Was Gefangene gemeinsam tun können

Aus Gefangenenratgeber

Version vom 16. September 2011, 12:21 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

zum Inhaltsverzeichnis

3.3. Was Gefangene gemeinsam tun können

Das „Betriebsklima" des Knasts ist von der Institution ebenso mitbe­stimmt wie von den Gefangenen selbst - und damit von den Möglichkei­ten, die die Gefangenen haben, zusammen zukommen, miteinander zu sprechen, sich kennenzulernen. Diese Möglichkeiten werden mit Absicht beschränkt. Diese Kommunikation spielt sich ab bei einerseits beaufsichtigten und reglementierten Gelegenheiten, andererseits aber auch in den Zwischen­räumen der totalen Kontrolle, die im Knast herrscht. Beaufsichtigt ist zwar alles, aber nicht alles lässt sich eben beaufsichtigen. Der größte Teil der Kommunikation der Gefangenen entzieht sich der Kontrolle durch die mächtige Verwaltung: die Gespräche, die Kassiber usw.

Es gibt die offiziellen Einrichtungen der Kommunikation:

-Die Gemeinschaftszelle: Lies dazu Abschnitt 3.4.

-Der Hofgang: Er ist jeden Tag, und wenn man nicht isoliert ist, also nicht Einzelhofgang hat, kann man ihn dazu benutzen, aus der Vereinzelung, in die man sonst in der Zelle eingeschlossen ist, herauszukommen.

-Freizeit oder Urnschluß: Die Freizeit wird in den verschiedenen Anstalten unterschiedlich gehandhabt und ist auch zwischen U-Haft und Strafhaft verschieden. In der Rege! sind es ein bis zwei Stunden täglich. In der U-Haft wird diese Möglichkeit immer häufiger ausgeschaltet. Umschluß muss man beantragen. In der U-Haft braucht man eine richterliche Genehmigung. In Strafhaft hat man in manchen Knästen einen Umschluß der Station von Zeit zu Zeit. Das bedeutet, dass die Zellen offen . bleiben, für einige Stunden.

-Fernsehen: Auch das Fernsehen kann benutzt werden, um mit anderen zusammen zukommen oder einfach um sich zu informieren. Meistens ist das Programm allerdings miserabel ausgewählt und der Informationswert im Vergleich zu einer Tageszei­tung oder einem selbst gewählten Buch gering.

-Gemeinschaftsveranstaltungen, Kurse: Lies dazu Abschnitt 3.5.

-Der Gottesdienst: Er ist eine ebensolche Gelegenheit, mit anderen zusammen zukommen und ist der traditionelle Ort der „Subkultur" im Gefängnis. Dort trifft man sich mit Leuten von den anderen Stationen, zu denen man sonst keinen Zugang hat. Näheres hierzu unter 3.6. Falls man arbeitet {was auch in U-Haft der Fall sein kann), kann man die

-Arbeit auch dazu benutzen, mit anderen zusammen etwas zu machen - falls man die Chance hat, eine Gemeinschaftsarbeit zu bekommen (siehe zu Arbeit Abschnitt 9.1. und 9.2.).

-Gefangenenzeitung: (siehe Abschnitt 3.8.)

Die nicht offizielle Kommunikation

Neben diesen „erlaubten" Möglichkeiten, etwas zusammen zu tun, gibt es solche, die üblich sind, obwohl sie unerlaubt sind. Dazu gehört das Sprechen am Fenster. Schon am ersten Tag im Knast wird man merken, dass der Knast sich mit sich selbst unterhält. M-an spricht von Zellenfenster zu Zellenfenster. Jeder Knast führt so ein Selbstgespräch, das Gespräch aller, die abends, wenn sie eingeschlossen sind, am Fenster hängen und mit ihrem Nachbarn oder mit einem unten oder oben oder manchmal quer über die ganze Zellenhausfront reden. Das geht bei alten Gefängnissen genauso wie bei neuen.

Im Knast hat man als Neuling, der nur die aggressiven Geräusche des Zellenhauses hört, das Gefühl, dass sich jeden Moment ein Grüner auf einen stürzen könnte. Zum Beispiel wenn man am Fenster quatscht. Das ist eine Täuschung. Orientiere dich lieber an dem. was andere machen und nicht an deinen eigenen Befürchtungen. Das Pendeln ist ebenso in allen Knästen üblich, wird allerdings von den Grünen immer zu verhindern versucht. Unter Pendeln versteht man das gegenseitige Zuwerfen eines Gegenstands, der an einer Schnur (Pendel­schnur), notfalls noch mit einem Gewicht daran, befestigt ist. Gependelt wird von Fenster zu Fenster. Es ist schwierig, wenn die Fenster mit einem Maschendraht verbaut sind oder wenn Sichtblenden davor sind. Aber auch da finden immer welche eine Möglichkeit . . Man muss natürlich damit rechnen, besonders bei Sachen, die sich am Fenster abspielen, dass man von dem Wachhabenden im Hof gemeldet wird, der mit einem Fernglas die Fenster absucht. Ein weiteres übliches Mittel, mit anderen in Verbindung zu kommen -wenn ihre Zelle zugeschlossen ist oder zum Beispiel! wenn sie isoliert sind oder auf einer anderen Station liegen - ist ein Kassiber, ein Stück beschriebenes Papier, das meistens winzig klein ist, um es notfalls aufessen zu können, und das man entweder selbst durch eine Tür schiebt oder von einem Hausarbeiter bzw. einem anderen Gefangenen überbrin­gen lässt. Wenn Hausarbeiter die Zuträger sind, kann das allerdings riskant sein. Aber Hausarbeiter sind dafür oft die letzte Möglichkeit. Eine früher beliebte Methode, sich zwischen nahe gelegenen, insbeson­dere übereinanderliegenden Zellen zu verständigen, bestand darin, das Röhrensystem der Klos und Waschbecken als „Telefon" zu benutzen. Ob das auch heute noch geht, ist von Knast zu Knast verschieden. In den meisten Knästen, vor allem den alten, geht es - in neuen geht es manchmal nicht mehr. Der Syphon, das U in dem Rohr, das gewöhnlich mit Wasser gefüllt ist, wurde dazu ausgeleert. Dieses Wasser wurde entweder ausgepumpt, herausgedrückt oder aufgesaugt mit Hilfe eines Lappens oder Schwamms. Beim Waschbecken konnte man den Syphon unter Umstän­den einfach aufschrauben. Das berühmte Klopfalphabet ist nicht mehr so sehr im Gebrauch.

Es sieht so aus:

1 2 3 4 5
1 A B C D E
2 F G H I K
3 L M N O P
4 Qu R S T U
5 V W X Y Z

(ohne j)

Man teilt das gesamte Alphabet in Fünfergruppen auf. Jeder Buchstabe besteht aus zwei Schlägen. Der erste Schlag bezeichnet die Zeile, also zum Beispiel 1,2,3, 4 oder 5, der Zweite Schlag bezeichnet die Steile des Buchstabens innerhalb einer Zeile, wofür es ebenfalls nur fünf Möglichkeiten gibt. Danach bedeutet zum Beispiel der Buchstabe S: 4 Schläge und 3 Schläge, also 4 für die Zeile 4 und 3 Schläge für die Stelle 3, wo der Buchstabe steht. Natürlich wird das Klopfalpha­bet auch als optisches Verständigungssignal benutzt.

Es gibt sicher noch eine Vielzahl anderer Verständigungsmöglichkeiten unter Ausnutzung der besonderen Bedingungen in den verschiedenen Anstalten. Nach der Hausordnung ist diese Art der Kommunikation verboten und kann mit Hausstrafen belegt werden. Aber die Hausordnung ist in vielen Punkten nur dazu da, zu zeigen: wir können euch alles verbieten, wenn wir wollen. Wenn diese Hausordnungen strikt von den Grünen eingehal­ten würden, wäre u.U. auch das Weitergeben von Zeitungen und das Ausdemfenstersehen, ja oft selbst das Sprechen verboten. Trotzdem wird beim Hofgang gesprochen und aus gerade den verbotenen Fenstern hinaus geguckt. Die Grünen versuchen ihr Bestes, das alles zu verhin­dern. Aber das liegt an den Vorschriften: wenn sie übertrieben sind, dann sind sie eben nur durch übertriebene Anstrengung einzuhalten, und die Beamten scheuen die übertriebene Anstrengung (siehe auch den Abschnitt 8.1. „Hausstrafen").

Möglichkeiten gemeinsamen Handelns

Im folgenden sollen einige Dinge aufgeführt werden, die als Möglichkei­ten gemeinsamen Handelns von Gefangenen vorgeschlagen worden sind und womit auch bereits Erfahrungen gemacht wurden. Es sind Dinge, die im Knast zum Teil üblich sind, also nichts, was man sich erst ausdenken müsste.

Sich um Neue kümmern

Sehr verbreitet ist, dass man sich um Neuzugänge kümmert, die meistens noch keinen Einkauf haben - dass man ihnen die notwendigsten Dinge, wie Tabak, Kugelschreiber, Papier, Kuverts, Briefmarken usw. beschafft. Man kann sehr leicht erfahren, wer ein Neuzugang ist, und man wird wissen, was er braucht, wenn man ihn fragt. Diese Hilfe wird auch öfter ausgedehnt zu einem Fond für Tabak. Manchmal legen mehrere Leute abzugeben. Normalerweise werden mittellose Gefangene von den übri­gen mit dem Notwendigsten versorgt.

Schreibarbeiten

Eine andere Möglichkeit ist die gegenseitige „Dienstleistung" mit Schreibarbeiten. Derjenige, der eine Schreibmaschine hat, wird sowieso von anderen angegangen, ob er nicht Anträge, Beschwerden, auch Briefe tippen kann. Man sollte das nicht ablehnen. Es ist eine gute Möglichkeit, jemanden besser kennenzulernen und auch jemandem zu helfen. Es kann einem anderen unter Umständen sehr helfen, wenn man seine Sachen nicht nur abschreibt, sondern auch mit ihm darüber redet, die Anträge vielleicht, wenn es nötig ist, umformuliert, verbessert, ihm bestimmte juristische Bücher dafür gibt und ihm Vorschläge macht, was man in seinem Fall unternehmen könnte. Das Schreiben für andere spielt eine wichtige Rolle im Knast, gerade angesichts der ständigen Unterbrechung der Kommunikation durch die Einschließung in den Zellen. Die Vereinzelung wird auch durchbrochen durch Briefe nach draußen, die man für andere schreibt - durch Schriftsätze, Schreiben an Rechtsan­wälte, Presse usw.

Lesematerial weitergeben

Eine gute Möglichkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, ist auch, eine Zeitung zu verteilen und dafür zu sorgen, dass sie an möglichst viele Leute verteilt wird, vor allem wenn es eine Tageszeitung ist, Tageszei­tungen sind sehr begehrt, und man sollte die Verteilung so organisieren, dass sie nicht von einem, dem man sie weitergegeben hat, unter den Nage! gerissen wird, sondern dass sie möglichst viele lesen.

Du kannst deine Fähigkeiten für andere einsetzen

Man kann seine eigenen Fähigkeiten - vor allem wenn es berufliche Fähigkeiten sind - für andere verwenden. Wenn man z.B. Krankenpfle­ger ist, kann man sich um die Gesundheit seiner Mitgefangenen küm­mern. (Das kann man allerdings auch, wenn man kein Krankenpfleger ist, aber den medizinischen Teil dieses Ratgebers studiert hat.) Wenn man juristische Kenntnisse und die entsprechenden Bücher hat, kann man sie für andere verwenden. Man muss eben sehen, welche Fähigkeit man für andere einsetzen kann. Auch damit wird man nicht nur den andern helfen, sondern sich selbst die Öde des Alleinseins vertreiben können. , Wenn man Fremdsprachen beherrscht, kann man das für ausländische Gefangene, die oft nicht oder zu wenig deutsch sprechen können, einset­zen. Näheres im Abschnitt 7.2. für ausländische Gefangene. Wenn man Kontakt zu politischen Gruppen hat, kann man sie auch für andere nutzbar machen.

Gemeinsamer Einkauf

Eine Möglichkeit, die schon oben angedeutet worden ist, ist der Gemein­schaftseinkauf. Das ist etwas, was denen, die kein Geld haben, unmittel­bar nützen kann. Dazu Näheres in den Abschnitten Geld und Einkauf 9.4 und 9.5.

Überlebenshilfe

Eine sehr wichtige Sache ist noch die Hilfe für isolierte und von Haus­strafen betroffene Gefangene. Lies dazu Kapitel 8. über „Sicherheit, Ordnung und Disziplin".

Interner Knastratgeber

Wenn man eine Schreibmaschine hat und einigermaßen in einem Knast Bescheid weiß, kann man - mit anderen zusammen - vielleicht einen internen „Knastratgeber" herstellen, den man auf Durchschlagpapier oder auf sonstige Weise vervielfältigt und an andere' verteilt (siehe Abschnitt 3.8. „Anstaltszeitungen"). Man kann Muster von Dienstauf­sichtsbeschwerden, von Strafanzeigen, von Briefen an die Presse und von anderen immer wiederkehrenden Sachen aufsetzen. Man kann durch ein Beispiel zeigen, wie man.einen Antrag auf Haftunfähigkeit schreibt. Man kann Ratschläge für den Umgang mit Anwälten und mit Richtern im Prozess geben und andere Ratschläge, die einen unmittelbaren Gebrauchswert in der Untersuchungshaft haben. Dasselbe kann man auch in Strafhaft tun. Dabei sollte man vor allen Dingen auf lokale Besonderheiten eingehen, was wir in unserem Ratgeber nicht tun kön­nen, z.B. auf die Eigenarten bestimmter Beamter und bestimmter Vorschriften. Das sind. natürlich noch nicht alle Möglichkeiten, sondern nur einige Beispiele. Wenn man noch andere Möglichkeiten sucht, wird man sie auch mit Sicherheit finden. In den folgenden Abschnitten noch einmal etwas genaueres zu den wichtigsten offiziellen Gemeinschaftsveranstaltungen und anderen Mög­lichkeiten zusammen zukommen und was man daraus machen kann.


3.3. Was Gefangene gemeinsam tun können

Das „Betriebsklima" des Knasts ist von der Institution ebenso mitbe­stimmt wie von den Gefangenen selbst - und damit von den Möglichkei­ten, die die Gefangenen haben, zusammen zukommen, miteinander zu sprechen, sich kennenzulernen. Diese Möglichkeiten werden mit Absicht beschränkt. Diese Kommunikation spielt sich ab bei einerseits beaufsichtigten und reglementierten Gelegenheiten, andererseits aber auch in den Zwischen­räumen der totalen Kontrolle, die im Knast herrscht. Beaufsichtigt ist zwar alles, aber nicht alles lässt sich eben beaufsichtigen. Der größte Teil der Kommunikation der Gefangenen entzieht sich der Kontrolle durch die mächtige Verwaltung: die Gespräche, die Kassiber usw. Es gibt die offiziellen Einrichtungen der Kommunikation:

-Die Gemeinschaftszelle: Lies dazu Abschnitt 3.4.

-Der Hofgang: Er ist jeden Tag, und wenn man nicht isoliert ist, also nicht Einzelhofgang hat, kann man ihn dazu benutzen, aus der Vereinzelung, in die man sonst in der Zelle eingeschlossen ist, herauszukommen.

-Freizeit oder Urnschluß: Die Freizeit wird in den verschiedenen Anstalten unterschiedlich gehandhabt und ist auch zwischen U-Haft und Strafhaft verschieden. In der Rege! sind es ein bis zwei Stunden täglich. In der U-Haft wird diese Möglichkeit immer häufiger ausgeschaltet. Umschluß muss man beantragen. In der U-Haft braucht man eine richterliche Genehmigung. In Strafhaft hat man in manchen Knästen einen Umschluß der Station von Zeit zu Zeit. Das bedeutet, dass die Zellen offen . bleiben, für einige Stunden.

-Fernsehen: Auch das Fernsehen kann benutzt werden, um mit anderen zusammen zukommen oder einfach um sich zu informieren. Meistens ist das Programm allerdings miserabel ausgewählt und der Informationswert im Vergleich zu einer Tageszei­tung oder einem selbst gewählten Buch gering.

-Gemeinschaftsveranstaltungen, Kurse: Lies dazu Abschnitt 3.5.

-Der Gottesdienst: Er ist eine ebensolche Gelegenheit, mit anderen zusammen zukommen und ist der traditionelle Ort der „Subkultur" im Gefängnis. Dort trifft man sich mit Leuten von den anderen Stationen, zu denen man sonst keinen Zugang hat. Näheres hierzu unter 3.6. Falls man arbeitet {was auch in U-Haft der Fall sein kann), kann man die

-Arbeit auch dazu benutzen, mit anderen zusammen etwas zu machen - falls man die Chance hat, eine Gemeinschaftsarbeit zu bekommen (siehe zu Arbeit Abschnitt 9.1. und 9.2.).

-Gefangenenzeitung: (siehe Abschnitt 3.8.)

Die nicht offizielle Kommunikation

Neben diesen „erlaubten" Möglichkeiten, etwas zusammen zu tun, gibt es solche, die üblich sind, obwohl sie unerlaubt sind. Dazu gehört das Sprechen am Fenster. Schon am ersten Tag im Knast wird man merken, dass der Knast sich mit sich selbst unterhält. M-an spricht von Zellenfenster zu Zellenfenster. Jeder Knast führt so ein Selbstgespräch, das Gespräch aller, die abends, wenn sie eingeschlossen sind, am Fenster hängen und mit ihrem Nachbarn oder mit einem unten oder oben oder manchmal quer über die ganze Zellenhausfront reden. Das geht bei alten Gefängnissen genauso wie bei neuen.

Im Knast hat man als Neuling, der nur die aggressiven Geräusche des Zellenhauses hört, das Gefühl, dass sich jeden Moment ein Grüner auf einen stürzen könnte. Zum Beispiel wenn man am Fenster quatscht. Das ist eine Täuschung. Orientiere dich lieber an dem. was andere machen und nicht an deinen eigenen Befürchtungen. Das Pendeln ist ebenso in allen Knästen üblich, wird allerdings von den Grünen immer zu verhindern versucht. Unter Pendeln versteht man das gegenseitige Zuwerfen eines Gegenstands, der an einer Schnur (Pendel­schnur), notfalls noch mit einem Gewicht daran, befestigt ist. Gependelt wird von Fenster zu Fenster. Es ist schwierig, wenn die Fenster mit einem Maschendraht verbaut sind oder wenn Sichtblenden davor sind. Aber auch da finden immer welche eine Möglichkeit . . Man muss natürlich damit rechnen, besonders bei Sachen, die sich am Fenster abspielen, dass man von dem Wachhabenden im Hof gemeldet wird, der mit einem Fernglas die Fenster absucht. Ein weiteres übliches Mittel, mit anderen in Verbindung zu kommen -wenn ihre Zelle zugeschlossen ist oder zum Beispiel! wenn sie isoliert sind oder auf einer anderen Station liegen - ist ein Kassiber, ein Stück beschriebenes Papier, das meistens winzig klein ist, um es notfalls aufessen zu können, und das man entweder selbst durch eine Tür schiebt oder von einem Hausarbeiter bzw. einem anderen Gefangenen überbrin­gen lässt. Wenn Hausarbeiter die Zuträger sind, kann das allerdings riskant sein. Aber Hausarbeiter sind dafür oft die letzte Möglichkeit. Eine früher beliebte Methode, sich zwischen nahe gelegenen, insbeson­dere übereinanderliegenden Zellen zu verständigen, bestand darin, das Röhrensystem der Klos und Waschbecken als „Telefon" zu benutzen. Ob das auch heute noch geht, ist von Knast zu Knast verschieden. In den meisten Knästen, vor allem den alten, geht es - in neuen geht es manchmal nicht mehr. Der Syphon, das U in dem Rohr, das gewöhnlich mit Wasser gefüllt ist, wurde dazu ausgeleert. Dieses Wasser wurde entweder ausgepumpt, herausgedrückt oder aufgesaugt mit Hilfe eines Lappens oder Schwamms. Beim Waschbecken konnte man den Syphon unter Umstän­den einfach aufschrauben. Das berühmte Klopfalphabet ist nicht mehr so sehr im Gebrauch.

Es sieht so aus:

1 2 3 4 5
1 A B C D E
2 F G H I K
3 L M N O P
4 Qu R S T U
5 V W X Y Z

(ohne j)

Man teilt das gesamte Alphabet in Fünfergruppen auf. Jeder Buchstabe besteht aus zwei Schlägen. Der erste Schlag bezeichnet die Zeile, also zum Beispiel 1,2,3, 4 oder 5, der Zweite Schlag bezeichnet die Steile des Buchstabens innerhalb einer Zeile, wofür es ebenfalls nur fünf Möglichkeiten gibt. Danach bedeutet zum Beispiel der Buchstabe S: 4 Schläge und 3 Schläge, also 4 für die Zeile 4 und 3 Schläge für die Stelle 3, wo der Buchstabe steht. Natürlich wird das Klopfalpha­bet auch als optisches Verständigungssignal benutzt.

Es gibt sicher noch eine Vielzahl anderer Verständigungsmöglichkeiten unter Ausnutzung der besonderen Bedingungen in den verschiedenen Anstalten. Nach der Hausordnung ist diese Art der Kommunikation verboten und kann mit Hausstrafen belegt werden. Aber die Hausordnung ist in vielen Punkten nur dazu da, zu zeigen: wir können euch alles verbieten, wenn wir wollen. Wenn diese Hausordnungen strikt von den Grünen eingehal­ten würden, wäre u.U. auch das Weitergeben von Zeitungen und das Ausdemfenstersehen, ja oft selbst das Sprechen verboten. Trotzdem wird beim Hofgang gesprochen und aus gerade den verbotenen Fenstern hinaus geguckt. Die Grünen versuchen ihr Bestes, das alles zu verhin­dern. Aber das liegt an den Vorschriften: wenn sie übertrieben sind, dann sind sie eben nur durch übertriebene Anstrengung einzuhalten, und die Beamten scheuen die übertriebene Anstrengung (siehe auch den Abschnitt 8.1. „Hausstrafen").

Möglichkeiten gemeinsamen Handelns

Im folgenden sollen einige Dinge aufgeführt werden, die als Möglichkei­ten gemeinsamen Handelns von Gefangenen vorgeschlagen worden sind und womit auch bereits Erfahrungen gemacht wurden. Es sind Dinge, die im Knast zum Teil üblich sind, also nichts, was man sich erst ausdenken müsste.

Sich um Neue kümmern

Sehr verbreitet ist, dass man sich um Neuzugänge kümmert, die meistens noch keinen Einkauf haben - dass man ihnen die notwendigsten Dinge, wie Tabak, Kugelschreiber, Papier, Kuverts, Briefmarken usw. beschafft. Man kann sehr leicht erfahren, wer ein Neuzugang ist, und man wird wissen, was er braucht, wenn man ihn fragt. Diese Hilfe wird auch öfter ausgedehnt zu einem Fond für Tabak. Manchmal legen mehrere Leute abzugeben. Normalerweise werden mittellose Gefangene von den übri­gen mit dem Notwendigsten versorgt.

Schreibarbeiten

Eine andere Möglichkeit ist die gegenseitige „Dienstleistung" mit Schreibarbeiten. Derjenige, der eine Schreibmaschine hat, wird sowieso von anderen angegangen, ob er nicht Anträge, Beschwerden, auch Briefe tippen kann. Man sollte das nicht ablehnen. Es ist eine gute Möglichkeit, jemanden besser kennenzulernen und auch jemandem zu helfen. Es kann einem anderen unter Umständen sehr helfen, wenn man seine Sachen nicht nur abschreibt, sondern auch mit ihm darüber redet, die Anträge vielleicht, wenn es nötig ist, umformuliert, verbessert, ihm bestimmte juristische Bücher dafür gibt und ihm Vorschläge macht, was man in seinem Fall unternehmen könnte. Das Schreiben für andere spielt eine wichtige Rolle im Knast, gerade angesichts der ständigen Unterbrechung der Kommunikation durch die Einschließung in den Zellen. Die Vereinzelung wird auch durchbrochen durch Briefe nach draußen, die man für andere schreibt - durch Schriftsätze, Schreiben an Rechtsan­wälte, Presse usw.

Lesematerial weitergeben

Eine gute Möglichkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, ist auch, eine Zeitung zu verteilen und dafür zu sorgen, dass sie an möglichst viele Leute verteilt wird, vor allem wenn es eine Tageszeitung ist, Tageszei­tungen sind sehr begehrt, und man sollte die Verteilung so organisieren, dass sie nicht von einem, dem man sie weitergegeben hat, unter den Nage! gerissen wird, sondern dass sie möglichst viele lesen.

Du kannst deine Fähigkeiten für andere einsetzen

Man kann seine eigenen Fähigkeiten - vor allem wenn es berufliche Fähigkeiten sind - für andere verwenden. Wenn man z.B. Krankenpfle­ger ist, kann man sich um die Gesundheit seiner Mitgefangenen küm­mern. (Das kann man allerdings auch, wenn man kein Krankenpfleger ist, aber den medizinischen Teil dieses Ratgebers studiert hat.) Wenn man juristische Kenntnisse und die entsprechenden Bücher hat, kann man sie für andere verwenden. Man muss eben sehen, welche Fähigkeit man für andere einsetzen kann. Auch damit wird man nicht nur den andern helfen, sondern sich selbst die Öde des Alleinseins vertreiben können. , Wenn man Fremdsprachen beherrscht, kann man das für ausländische Gefangene, die oft nicht oder zu wenig deutsch sprechen können, einset­zen. Näheres im Abschnitt 7.2. für ausländische Gefangene. Wenn man Kontakt zu politischen Gruppen hat, kann man sie auch für andere nutzbar machen.

Gemeinsamer Einkauf

Eine Möglichkeit, die schon oben angedeutet worden ist, ist der Gemein­schaftseinkauf. Das ist etwas, was denen, die kein Geld haben, unmittel­bar nützen kann. Dazu Näheres in den Abschnitten Geld und Einkauf 9.4 und 9.5.

Überlebenshilfe

Eine sehr wichtige Sache ist noch die Hilfe für isolierte und von Haus­strafen betroffene Gefangene. Lies dazu Kapitel 8. über „Sicherheit, Ordnung und Disziplin".

Interner Knastratgeber

Wenn man eine Schreibmaschine hat und einigermaßen in einem Knast Bescheid weiß, kann man - mit anderen zusammen - vielleicht einen internen „Knastratgeber" herstellen, den man auf Durchschlagpapier oder auf sonstige Weise vervielfältigt und an andere' verteilt (siehe Abschnitt 3.8. „Anstaltszeitungen"). Man kann Muster von Dienstauf­sichtsbeschwerden, von Strafanzeigen, von Briefen an die Presse und von anderen immer wiederkehrenden Sachen aufsetzen. Man kann durch ein Beispiel zeigen, wie man.einen Antrag auf Haftunfähigkeit schreibt. Man kann Ratschläge für den Umgang mit Anwälten und mit Richtern im Prozess geben und andere Ratschläge, die einen unmittelbaren Gebrauchswert in der Untersuchungshaft haben. Dasselbe kann man auch in Strafhaft tun. Dabei sollte man vor allen Dingen auf lokale Besonderheiten eingehen, was wir in unserem Ratgeber nicht tun kön­nen, z.B. auf die Eigenarten bestimmter Beamter und bestimmter Vorschriften. Das sind. natürlich noch nicht alle Möglichkeiten, sondern nur einige Beispiele. Wenn man noch andere Möglichkeiten sucht, wird man sie auch mit Sicherheit finden. In den folgenden Abschnitten noch einmal etwas genaueres zu den wichtigsten offiziellen Gemeinschaftsveranstaltungen und anderen Mög­lichkeiten zusammen zukommen und was man daraus machen kann.


zum Inhaltsverzeichnis