Zum Verhältnis "politische Gefangene"- "soziale Gefangene"

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3.9. Zum Verhältnis „politische" Gefangene — „soziale" Gefangene

Innerhalb der Protest- und Widerstandsbewegungen der sechziger und siebziger Jahre gehörte der Knast zu den Institutionen, gegen die sich die Kampagnen richteten. Denn er stellte sich bald als Bedrohung für diejenigen dar, die sich in radikalisierter Form an dieser Bewegung beteiligten. Der Begriff der „politischen Gefangenen", der sich auf eine alte internationale Tradition stützt, kam auf, als es im Zuge der großen „Terroristen-Jagden" zu zahlreichen Verhaftungen, zu jahrelanger U-Haft unter härtesten Haftbedingungen und schließlich nach vom Staat und den Medien geführten politischen Schauprozessen zu politisch begründeten hohen Haftstrafen kam. Gefangene, die wegen „gewöhnlicher" Rechtsverstöße in dieser Zeit inhaftiert waren, berichten, daß Ansehen und Einfluß der Gefangenen, die den Stadtguerilla-Gruppen „Rote Armee Fraktion", „Bewegung2. Juni" u.a. zugerechnet wurden, auf Grund ihres Kampfes gegen die Haftbedingungen im Knast, nicht gering war. Die ersten großen Hungerstreiks, die vor allem von den Gefangenen aus der RAF geführt wurden, bezogen sich auch auf die Bedingungen, unter denen alle Gefangenen zu leiden haben. Die Forderungen beinhalteten die Gleichsteilung der politischen mit den übrigen Gefangenen und darüber hinaus Mindestgarantien für den Regelvollzug, also für alle Inhaftierten. Die Situation hat sich inzwischen geändert: Die Strategie des Staatsschutzes und seiner Presse hat den Hungerstreik zur stumpfen Waffe werden.lassen — nachdem am 9.11. 1974 Holger Meins an den Folgen seines Hungerstreiks gegen Isolationshaft und Sonderbehandlung starb. Die in den späteren Hungerstreiks von Gefangenen aus der RAF formulierten Forderungen nach Anerkennung als Kriegsgefangene bzw. Gewährung der Mindestgarantien der Genfer Konvention ist bei vielen „normalen" Gefangenen auf Befremden gestoßen — vor allem auch bei denjenigen, die selbst seit Jahren im Knast Widerstand leisten — auch wenn sie wegen „unpolitischer" Delikte inhaftiert worden waren. Seitdem wird auch infrage gestellt, daß diejenigen, die auf Grund ihres politischen Kampfes inhaftiere wurden, die Bezeichnung „politischer Gefangene" für sich allein in Anspruch nehmen können. Dennoch, es bleibt der Sonderstatus dieser Gefangenen: Ihre Vorgeschichte — bereits draußen „genießt" du als politisch Aktiver, als Linksradikaler eine Art Sonderstatus. Ihre Haftbedingungen — die allerdings auch jeden anderen Gefangenen treffen, der konsequent „Sicherheit und Ordnung der Anstalt" gefährdet. Ihre sozialen und politischen Zusammenhänge draußen — die Kontakte zu der eigenen politischen Gruppe, zu Unterstützungskomitees, zu Genossen von früher. Und schließlich auch ihr Ansehen unter den Mitgefangenen — sei es von Distanz und Fremdheit oder von Sympathie und Bewunderung bestimmt. Im folgenden einige Erfahrungen aus der Sicht eines „politischen Gefangenen":

„Politische Gefangene" — „normale Knackis"

Diese Unterscheidung ist grundsätzlich problematisch. Sehr viel praktischer, unabhängig von „ideologischen" Überlegungen, wird uns die Einteilung in Polit-/Normalknacki jedoch von der anderen Seite aufgezwungen; insofern als jeder, der als Politischer, Widerstandskämpfer, „Terrorist" einfährt, automatisch in den Genuß von Sonderbehandlung gerät. Um einen besonderen Status kommt der/die Politische nicht herum, was in der Regel heißt: Erstmal eine ganze Weile Isolation („verschärfte Einzelhaft") Knast im Knast. Erst nach geraumer Zeit kommst du mit „normalen" Knackis in Kontakt. Wenn überhaupt. Die Sonderbehandlung sieht je nach Knast verschieden aus. Obligatorisch dürfte sein: zusätzliches Vorhängeschloß an der Zellentür; du machst alles allein, Hofgang, Duschen, Einkauf, Arzt; alle Gemeinschaftsveranstal­tungen fallen flach; die Nachbarzellen sind nicht belegt; Fliegendraht vorm Fenster . . . Du bist dann schon bekannt wie ein bunter Hund. Die Knackis sehen dich ja zum Beispiel — zunächst einige — vom Fenster aus beim Hofgang. Sowas ist Knastgespräch, wer da verschärfte Einzelhaft hat. Und warum. Während der Iso kriegst du auch mehr oder weniger offene Solidaritätsbeweise der übrigen Gefangenen mit. Was nur selten als politische Sympathiekundgebung gemeint ist; das ist eher zu verstehen als „menschliche" Geste einem gegenüber, der unmenschlich behandelt wird. Denn daß Isolation mörderisch ist, wissen die Knackis sehr genau. Wie die Solidaritätsbekundungen im einzelnen aussehen, ist je nach Knast und Örtlichkeit verschieden; mindestens bekommst du bisweilen aufmunternde Sprüche zugerufen oder es zeigt dir jemand eine Faust.eine Zeitung, Kartenspiel oder so versucht reinzuschmuggeln. Es ist oft überraschend, welche Phantasie die Knackis dabei entwickeln. Beim ersten direkten Kontakt zu deinen Mitgefangenen — wie gesagt, meist nach einer Phase der Isolation — passiert folgendes: Du wirst von einer Woge ungeheurer Neugier („n richtiger Terrorist") vermischt mit einer guten Portion Sympathie überschwemmt. Die aber recht bald abebbt. Und dann einem allgemeinen Unverständnis bis Empörung weicht, was die Unsinnigkeit der schikanösen Sonderbehandlung angeht. Nur die Gefahr für dich: Du gerätst in eine Art Euphorie. Und siehst nicht, zunächst jedenfalls, daß die soziale Organisation des Knasts im wesentlichen auf Mißtrauen aufgebaut ist. Hast Illusionen, daß alles unheimlich dufte „Genossen" sind. Von dieser Euphorie wissen die Bullen natürlich auch und nutzen sie möglicherweise aus. Regelrechte Feindseligkeit aus einer allgemeinen Ablehnung gegen „Terroristen" gibt's sehr selten. Auch wenn in den Massenmedien solch ein Unsinn penetrant behauptet wird. Vor allem, wenn du mit den Leuten direkt Kontakt hast, verflüchtigen sich Vorurteile dieser Art sehr bald. Womit du auf jeden Fall rechnen mußt: daß die Gefangenen, mit denen du dich unterhältst, von den Schließern oder gar den Bullen ausgequetscht werden, was du fürn Typ bist, was du so erzählst etc. Ferner wird — auch wenn's nicht auffällt! — sehr genau registriert, mit wem du Kontakt hast.

Dieselben Spaltungsstrategien wie draußen

Nach der ersten Euphorie kommt bald die Ernüchterung: Daß der Knast ein verkleinertes Abbild der Gesellschaft ist, ist so richtig wie banal; Daß das aber konkret auch bedeutet, daß im Knast dieselben Spaltungsstrategien angewandt werden wie draußen — mit Erfolg! —, daß Gefangenen ihre eigene Kolonisation im Schädel mitproduzieren ~ das ist schon eine der greulichsten Erfahrungen im Knast. Andererseits ist manchmal erstaunlich, was die Knackis so von dir wegstecken. Nicht daß du dauernd am „Agitieren" wärst — Unsinn. Dazu hast du eh keine Gelegenheit. Aber einfach aus deinem Verhalten ticken die eine ganze Menge. Auch was das auf sich hat mit dem, was sie im Femsehen von den „Terroristen" mitkriegen. Wenn die „normalen Knackis" zu offensichtlich mit dir zusammenmachen, werden sie häufig zwangsverlegt. In andere Abteilungen. Regelrecht panisch reagieren die Schließer, wenn einer während der Iso mit dir Kontakt aufzunehmen versucht; was sich sowieso auf Zurufe beschränkt. Das gibt dann für die Knackis nicht selten ein „Hausstrafverfahren", d.h. Verbot von Gemeinschaftsveranstaltungen, Einkaufssperre oder ähnliches.

Das heißt jedoch nicht, daß allein die Anstalt dafür verantwortlich ist, wenn eine Distanz und Fremdheit gegenüber den Politischen besteht. Die politischen Gefangenen werden von den übrigen Gefangenen immer noch nicht als etwas angesehen, was zum Gefängnis gehört wie sie selbst. Sie sind eine Aus­nahme. Dabei ist es nicht so sehr wichtig, was die politischen Gefangenen für politische Positionen haben, sondern wie sie sich überhaupt verhaken. Sie werden als etwas Exklusives angesehen und beobachtet. Und erst später spielt eine Rolle, was sie meinen. Zuerst spielt nur eine Rolle, wie sie, sich verhalten. Die Politischen werden von den Mitgefangenen auch nicht etwa nur als besonders stark Benachteiligte erlebt. Sie werden oft gleichzeitig als privilegiert angesehen und in gewisser Weise sind sie es auch; Wahrend die übrigen Gefangenen allenfalls in den widerlichen Seiten der Gerichts­berichterstattung als bloße Objekte der Justiz, als ihr Demonstrationsmaterial, er­scheinen, haben die Politischen draußen eine gewisse Öffentlichkeit, einen Umkreis von Leuten, auf die sie sich beziehen können, die sich jedenfalls mit ihnen identifi­zieren, sie unterstützen. Das haben die „normalen" Gefangenen nicht. Es sind höchstens einzelne, die sich um sie kümmern — Angehörige, Freunde — meistens nicht einmal das. Die Politischen haben einen Anwalt — und zwar einen der sich um sie kümmert, was sonst selten ist. Sie werden mit Zeitungen und Geld für den Einkauf versorgt und bekommen Briefe. Alles das also,, was ein normaler Gefangener entweder nur in einem sehr geringen Maße oder überhaupt nicht hat. Die „Privilegierung" wird also nur durch den eigenen sozialen und politischen Zusammenhang draußen geschaffen und nicht durch die Institution — die alles tut, um das abzuschneiden. Die Haftbedingungen haben sich für alle Gefangenen in den letzten Jahren tatsäch­lich verschlechtert, und manche Gefangenen werden dafür die Politischen irgendwie verantwortlich machen. Auch die ganzen Fahndungen, bei denen keine „Terroristen" geschnappt, dafür aber hunderte von Autodieben aufgebracht worden sind, spielen da natürlich eine Rolle. Aber inzwischen ist auch durchschaubar geworden, daß die allgemeinen Verschärfungen nicht nur auf die Politischen abzielen, nicht nur ihnen „zu verdanken" sind, sondern überhaupt garantieren sollen, daß die Knaste auch morgen noch regierbar bleiben. Zur Zeit muß auch noch eine andere Gruppe von Gefangenen als Vorwand für die immer weitergetriebenen Haftverschärfungen herhalten: Es sind die wegen Drogengeschichten Einsitzenden. Vielleicht werden es morgen die Ausländer sein.


3.9. Zum Verhältnis „politische" Gefangene — „soziale" Gefangene

Innerhalb der Protest- und Widerstandsbewegungen der sechziger und siebziger Jahre gehörte der Knast zu den Institutionen, gegen die sich die Kampagnen richteten. Denn er stellte sich bald als Bedrohung für diejenigen dar, die sich in radikalisierter Form an dieser Bewegung beteiligten. Der Begriff der „politischen Gefangenen", der sich auf eine alte internationale Tradition stützt, kam auf, als es im Zuge der großen „Terroristen-Jagden" zu zahlreichen Verhaftungen, zu jahrelanger U-Haft unter härtesten Haftbedingungen und schließlich nach vom Staat und den Medien geführten politischen Schauprozessen zu politisch begründeten hohen Haftstrafen kam. Gefangene, die wegen „gewöhnlicher" Rechtsverstöße in dieser Zeit inhaftiert waren, berichten, daß Ansehen und Einfluß der Gefangenen, die den Stadtguerilla-Gruppen „Rote Armee Fraktion", „Bewegung2. Juni" u.a. zugerechnet wurden, auf Grund ihres Kampfes gegen die Haftbedingungen im Knast, nicht gering war. Die ersten großen Hungerstreiks, die vor allem von den Gefangenen aus der RAF geführt wurden, bezogen sich auch auf die Bedingungen, unter denen alle Gefangenen zu leiden haben. Die Forderungen beinhalteten die Gleichsteilung der politischen mit den übrigen Gefangenen und darüber hinaus Mindestgarantien für den Regelvollzug, also für alle Inhaftierten. Die Situation hat sich inzwischen geändert: Die Strategie des Staatsschutzes und seiner Presse hat den Hungerstreik zur stumpfen Waffe werden.lassen — nachdem am 9.11. 1974 Holger Meins an den Folgen seines Hungerstreiks gegen Isolationshaft und Sonderbehandlung starb. Die in den späteren Hungerstreiks von Gefangenen aus der RAF formulierten Forderungen nach Anerkennung als Kriegsgefangene bzw. Gewährung der Mindestgarantien der Genfer Konvention ist bei vielen „normalen" Gefangenen auf Befremden gestoßen — vor allem auch bei denjenigen, die selbst seit Jahren im Knast Widerstand leisten — auch wenn sie wegen „unpolitischer" Delikte inhaftiert worden waren. Seitdem wird auch infrage gestellt, daß diejenigen, die auf Grund ihres politischen Kampfes inhaftiere wurden, die Bezeichnung „politischer Gefangene" für sich allein in Anspruch nehmen können. Dennoch, es bleibt der Sonderstatus dieser Gefangenen: Ihre Vorgeschichte — bereits draußen „genießt" du als politisch Aktiver, als Linksradikaler eine Art Sonderstatus. Ihre Haftbedingungen — die allerdings auch jeden anderen Gefangenen treffen, der konsequent „Sicherheit und Ordnung der Anstalt" gefährdet. Ihre sozialen und politischen Zusammenhänge draußen — die Kontakte zu der eigenen politischen Gruppe, zu Unterstützungskomitees, zu Genossen von früher. Und schließlich auch ihr Ansehen unter den Mitgefangenen — sei es von Distanz und Fremdheit oder von Sympathie und Bewunderung bestimmt. Im folgenden einige Erfahrungen aus der Sicht eines „politischen Gefangenen":

„Politische Gefangene" — „normale Knackis"

Diese Unterscheidung ist grundsätzlich problematisch. Sehr viel praktischer, unabhängig von „ideologischen" Überlegungen, wird uns die Einteilung in Polit-/Normalknacki jedoch von der anderen Seite aufgezwungen; insofern als jeder, der als Politischer, Widerstandskämpfer, „Terrorist" einfährt, automatisch in den Genuß von Sonderbehandlung gerät. Um einen besonderen Status kommt der/die Politische nicht herum, was in der Regel heißt: Erstmal eine ganze Weile Isolation („verschärfte Einzelhaft") Knast im Knast. Erst nach geraumer Zeit kommst du mit „normalen" Knackis in Kontakt. Wenn überhaupt. Die Sonderbehandlung sieht je nach Knast verschieden aus. Obligatorisch dürfte sein: zusätzliches Vorhängeschloß an der Zellentür; du machst alles allein, Hofgang, Duschen, Einkauf, Arzt; alle Gemeinschaftsveranstal­tungen fallen flach; die Nachbarzellen sind nicht belegt; Fliegendraht vorm Fenster . . . Du bist dann schon bekannt wie ein bunter Hund. Die Knackis sehen dich ja zum Beispiel — zunächst einige — vom Fenster aus beim Hofgang. Sowas ist Knastgespräch, wer da verschärfte Einzelhaft hat. Und warum. Während der Iso kriegst du auch mehr oder weniger offene Solidaritätsbeweise der übrigen Gefangenen mit. Was nur selten als politische Sympathiekundgebung gemeint ist; das ist eher zu verstehen als „menschliche" Geste einem gegenüber, der unmenschlich behandelt wird. Denn daß Isolation mörderisch ist, wissen die Knackis sehr genau. Wie die Solidaritätsbekundungen im einzelnen aussehen, ist je nach Knast und Örtlichkeit verschieden; mindestens bekommst du bisweilen aufmunternde Sprüche zugerufen oder es zeigt dir jemand eine Faust.eine Zeitung, Kartenspiel oder so versucht reinzuschmuggeln. Es ist oft überraschend, welche Phantasie die Knackis dabei entwickeln. Beim ersten direkten Kontakt zu deinen Mitgefangenen — wie gesagt, meist nach einer Phase der Isolation — passiert folgendes: Du wirst von einer Woge ungeheurer Neugier („n richtiger Terrorist") vermischt mit einer guten Portion Sympathie überschwemmt. Die aber recht bald abebbt. Und dann einem allgemeinen Unverständnis bis Empörung weicht, was die Unsinnigkeit der schikanösen Sonderbehandlung angeht. Nur die Gefahr für dich: Du gerätst in eine Art Euphorie. Und siehst nicht, zunächst jedenfalls, daß die soziale Organisation des Knasts im wesentlichen auf Mißtrauen aufgebaut ist. Hast Illusionen, daß alles unheimlich dufte „Genossen" sind. Von dieser Euphorie wissen die Bullen natürlich auch und nutzen sie möglicherweise aus. Regelrechte Feindseligkeit aus einer allgemeinen Ablehnung gegen „Terroristen" gibt's sehr selten. Auch wenn in den Massenmedien solch ein Unsinn penetrant behauptet wird. Vor allem, wenn du mit den Leuten direkt Kontakt hast, verflüchtigen sich Vorurteile dieser Art sehr bald. Womit du auf jeden Fall rechnen mußt: daß die Gefangenen, mit denen du dich unterhältst, von den Schließern oder gar den Bullen ausgequetscht werden, was du fürn Typ bist, was du so erzählst etc. Ferner wird — auch wenn's nicht auffällt! — sehr genau registriert, mit wem du Kontakt hast.

Dieselben Spaltungsstrategien wie draußen

Nach der ersten Euphorie kommt bald die Ernüchterung: Daß der Knast ein verkleinertes Abbild der Gesellschaft ist, ist so richtig wie banal; Daß das aber konkret auch bedeutet, daß im Knast dieselben Spaltungsstrategien angewandt werden wie draußen — mit Erfolg! —, daß Gefangenen ihre eigene Kolonisation im Schädel mitproduzieren ~ das ist schon eine der greulichsten Erfahrungen im Knast. Andererseits ist manchmal erstaunlich, was die Knackis so von dir wegstecken. Nicht daß du dauernd am „Agitieren" wärst — Unsinn. Dazu hast du eh keine Gelegenheit. Aber einfach aus deinem Verhalten ticken die eine ganze Menge. Auch was das auf sich hat mit dem, was sie im Femsehen von den „Terroristen" mitkriegen. Wenn die „normalen Knackis" zu offensichtlich mit dir zusammenmachen, werden sie häufig zwangsverlegt. In andere Abteilungen. Regelrecht panisch reagieren die Schließer, wenn einer während der Iso mit dir Kontakt aufzunehmen versucht; was sich sowieso auf Zurufe beschränkt. Das gibt dann für die Knackis nicht selten ein „Hausstrafverfahren", d.h. Verbot von Gemeinschaftsveranstaltungen, Einkaufssperre oder ähnliches.

Das heißt jedoch nicht, daß allein die Anstalt dafür verantwortlich ist, wenn eine Distanz und Fremdheit gegenüber den Politischen besteht. Die politischen Gefangenen werden von den übrigen Gefangenen immer noch nicht als etwas angesehen, was zum Gefängnis gehört wie sie selbst. Sie sind eine Aus­nahme. Dabei ist es nicht so sehr wichtig, was die politischen Gefangenen für politische Positionen haben, sondern wie sie sich überhaupt verhaken. Sie werden als etwas Exklusives angesehen und beobachtet. Und erst später spielt eine Rolle, was sie meinen. Zuerst spielt nur eine Rolle, wie sie, sich verhalten. Die Politischen werden von den Mitgefangenen auch nicht etwa nur als besonders stark Benachteiligte erlebt. Sie werden oft gleichzeitig als privilegiert angesehen und in gewisser Weise sind sie es auch; Wahrend die übrigen Gefangenen allenfalls in den widerlichen Seiten der Gerichts­berichterstattung als bloße Objekte der Justiz, als ihr Demonstrationsmaterial, er­scheinen, haben die Politischen draußen eine gewisse Öffentlichkeit, einen Umkreis von Leuten, auf die sie sich beziehen können, die sich jedenfalls mit ihnen identifi­zieren, sie unterstützen. Das haben die „normalen" Gefangenen nicht. Es sind höchstens einzelne, die sich um sie kümmern — Angehörige, Freunde — meistens nicht einmal das. Die Politischen haben einen Anwalt — und zwar einen der sich um sie kümmert, was sonst selten ist. Sie werden mit Zeitungen und Geld für den Einkauf versorgt und bekommen Briefe. Alles das also,, was ein normaler Gefangener entweder nur in einem sehr geringen Maße oder überhaupt nicht hat. Die „Privilegierung" wird also nur durch den eigenen sozialen und politischen Zusammenhang draußen geschaffen und nicht durch die Institution — die alles tut, um das abzuschneiden. Die Haftbedingungen haben sich für alle Gefangenen in den letzten Jahren tatsäch­lich verschlechtert, und manche Gefangenen werden dafür die Politischen irgendwie verantwortlich machen. Auch die ganzen Fahndungen, bei denen keine „Terroristen" geschnappt, dafür aber hunderte von Autodieben aufgebracht worden sind, spielen da natürlich eine Rolle. Aber inzwischen ist auch durchschaubar geworden, daß die allgemeinen Verschärfungen nicht nur auf die Politischen abzielen, nicht nur ihnen „zu verdanken" sind, sondern überhaupt garantieren sollen, daß die Knaste auch morgen noch regierbar bleiben. Zur Zeit muß auch noch eine andere Gruppe von Gefangenen als Vorwand für die immer weitergetriebenen Haftverschärfungen herhalten: Es sind die wegen Drogengeschichten Einsitzenden. Vielleicht werden es morgen die Ausländer sein.


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