Wie mensch an eine n Ärztin/Arzt von draussen rankommt

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18.3. Wie man an einen Arzt von draußen rankommt

Für Gefangene, die sich medizinisch nicht richtig behandelt fühlen und folglich das Vertrauen zu den Gefängnisärzten_innen verloren haben stellt sich die Frage: Wie komme ich an eine_n externe_n Arzt_Ärztin heran?

Durchsetzung einer medizinischen Betreuung

Nach allgemeinen „rechtsstaatlichen" Grundsätzen hat der_die Gefangene Anspruch auf ausreichende medizinische Versorgung, die den „Regeln der ärztlichen Kunst" entspricht. Um das auch wirklich nur annähernd zu erreichen, muss man sehr beharrlich bohren und nicht nachlassen zu beantragen und zu mahnen. Wenn überhaupt, so wird der_die Arzt_Ärztin von draußen meist nur zur Untersuchung und Beratung hinzugezogen, nicht aber zur Alleinbehandlung. Dies ist aber immer noch besser, als sich allein auf den_die Gefängnisarzt_ärztin verlassen zu müssen. Denn der_die zweite Arzt_Ärztin übt dann praktisch eine Kontrolle aus, die nicht ohne Folgen bleibt. Trotzdem wird man vorsorglich beantragen, von dem_der externen Arzt_Ärztin auch voll behandelt zu werden. Der_Die Richter_in, oder der_die Anstaltsleiter_in, der die Entscheidung über die Zulassung eines_r externen Arztes_Ärztin hinauszögert, muss täglich darauf aufmerksam gemacht werden, dass seine_ihre Entscheidung die Gesundheit eines Menschen betrifft und, dass er_sie kein Recht hat, einem Menschen auch nur für kurze Zeit die gebotene ärztliche Hilfe zu entziehen. Wenn die zuständige Instanz, d.h. der_die zuständige Richter_in in U-Haft und der_die Anstaltsleiter_in in Strafhaft, die Hinzuziehung eines_r externen Arztes_Ärztin erstmal genehmigt hat, gibt es keinerlei legitime Handhabe mehr, die Arbeit des_r externen Arztes_Ärztin zu behindern. Trotzdem muss manchmal jede Kleinigkeit mit einem Antrag oder einer Beschwerde durchgesetzt werden. In diesem Zusammenhang sollte man auch ruhig ankündigen, wegen der katastrophalen medizinischen Versorgung im Knast an die Presse zu schreiben. Bevor man eine_n externe_n Arzt_Ärztin beantragt, muss man auf jeden Fall mal zu dem_der Anstaltsarzt_ärztin gehen, um sich von dem_der untersuchen zu lassen. Ansonsten kann man schlecht sagen, die medizinische Versorgung in der Anstalt sei unzureichend. Außerdem wird sonst der Antrag sicherlich nicht genehmigt, und du wirst zuerst zu dem_der Knastarzt_ärztin geschickt, was dann die Sache nur noch verzögert. Der_Die Anstaltsarzt_ärztin muss bei dem Antrag auf eine_n externe_n Arzt_Ärztin gefragt werden und wird keine Stellungnahme abgeben, wenn er_sie dich noch nicht gesehen hat. Wir wollen nun kurz beschreiben, wie man am besten vorgeht, um eine_n externe_n Arzt_Ärztin zu bekommen:

Kontaktaufnahme mit dem_r Arzt_Ärztin

Bevor man sich mit dem_r Richter_in oder der Anstalt über eine_n externe_n Arzt_Ärztin auseinandersetzt, muss man sich erstmal um eine_n kümmern, der_die einen auch behandeln will. Am besten, man fragt seine_n alte_n Hausarzt_ärztin - wenn der_die nicht gerade seine_ihre Praxis in München hat und du in Hamburg im Knast sitzt. Oder man fragt Freunde, Verwandte, Rechtsanwälte_innen, Sozialarbeiter_innen, Gefängnispfarrer_innen nach einem_r Arzt_Ärztin - gegebenenfalls Facharzt_ärztin -, der_die auch Gefangene behandelt, was leider längst nicht alle machen. In manchen Städten gibt es auch schon Arzte_Ärztinnengruppen (die Adressen findest du im Anhang), die Gefangene kostenlos medizinisch untersuchen und beraten. Vielleicht macht das ja mal Schule bei anderen Ärzten_innen! Wenn du nun eine Adresse herausbekommen hast, schreibst du am besten gleich dem_der Arzt_Ärztin, dass du Gefangener in dem und dem Knast bist und gern von ihm_ihr behandelt werden möchtest. In dem Schreiben informierst du den_die Arzt_Ärztin so genau wie möglich über:

- deine genauen Beschwerden

- welche Untersuchungen bisher durchgeführt wurden

- welche Behandlung (Medikamente usw.) bisher durchgeführt wurde

- inwieweit die Behandlung bisher geholfen bzw. dir nicht geholfen hat.

Der Antrag auf Hinzuziehung eines_r externen Arztes_Ärztin

Wenn der_die angeschriebene Arzt_Ärztin sich bereiterklärt, dich zu behandeln, dann musst du oder dein_e Anwalt_Anwältin bei der zuständigen Stelle die „Hinzuziehung" des_r externen Arztes_Ärztin beantragen. D. h. du beantragst eine_n Arzt_Ärztin, der in erster Linie den_die Knastarzt_ärztin in deiner Behandlung unterstützen und damit auch kontrollieren soll. Anders ist es erstmal juristisch schwer durchsetzbar. In der Strafhaft muss der Antrag an die Anstaltsleitung, in der U-Haft an den_die zuständige_n Richter_in gestellt werden. In diesem Antrag solltest du deine Beschwerden genau - ruhig ein bisschen drastisch - schildern, aber nicht zu dick auftragen, denn sonst glaubt dir keiner. Schreib dazu am besten dasselbe wie an den_die externe_n Arzt_Ärztin (s. o.). Dann musst du ausführen, dass du eine_n Spezialisten_in zur Behandlung deiner Krankheit benötigst und (oder) dass du kein Vertrauen mehr in den_die Anstaltsarzt_ärztin hast, weil... ungenügende Behandlung usw. oder weil er_sie deine Beschwerden nicht ernst nimmt. Am besten, man beantragt gleich die Ausführung zu dem_der Arzt_Ärztin, denn das kommt dir und ihm_ihr zugute. Für dich ist es immer besser, in der Praxis eines_r externen Arztes_Ärztin untersucht zu werden, denn die ist sicherlich besser ausgestattet als das Knastarzt­zimmer. Bei der Ausführung siehst du außerdem wieder was von der „Welt". Die Anstalt und insbesondere auch der_die Anstaltsarzt_ärztin muss zu deinem Antrag eine Stellungnahme schreiben, in der mit Sicherheit Bedenken gegen eine Ausführung aufgeführt werden (Fluchtgefahr, Personalknappheit etc.). Versuch es aber trotzdem, denn die Behandlung im Knast kann ja dann immer noch genehmigt werden. Wichtig bei deinem Antrag ist, dass du es so ausführlich wie möglich darstellst, dass deine Krankheit eine Spezialistenbehandlung notwendig macht und deshalb die Behandlung durch den_die Anstaltsarzt_ärztin nicht ausreicht! Da der_die Anstaltsarzt_ärztin und der_die Anstaltsleiter_in dich in ihrer Stellungnahme vielleicht (die Erfahrung sagt: meistens) als Simulanten_in (d. h. Vortäuscher_in von Krankheiten) bezeichnen, lege deinem Antrag an den Haftrichter am besten ein Schreiben eines_r oder mehrerer Mitgefangener bei, die darin deine Angaben über deinen Gesundheitszustand bestätigen. Das hilft zwar im Moment noch nicht viel, erschwert allerdings der Anstalt, dich so einfach als Simulanten_in und Lügner_in hinzustellen. Mache von deinem Antrag einige Durchschlage und schicke ein Exemplar an Freunde und Verwandte draußen, damit die auch wissen, was du unternommen hast und dann eventuell mit Unterstützung des_der Arztes_Ärztin draußen etwas Druck ausüben können, zum Beispiel durch Telefonate oder Briefe an den_die U-Haftrichter_in oder an den_die Anstaltsleiter_in und an den_die Anstaltsarzt_ärztin. Manche Gefängnisärzte_innen haben draußen auch noch eine eigene Arztpraxis. Möglicherweise hilft es, wenn Angehörige oder Freunde dort einmal vorsprechen. Falls du keine_n Anwalt_Anwältin hast, der_die den Antrag für dich stellt, können die folgenden Musterentwürfe eine Orientierungs- und Argumentationshilfe sein:

U-Haft::

Name: Datum: [rechtsbündig]

z.Zt.JVA ...


An den

zuständigen Haftrichter


In der Strafsache

gegen...

Aktenzeichen: ...


[mittig] wird beantragt, mir zu gestatten, mich durch den_die externe_n Arzt_Ärztin Dr.... (Adresse, Telefon­nummer)untersuchen und gegebenenfalls behandeln zu lassen. Die Untersuchung und Behandlung soll in der Praxis des Dr.... durchgeführt werden.


Begründung:

I.

[mittig] Ich befinde mich seit dem... in der Untersuchungshaft in der JVA... .

(Jetzt genau die Entwicklung der Krankheit schildern und die mangelhafte Behandlung durch den_die Arzt_Ärztin. Am besten dazu den Brief an den_die externe_n Arzt_Ärztin als Vorlage nehmen)

Aus den dargelegten Gründen erscheint mir eine ausreichende Behandlung meiner Krankheit durch die medizinische Einrichtung in der JVA... nicht gegeben. Außerdem halte ich eine Hinzuziehung der_der Dr..... als Spzialisten_in für solche Krankheiten für unbedingt notwendig.

II.

Nach Nr. 56 U-Haftvollzugsordnung soll die ärztliche Betreuung zwar dem_der Anstaltsarzt_ärztin obliegen, es ist jedoch dem_der Beschuldigten gestattet, eine_n externe_n Arzt_Ärztin freier Wahl als Berater_in hinzuzuziehen, sowie sich von seinem_r eigenen Zahnarzt_ärztin behandeln zu lassen. Diese Möglichkeit der U-Haftvollzugsordnung ist zu eng, denn auch der Behandlung durch den_die externe_n Arzt_Ärztin kann nichts entgegenstehen, zumal die UVollzO selbst die Behandlung durch den_die eigene_n Zahnarzt_ärztin gestattet (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdn.l52). Die Behandlung durch den_die Arzt_Ärztin des Vertrauens ist daher stets zugelassen; dem_der Arzt_Ärztin ist das gleiche Vertrauen wie dem_der Verteidiger_in entgegenzubringen (Dünnebier in Löwe-1 Rosenberg a. a. O.).

Die staatliche Fürsorgepflicht, der der_die U-Gefangene unterliegt, beinhaltet eine ausreichende ärztliche Versorgung (Dünnebier in L-R a. a. O.). Diese ausreichende ärztliche Versorgung ist an dem verfassungsrechtlichen Gebot des Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz, des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, zu messen. Meine körperliche Unversehrtheit ist allein durch die Behandlung meiner Krankheiten durch den_die Anstaltsarzt_ärztin nicht mehr gewährleistet. Daher muss die Hilfe eines_r externen Spezialisten_in in Anspruch genommen werden. Die staatliche Fürsorgepflicht verpflichtet außerdem alle mit dem Vollzug befassten Behörden (also auch Sie als Haftrichter_in), dem_der Verhafteten das Erforderliche zur Verfügung zu stellen, was er_sie sich wegen der Anstaltsgebundenheit im allgemeinen nicht selbst verschaffen kann (Dünnebier in Löwe-Rosenberg 119 Rdn.44). Darunter fällt auch eine ärztliche Betreuung, die den Grundwerten des Art.2 Abs.2 Satz 1 Grundgesetz gerecht wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein in Freiheit befindlicher Mensch im Krankheitsfall für eine bestmögliche Behandlung seiner Beschwerden sorgt. Nach Art.6 Abs.2 Menschenrechtskonvention ist ein_e Untersuchungs­gefangene_r bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig anzusehen und dementsprechend zu behandeln. Danach dürfen nach § 119 Abs.3 StPO (Strafprozessordnung) und Nr.1 UVollzO einem_r U-Gefangenen auch nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Haft, oder die Ordnung der JVA erfordert. Es dürfte wohl kaum dem Zweck der U-Haft entsprechen, den_die Untersuchungsgefangene_n in seiner körperlichen Unversehrtheit durch unzureichende medizinische Versorgung in der Anstalt zu beeinträchtigen, zumal darin auch schon ein erheblicher Rechtsbruch (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu sehen ist. Die Ordnung der Anstalt kann auch nicht durch meine Konsultierung eines_r externen Arztes_Ärztin gestört werden. Außerdem hat sich die Realisierung von Grundrechten eines_r Gefangenen (hier Art.2 Abs.2 Satz1 GG) nicht nach den anstaltsinternen Möglichkeiten zu richten, sondern vielmehr andersherum (BVerfGE 15, 296). Es kann somit auch nicht eine eventuelle Personalknappheit in der Anstalt ein Hinderungsgrund meiner ärztlichen Betreuung durch Dr.... darstellen.

III.

Aus den dargelegten Gründen ist eine Hinzuziehung des Dr. .... als Spezialist_in in meinem Fall unbedingt notwendig. Ich bitte zur Vermeidung bleibender Gesundheitsschäden beschleunigt zu entscheiden.

Unterschrift [rechtsbündig]


Strafhaft:

Name: Datum:[rechtsbündig]

z. Zt. JVA ....


An den Leiter

der JVA....

Herrn...


[mittig] Ich beantrage:

zur Behandlung meiner Krankheit Herrn_Frau Dr....., Adresse, Telefonnr. als beratende_n und gegebenfalls behandelnde_n Spezialist_in hinzuzuziehen.

Die Untersuchung und Behandlung soll im Wege der Ausführung in der Praxis des_r Dr.... durchgeführt werden.


Begründung:

I.

Ich befinde mich seit dem ... in Strathaft in der JVA ...

(jetzt genau die Entwicklung der Krankheit schildern und die mangelhafte Behandlung durch den_die Arzt_Ärztin darstellen. Am besten dazu den Brief an den_die externe_n Arzt_Ärztin als Vorlage benutzen.)

II.

Aus den dargelegten Gründen ist eine ausreichende Behandlung meiner Krankheit durch den_die Anstaltsarzt_ärztin, Herrn_Frau Dr..... nicht mehr gegeben. Herr_Frau Dr.....(Anstaltsarzt_ärztin) ist durch die Komplexität meiner Krankheit sowohl zeitlich als auch fachlich überfordert.

Dazu kommt erschwerend hinzu, dass Herr_Frau Dr.... (Anstaltsarzt_ärztin) wegen seiner_ihrer oberflächlichen und wirkungslosen Behandlung meiner Krankheit nicht mehr mein Vertrauen besitzt, das ich als Patient_in einem_r Arzt_Ärztin zur Durchführung einer positiven Behandlung notwendigerweise entgegen­bringen können muss. Daher halte ich die Hinzuziehung des_r Herrn_Frau Dr.... als Arzt_Ärztin meines Vertrauens und als Spezialisten_in für solche Krankheiten für unbedingt notwendig.

Hilfsweise beantrage ich, die Untersuchung und Behandlung in der JVA durchzuführen.

Ich bitte zur Vermeidung bleibender Gesundheitsschäden diesen Antrag beschleunigt zu entscheiden.

Unterschrift [rechtsbündig]

Die ärztliche Schweigepflicht

Die Anstalt verlangt meistens, dass du vor einer Untersuchung durch eine_n Arzt_Ärztin von draußen diese_n sowie den_die Anstaltsarzt_ärztin von der Schweigepflicht untereinander entbindest. Das heißt, dass der_die Anstaltsarzt_ärztin das Ergebnis der Untersuchung erfahren soll. Andererseits kann nur so der_die Arzt_ärztin von draußen deine Krankenakte bekommen, deren Inhalt sicher auch für dich nicht uninteressant ist. Es ist unter Umständen sinnvoll, auch noch den_die Rechtsanwalt_anwältin in die Schweigepflicht-Entbindung miteinzubeziehen, wenn er_sie sich um die Durchsetzung deiner medizinischen Betreuung kümmert. Die Schweige­pflicht-Entbindungserklärung kann aber jederzeit widerrufen werden, etwa wenn du nach der Untersuchung durch den_die Arzt_Ärztin von draußen aus irgendwelchen Gründen nicht willst, dass der_die Anstaltssarzt_ärztin darüber informiert wird. Händige die Schweigepflicht-Entbindungserklärungen den jeweiligen Leuten aus, die sie betreffen, oder schicke sie einfach deinem_r Anwalt_Anwältin, der_die kann sie dann verteilen.

- an den_die Anstaltsarzt_ärztin:

Schweigepflichtsentbindungserklärung [mittig]

Hiermit entbinde ich alle Ärzte_innen und Anstalten, die mich behandelt haben und behandein werden, gegenüber meinem_r Rechtsanwalt_anwältin und gegenüber meinem_r beratenden Arzt_Ärztin Herrn_Frau Dr... von der ärztlichen Schweige­pflicht. Zugleich erkläre ich mich damit einverstanden, dass meine Arztbriefe und Originalunterlagen der Anstalten an meine_n beratende_n Arzt_Ärztin vorübergehend zur Einsicht ausgehändigt werden.

Datum: Unterschrift: [rechtsbündig]

- an den externen Arzt:

Hiermit entbinde ich meine_n beratende_n Arzt_Ärztin, Herrn_Frau Dr. ... gegenüber meinem_r Rechtsanwalt_anwältin und gegenüber den Ärzten_innen der JVA von der ärztlichen Schweigepflicht, soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Heilbehandlung erforderlich ist.

Datum: Unterschrift: [rechtsbündig]

- an den Rechtsanwalt:

Hiermit entbinde ich Herrn_Frau Rechtsanwalt_in ... gegenüber den mich behandelnden Ärzten_innen von der anwaltlichen Schweigepflicht bezüglich der ihm_ihr bekannten und bekanntwerdenden Tatsachen meiner Krankheit und der damit zusammenhängenden weiteren Tatsachen.

Datum: Unterschrift: [rechtsbündig]

Antrag auf Durchführung der Genehmigung (U-Haft)

Wenn bei der U-Haft der Haftrichter_in deinen Antrag auf eine_n externe_n Arzt_Ärztin genehmigt hat, dann musst du noch zusätzlich bei der Anstalt die Durchführung dieser Genehmigung beantragen. Ein kurzes „Anliegen" reicht dazu aus.

Der Antrag kann dann so aussehen:

Name Datum [rechtsbündig]

z. Zt. JVA ...


An den Leiter der JVA ...


Ich beantrage

meine Ausführung zu dem_r beratenden und ggfs. behandelnden Arzt_Ärztin, Dr. ..., Adresse, Telefon in dessen_deren Praxisräumen durchzuführen.

Eine richterliche Prüfung und Genehmigung liegt mit Schreiben des_der zuständigen Haftrichters_in, Herrn_Frau ... vom ... vor - Geschäftsnummer ... -. Der_Die beantragte Arzt_Ärztin wird von mir der ärztlichen Schweigepflicht enthoben, eine Schweigepfüchtsentbindungserklärung meinerseits wird nachgereicht. Ich bitte darum, die Arztgeschäftsstelle zu einer Terminabsprache des Ausführungstermins - ggfs. telefonisch - mit dem_der externen Arzt_Ärztin zu veranlassen.

Unterschrift [rechtsbündig]

Hat der_die Haftrichter_in keine Ausführung, sondern nur die Untersuchung durch den_die externe_n Arzt_Ärztin innerhalb der Anstalt genehmigt, dann beginnt der Antrag so:

Ich beantrage, den_die Arzt_Ärztin Dr. ..., Adresse, Telefon als beratende_n und ggfs. behandelnde_n Arzt_Ärztin für eine Untersuchung innerhalb der Anstalt zuzulassen. Eine richterliche Prüfung und Genehmigung ....(usw. wie oben).

Bei Verzögerung oder Ablehnung deines Antrags

Setze alle dir zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ein bzw. hilf deinem_r kranken Mitgefangenen dabei. Du kannst dabei nach dem weiter unten Kapitel 22 ff. zusammengestellten „Rechtsmittelteil" vorgehen. Du kannst für die Begründungen der Rechtsmittel im Prinzip die gleichen Argumente verwenden, die du bereits in deinem Antrag auf Hinzuziehung eines_r externen Arztes_Ärztin vorgebracht hast und dich dabei an den oben abgedruckten Musterbeispielen orientieren.

Antrag auf einstweilige Anordnung (Strafhaft)

Wenn du sehr starke Schmerzen hast, gegen die du keine Schmerzmittel bekommst oder irgendeine andere sinnvolle Behandlung vorgenommen wird, kannst du auch noch dazu einen Antrag auf einstweilige Anordnung an die zuständige Strafvollstreckungskammer gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 Strafvollzugsgesetz stellen. Dieser Antrag muss von der Strafvoll­streckungskammer sofort entschieden werden und bedeutet für dich die einzige juristische Möglichkeit, vor Abschluss des „Instanzenweges" — d.h. also relativ schnell — an eine_n externe_n Arzt_Ärztin zu kommen. Ein Beispiel für einen solchen Antrag:

Name JVA ... Datum [rechtsbündig]

An das Landgericht in...

Strafvollstreckungskammer EILANTRAG [rechtsbündig]

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Ich beantrage im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 Strafvollzugsgesetz zu verfügen, dass mir die Untersuchung durch den_die externe_n Arzt_Ärztin Dr. ... gestattet und die Durchführung umgehend ermöglicht wird. Außerdem beantrage ich die Gewährung einer Prozesskostenhilfe (Armenrecht) gemäß § 114 ff. ZPO (Zivilprozeß­ordnung). Ich befinde mich seit dem ... in der JVA .... in Strafhaft.

(Hier jetzt genau deine Schmerzen schildern, wie in dem Brief an den_die Arzt_Ärztin, die unzureichende Behandlung durch den_die Knastarzt_ärztin, die Verweigerung der Hinzuziehung eines_r externen Arztes_Ärztin durch den_die Anstaltsleiter_in, deinen momentanen Zustand. Beschreib das ruhig etwas drastisch. Benenne Mitgefangene als Zeugen_innen. Lege schriftliche Zeugenaussagen am besten als „eidesstattliche Versicherungen" dazu, die die Beobachtungen von Mitgefangenen oder Besuchern_innen wiedergeben).

Mein oben dargelegter kritischer Gesundheitszustand bedarf dringend sofortiger fachärztlicher Behandlung, die mir von der Anstaltsleitung rechtswidrig verweigert wird. Der Antrag ist wegen seiner außerordentlichen Eilbedürftigkeit und zur Vermeidung bleibender und irreperabler gesundheitlicher Schäden hinsichtlich des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz begründet. Die angefochtene Ablehnungsverfügung der Anstaltsleitung vom ... verletzt die Bestimmungen der §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2, 56 Abs. 1, 58, 59 Strafvollzugsgesetz sowie der Art. 1 Abs. 1,1 Abs. 3,2 Abs. 2,19 Abs. 1, 19 Abs. 2 und 104 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

(Weitere Ausführungen wie im Antrag an die Anstaltsleitung)

Unterschrift [rechtsbündig]

Versprich dir aber nicht zu viel von solch einem Antrag, denn meistens glauben die Richter_innen den Behauptungen des_r Anstaltsleiters_in und des_r Gefän­gnisarztes_ärztin, aber wenn es dir wirklich sehr dreckig geht, versuche, so einen Antrag noch zusammenzukriegen. Lass dir dabei am besten von einem_r anderen Gefangenen helfen. Eigentlich sollte es ein_e Anwalt_in übernehmen.

Das Beweissicherungsverfahren

Noch ein besonderer „Trick" vor allem für die Rechtsspezialisten_innen unter den Gefangenen oder für die Anwälte_innen: Das Beweissicherungsverfahren. Es ist nicht einfach und bisher auch kaum ausprobiert worden, so daß es auch kaum Erfahrungen damit gibt. Es kann aber ein sinnvoller letzter Versuch sein, doch noch an eine_n Arzt_Ärztin von draußen ranzukommen, wenn der normale Rechtsweg erfolglos war. Mit Hilfe des Beweissicherungsverfahrens kann eine (angeblich) verfolgte Schadensersatzklage (Schmerzensgeld) als Vehikel benutzt werden, um von einem_r gescheiten Arzt_Ärztin wenigstens mal gründlich untersucht zu werden. Allerdings auf deine eigenen Kosten, die unter Umständen ans Gericht vorgeleistet werden müssen. Beantrage eine Prozesskostenhilfe (Armenrecht) und lies dazu Näheres in Kapitel 25. nach. Das Beweissicherungsverfahren kann man in Zusammenhang mit einer Schadener­satzklage gegen das jeweilige Bundesland wegen Körperschäden etc. beantragen. Es dient dazu, deinen Gesundheitszustand als „Beweis" festzustellen, damit du später für diese Schadenersatzklage nachweisen kannst, dass dein Gesundheitsschaden auf schlechter ärztlicher Behandlung im Gefängnis basiert. Eine solche Schadensersatzklage kommt natürlich selten oder nie durch, jedoch muss man erstmal behaupten, eine solche machen zu wollen, damit überhaupt ein Beweissicherung*verfahren möglich ist.

Wie läuft das?

Gemäß § 485 Zivilprozessordnung kann auf deinen Antrag ein Beweissicherungsverfahren vom Gericht angeordnet werden. Der Antrag muss ausführlich begründet werden mit den Behauptungen: Dein Körperschaden, weswegen du klagen willst, sei natürlich veränderlich und deshalb müsste der momentane Zustand festgestellt werden, da du wegen der jetzigen Versagung der ärztlichen Versorgung im Moment große Schmerzen hättest und zumindest Schmerzensgeld einklagen wolltest. Du hast ein „rechtliches Interesse" an der fachärztlichen Feststellung deines Gesundheitszustandes, da diese Feststellung für dich das einzige Beweismittel in einem Schadensersatzprozess gegen das betreffende Bundesland ist. Für Schadensersatzklagen gegen den Staat, sogenannte Amtshaftungsprozesse, ist zwar immer das Landgericht zuständig. Für den Antrag auf ein Beweissicherungsverfahren vor Erhebung der eigentlichen Klage ist jedoch immer das Amtsgericht zuständig. Und zwar das Amtsgericht in dessen Bezirk der_die Arzt_ärztin arbeitet.

Der Antrag für ein solches Beweissicherungsverfahren kann etwa so aussehen:

An das

Amtsgericht in ... (Datum)[rechtsbündig]


Im Rahmen der Verfolgung meiner

Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung

gegen

das Land Hessen (Bayern etc.), vertreten durch den_die Ministerpräsidenten_in,

Wiesbaden (München ecc.)


beantrage ich

im Wege der Beweissicherung — ohne mündliche Verhandlung das (fach-)ärztliche Gutachten des_der Sachverständigen

Herrn_Frau Dr. med. ... (Name, Adresse)

über folgende Fragen einzuholen:

1. Liegen bei dem_der Antragsteller_in ernsthafte Gesundheitsschäden vor und welcher Art sind diese Erkrankungen?

2. Welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sind bei den vorliegenden Erkrankungen erforderlich?

3. Ist die in der JVA durchgeführte Behandlung aus­reichend und den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend?

4. Ist eine mangelhafte oder unterbliebene ärztliche Untersuchung und Behandlung für die Schwere bzw. das fortgeschrittene Stadium der Erkrankung verantwortlich?

Ferner beantrage ich, anzuordnen, dass die JVA .... die Voraussetzungen für die Durchführung der gutachterlichen Untersuchung in der Praxis des_der benannten Gutachters_in (oder in der JVA) schaffe und dem_der benannten Gutachter_in die mich betreffende Krankenakte zur Verfügung stelle.

Da ich meinen gegenwärtigen Gesundheitszustand zum Gegenstand einer Schadenersatzklage machen will und da sich dieser Zustand in Kürze verändern kann, ist ein Beweissicherungsverfahren für meine Beweisführung dringend erforderlich; Die Hinauszögerung einer gutachterlichen Unter­suchung würde insbesondere die Feststellung und den Nachweis, dass mein Gesundheitsschaden durch eine Pflichtwidrigkeit seitens der Anstaltsleitung und des_der Anstaltsarztes_in verursacht wurde, erheblich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.

Eine außergerichtliche Beweissicherung war nicht möglich, da die Anstaitsleitung die Untersuchung durch eine_n unabhängige_n Sach­verständige_n nicht zugelassen hat. Im übrigen wird der Sachverhalt, den ich zum Gegenstand einer Schadensersatzklage machen werde, von dem_der Antragsgegner_in bzw. von Anstaltsleitung und Anstaltsarzt_ärztin als Beamte_innen des Antragsgegners bestritten.


In der Regel wird das Gericht von dir zuerst die Kosten für den_die Sachverständige_n verlangen, bevor es die Untersuchung anordnet. Das beste ist natürlich, jemand von draußen zahlt das Geld gleich ans Gericht, um Zeit zu sparen. Oder aber du fügst deinem Antrag eine Erklärung des_der Arztes_Ärztin bei, wonach er_sie - zumindest für die Dauer der Haft - auf die Gutachterkosten verzichtet. Der Antrag ist mit einer Abschrift bzw. einem Durchschlag an das Gericht zu senden.

Die Untersuchung durch den externen Arzt

Wenn du Glück hast, kommt der_die beantragte Arzt_Ärztin irgendwann und kann dich erstmal genau untersuchen. Dabei machen die Anstalten auch sehr oft noch Ärger durch Verweigerung der Krankenakte und anderes mehr. Am besten, du besprichst Reaktionen darauf mit dem_der Arzt_Ärztin — der ja davon dann auch betroffen ist — und deinem_r Rechtsanwalt_anwältin. Die Untersuchung durch den_die externe_n Arzt_Ärztin sollte immer ohne Knastarzt_ärztin, Sanitäter_in und dergleichen erfolgen. Man muss da auf das Vertrauensver­hältnis zwischen Arzt_Ärztin und Patienten_innen hinweisen, das nur entstehen kann, wenn nicht noch andere Personen bei der Untersuchung anwesend sind. Außerdem gebietet es die ärztliche Schweigepflicht des_r externen Arztes_Ärztin, dass du mit ihm_ihr allein bist. Die Entbindung von der Schweigepflicht (s.o.) wirkt ja nicht gegenüber den Sanitätsbeamten_innen. Das beste ist, der_die Arzt_Ärztin macht sich dafür stark, dass die Untersuchung ohne „Zuschauer_innen" erfolgt, da man auf ihn_sie wesentlich mehr und eher hört, als auf dich. Versuche also am besten vorher dem_der Arzt_Ärztin die Situation zu beschreiben, in die er_sie im Knast kommen wird und mit welchen Schikanen und Hindernissen er_sie zu rechnen hat. Dasselbe gilt für die ewige Auseinandersetzung um die Krankenakte, die die Knastärzte_innen nur sehr ungern — und dann oft frisiert — rausgeben. Bereite den_die externe_n Arzt_Ärztin am besten auch auf diese Auseinandersetzung vor. Am besten, dein_e Anwalt_Anwältin informiert den_die Arzt_Ärztin über seine Rechte als bera­tende_r und eventuell behandelnde_r Arzt_Ärztin im Knast, damit der_die sich nicht so schnell einmachen lässt.

Der_Die Arzt_Ärztin als normaler Besucher

Bei Ablehnung oder langer Verzögerung des beantragten Arztbesuchs kannst du folgenden Notbehelf organisieren; Du lässt den_die externe_n Arzt_Ärztin als normale_n Besucher_in zu dir kommen. Eine richtige ärztliche Untersuchung ist dabei zwar nicht möglich — aber eine Beratung kann dir vorläufig sicher auch weiterhelfen. Bitte den_die besuchende_n Arzt_Ärztin, dir ein Attest auszustellen, in das er seine Diagnose oder zumindest seinen Eindruck von deinen Beschwerden reinschreiben soll und welche Untersuchungen oder Behandlungen er_sie für notwendig hält. Benutze dieses Attest dann dazu, weiter um eine richtige ärztliche Behandlung zu kämpfen.

Wer bezahlt den_die externe_n Arzt_Ärztin

Der Staat muss zwar grundsätzlich die medizinische Versorgung der Gefangenen finanzieren. Nach offizieller Ansicht gehört dazu aber nicht die Behandlung durch eine_n Arzt_Ärztin freier Wahl. Wie jeder weiß, sind Ärzte_innen im allgemeinen teuer. Draußen ist man ja meistens krankenversichert und merkt davon nicht soviel. Im Knast ist das kaum möglich. Die gesetzlichen Krankenkassen nehmen keine Gefangenen auf und die privaten Versicherungen verlangen 200,-DM und mehr, soweit sie überhaupt bereit sind, Gefangene zu versichern. War man vor der Verhaftung noch versichert, so verliert man mit der bisherigen Arbeitsstelle auch den Versicherungsschutz der gesetzlichen Kassen. Es sei denn, man beantragt innnerhalb eines Monats die „freiwillige Weiterversicherung". Bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) kostet dies etwa 170,- DM im Monat, was auf die Dauer nicht aufzutreiben ist. Die Kosten für die freiwillige Weiterversicherung müsste aber dann von der Sozialhilfe übernommen werden, wenn du die allgemeinen Voraussetzung für einen Sozialhilfeanspruch erfüllst. Es wird also meist darauf ankommen, ob du unterhaltspflichtige Angehörige (Ehegatte, Eltern, Kinder etc.)hast, die nach dem Gesetz „genug" verdienen. Im Zweifel fragst du den_die Sozialarbeiter_in, der_die soll dir das genau ausrechnen und den Antrag ans Sozialamt weiterreichen. Es ist gut möglich, dass das Sozialamt sich dagegen sperrt, mit der Begründung, du seist im Knast ja rundum versorgt und kostenlos verarztet. Gegen einen ablehnenden Bescheid sollte man ruhig Wider­spruch einlegen. Man kann auch versuchen, die Arztkosten direkt vom Sozialamt bezahlt zu bekommen.

Ist deine Krankheit auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen, so muss die Unfallversicherung in der du als Gefangene_r automatisch drin bist, die Behandlungskosten übernehmen. In diesem Fall wendest du dich — über den_die Sozialarbeiter_in oder direkt — an die „Ausführungsbehörde für Unfallversicherung" des jeweiligen Bundeslandes; dafür müsste es im Knast ein Formular geben.

Es ist nicht unbedingt nötig, als Gefangene_r krankenversichert zu sein. In den sel­tenen Fällen, in denen man an eine_n Arzt_Ärztin freier Wahl herankommt und demzufolge selbst die Kosten tragen muss, sollte es doch möglich sein mit dem_der Arzt_Ärztin über das Honorar zu reden. Am besten man macht von Anfang an klar, dass man kein Geld hat. Es dürfte für den_die Arzt_Ärztin kein so großes Problem sein, auf eine Bezahlung mal zu warten öder notfalls zu verzichten.