hier erstrebenswert (Alan Touring war schwul).

Weiterbildungen für Dozierende (auch Tutor_innen)

Voraussetzung für die Vermittlung von Genderkompetenzen in allen Modulen ist, dass die Dozierende selbst über Genderkompetenz und die didaktischen Fähigkeiten zu deren Vermittlung haben.

Für die Mathematik / Informatik hat die Gastprofessorin Anina Mischau schon gesagt, dass sie gern eine entsprechende Veranstaltung für Dozierende anbieten würde. Denkbar wäre auch, dass die jeweiligen Lehrstuhlinhaber_innen offene Arbeitsgruppen oder Kolloquien zur gendersensitiven Überarbeitung ihrer Veranstaltungen einführen, in denen alle Interessierte mitarbeiten können. So würden Kompetenzen die es am Fachbereich schon gibt besser genutzt und würde der Lehre zugute kommen.


Kritische Begleitung der Lehre durch die Studierenden

Oft kann es schon helfen, wenn im Seminar ein_e Studierende_r relevante Informationen ergänzt. Dann haben die Kommiliton_innen die Informationen zumindest gehört und vielleicht übernimmt der_die Dozierende es ja für die folgende Veranstaltung. Die meisten Dozierenden (auch Tutor_innen) freuen sich über konstruktives Feedback zu ihren Veranstaltung, ein Gespräch nach der Veranstaltung oder in der Sprechstunde ist also oft auch sinnführend. Dozierende mögen einen Wissensvorsprung in ihrem Fachgebiet haben, aber niemensch hat einen Wissensvorsprung in allen Bereichen.

Stereotypen und sexistischen Aussagen (egal ob von Kommiliton_innen oder Dozierenden) sollte direkt widersprochen werden. Meistens werdet ihr nicht die einzigen sein, die sich daran stören, solange aber niemensch etwas sagt entsteht der Eindruck es wird durch alle akzeptiert. Ebenso solltet zeigen, dass ihr mit geäußerter Kritik übereinstimmt oder diese ergänzen, wenn euch jemensch zuvor gekommen ist. Nur so lassen sich langfristig Einstellungen ändern.

Solltet ihr euch (egal aus welchen Gründen) nicht in der Lage fühlen, Kritik direkt zu äußern wendet euch an die FSIn, die Frauenbeauftragte des Fachbereichs Frau Seyferth oder eure Kommiliton_innen. Tragt es nicht mit euch rum, sondern teilt euch mit. Zusammen erreicht mensch mehr.

to be continued

Bitte ergänzen, wenn euch etwas einfällt.


Quellen

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Hahn#Forschung_in_Berlin

[2] http://userpage.chemie.fu-berlin.de/biochemie/HMB-Chronik.html

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t