Musterbegründungen für Anträge und Beschwerden

Aus Gefangenenratgeber

Version vom 16. September 2011, 12:48 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

zum Inhaltsverzeichnis


23.3. Musterbegründungen für Anträge und Beschwerden


Wir haben im folgenden einige Musterbegründungen zusammengestellt. Dabei haben wir solche Probleme herausgesucht, die besonders häufig sind und über die nicht schon an anderer Stelle dieses Buches etwas gesagt wurde. Wir wollen dabei betonen, daß dies nur Agumentations- und Orientierungshilfen für deinen juristischen „Kampf" sein sollen. Das heißt, daß du in den meisten Fällen diese Muster nicht einfach übernehmen kannst, sondern deine Begründung genau auf die konkrete Situation abstimmen musst. Es ist dabei auch nicht nötig eine juristische Sprache, wie in einigen der folgenden Entwürfe, zu verwenden. Das gleiche gilt auch für das Zitieren von Kommentaren und Urteilen. Auch die größten „Superanträge" werden in der Regel abgeschmettert. Und zu den seltenen erfolgreichen Anträgen gehören auch solche, die einfach nur das beschrei­ben, was der_die Antragsteller_in will — ohne juristischen Zauber. Liegt man mit Haftrichter_in und Anstaltsleitung im Clinch, so wird man feststellen, daß die bei der Begründung ihrer Verbote und Beschränkungen nicht sehr einfallsreich sind: Entweder verstößt das, was du willst, gegen „Sicherheit und Ordnung" in der Anstalt oder es ist mit dem „Zweck der Untersuchungshaft" nicht vereinbar. Deshalb hier zunächst ein paar allgemeine Argumentationshilfen, die man praktisch für jede Beschwerde verwenden kann.


"Sicherheit und Ordnung" und der "Haftzweck"


„ Dem Verfahren dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert", heißt es in § 119 Abs. 3 Strafprozeßordnung (StPO). In der Praxis bedeutet dieser schön formulierte Paragraph lediglich, daß in fast allen Verbots- oder Beschränkungsverfügungen diese Formeln als Be­gründung auftauchen. Unter „Ordnung" der Anstalt sind alle Vorausset­zungen zu verstehen, die unbedingt notwendig sind, um das normale Funk­tionieren des Knasts zu gewährleisten. Diese Voraussetzungen sollen allerdings so gestaltet werden, „dass die bis­herige . Lebensführung des Verhafteten so wenig wie möglich beeinträchtigt wird" (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr.43). Wesentlich ist dabei, dass Ordnung identisch ist mit der „Hausordnung" oder der U-Haftvollzugsordnung. Die U-Haftvollzugsordnung ist kein Gesetz sondern nur eine Empfehlung an den_die Haftrichter_in. Darauf musst du hinweisen, wenn du etwas willst, was sie verbietet. Andersherum kannst du dich immer auf die U-Haftvollzugs­ordnung berufen, wenn dir etwas verboten wird, was sie erlaubt. Die Haus­ordnung steht rechtlich noch unter der U-Haftvollzugsordnung und den Anordnungen des_der Haftrichters_in. Der offizielle Zweck der U-Haft ist die Beseitigung von Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr und/oder Wiederholungsgefahr. Was bei dir der Haft­grund ist, steht im Haftbefehl. Sitzt du also wegen Fluchtgefahr ein, so darf eine Beschränkung nicht damit begründet werden, es bestünde Verdunklungsgefahr. Steht die Anklageschrift schon, so kannst du deine Beschwerde auch so be­gründen:

"Da die Ermittlungen gegen mich schon abgeschlossen sind, kann eine Verdunklungsgefahr nicht mehr vorliegen"


Das gleiche gilt, wenn bei dir alles klar ist, weil du etwa das Pech hattest, "inflagranti" erwischt zu werden oder du — aus welchen Gründen auch immer — „reinen Tisch" gemacht hast. Wegen einer völlig abstrakten Gefährdung — sei es von Sicherheit und Ordnung oder des Haftzwecks — dürfen keine Verbote oder Beschränkungen ausgesprochen werden. Aber gerade das geschieht dauernd: Da wird das eigene Radio zur „möglichen Ordnungsstörung", das Zeichenlineal zur „möglichen Waffe", die Schreibmaschine zum „möglichen Produktionsmittel zur Herstellung von zur Meuterei aufrufenden Flugblättern". Solange du nicht vorher regelmäßig mit Linealen auf Beamte losgegangen bist etc., ist ein derartig begründetes Verbot absolut rechtswidrig. Und selbst wenn du es getan hättest, so müßte dir zumindest der Besitz eines weichen Plastiklineals erlaubt sein (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Steht in einer Ablehnungsbegründung nur: "....stellt eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung dar", ohne dass dies näher begründet wird, so ist dies nicht nur rechtswidrig, sondern auch unverschämt, weil du Gründe, die du nicht kennst, auch nicht widerlegen kannst. Du schreibst dann am besten:

Da der_die Haftrichter_in(die Anstaltsleitung)in der Ablehnung meines Antrags auf ... nicht in der Lage war, konkrete Anhaltspunkte zu benennen, die auf die angebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung (bzw. des Haftzwecks) schließen lassen, ist die Ablehnung meines Antrags nicht haltbar.

Nennt der_die Haftrichter_in/die Anstaltsleitung nähere Gründe, so musst du auf diese eingehen und sie zu widerlegen versuchen. Das ist oft gar nicht so schwer, weil die Verbotsbegründungen nicht selten völlig unsinnig und unlogisch sind. Ein Tauchsieder eignet sich nun mal nicht als Ausbruchswerkzeug oder was es sonst noch an absurden Begründungen gibt. Aber vergiß nicht, du hast es hier mit Juristen_innen zu tun und auch die Be­schwerdeinstanz besteht aus Juristen_innen. Und in der Denkensweise von Juristen_innen finden Logik und Vernunft kaum Platz.


Das Grundgesetz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Jede Maßnahme im Knast greift in mehrere Grundrechte ein. Nach dem Grundgesetz dürfen die meisten Grundrechte eingeschränkt werden; als so heilig werden sie nun auch wieder nicht angesehen. Aber sie dürfen nicht „verletzt" werden. Das passiert immer dann, wenn das Grundrecht des_der Gefangenen, in das eingegriffen wird, „schwerer wiegt" als der Zweck, der damit erreicht werden soll. Wann nun der Zweck die Mittel heiligt, ist natürlich nicht objektiv mess­bar. Es richtet sich immer nach den Interessen desjenigen, der die Macht hat, dies festzulegen. So ist nach Meinung der Richter_innen und der Anstaltsleiter_innen in der Regel die „Sicherheit und Ordnung" in der Anstalt, die „Sicherung der Strafverfol­gung" oder gar der „Schutz der Gemeinschaft vor dem Rechtsbrecher" allemal wichtiger, als die Grund- und Menschenrechte der Gefangenen: Freiheit, körperliche Unversehrtheit, Meinungs- und Informationsfrei­heit, Schutz von Ehe und Familie, Rechtsstaatsgarantien und vieles mehr. Du selbst kannst immer damit argumentieren, daß eine Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel verstößt, wenn wegen der Befürchtung einer lächerlichen „Störung" deine Grund- und Menschenrechte nicht nur eingeschränkt sondern außer Kraft gesetzt werden und dabei oft genug nicht wiedergutzumachende Nachteile und Schäden verursacht und in Kauf genommen werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutet auch, daß — auch wenn der Zweck „heilig" ist — stets nur das „mildeste" Mittel gegen dich ein­gesetzt werden darf. Wenn also der „begründete Verdacht" besteht, daß ein_e bestimmte_r Freund_in von dir bei einem Besuch versuchen würde, verbotene Sachen in den Knast zu schmuggeln, so darf dann nicht etwa der Besuch verboten werden, weil die Gefahr einer Übergabe verbotener Gegenstände ja auch durch Besucher_innenüberwachung oder Durchsuchung vor oder nach dem Besuch beseitigt werden kann. Hier sieht man aber, daß es manchmal nicht ganz unproble­matisch ist, mit der UnVerhältnismäßigkeit einer Maßnahme zu argumentieren: Du wehrst dich einerseits gegen eine Beschränkung, „bittest" aber gleichzeitig indirekt, daß ein anderer Eingriff vorgenommen wird, der vielleicht „müder" aber eben auch erniedrigend ist. Es ist deshalb immer besser, sich darauf zu konzentrieren, eine Maßnahme als Verstoß gegen eine Vorschrift oder als völlig unbegründet anzugreifen und die Unverhältnismäßigkeit nur als zusätzliches Argument anzuführen. Du schreibst dann also:

1.Die Maßnahme ist rechtswidrig, da eine völlig abstrakte, an den Haaren her­beigezogene Gefährdung von "Sicherheit und Ordnung" (bzw. des Zwecks der U-Haft) einen solchen Eingriff nicht rechtfertigen kann.

2.Die Maßnahme ist völlig unbegründet, weil die angeführten Tatsachen, die an­geblich eine konkrete „Gefahr" darstellen, einfach nicht stimmen (an dieser Stelle Unterstellungen, falsche Behauptungen richtigstellen und wenn möglich Beweismittel benennen, z.B. Mitgefangene als Zeugen).

3.Im übrigen wäre die Maßnahme selbst dann rechtswidrig, wenn die oben wider­legten Behauptungen und Unterstellungen zutreffen wurden, da der Eingriff dann gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

So etwa kann fast jede Beschwerde, jeder Antrag auf gerichtliche Entschei­dung, aufgebaut werden. Natürlich muß man das Ganze dann noch mit den konkreten Dingen, um die es geht, ergänzen.


Anträge und Beschwerden von draußen

Jede_r, der_die von einer Verfügung des_der Haftrichters_in persönlich betroffen ist, hat ein eigenes Beschwerderecht. Freunde und Angehörige können sich von draußen selbst an den_die Haftrichter_in mit Anträgen wenden und Beschwerde (§ 304 ff. StPO) gegen die Ablehnung ihres Antrages einlegen. Persönlich betroffen sind sie in der Regel bei Besuchsyerboten, Anhalten von Briefen und Paketen, bei allem, was den Kontakt zwischen ihnen und den Gefangenen berührt. Gerade bei angehaltenen Briefen, die von draußen abgeschickt wurden, sollten die Absender selbst Rechtsmittel einlegen, weil ja nur sie den Inhalt des Briefes kennen und entsprechend argumentieren können. Wenn du also einen Anhaltebeschiuß bekommst, schreib an den_die Absender_ib des Briefes, dass er_sie sich auch beschweren soll. Wenn er_sie nicht weiß, wie man das macht, empfiehl ihm_ihr dieses Buch.

Bevor wir nun einige Musterbeispiele bringen, hier noch eine Erklärung der verwendeten Abkürzungen, um die man in juristischen Sachen kaum herumkommt:

Abs.= Absatz

Art.= Artikel

BVerfG: Bundesverfassungsgericht

BVerfG 19, 347= Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Band 19, Seite 347

DriZ= Deutsche Richterzeitung

Wendisch in= Kommentar zur StPO (der größte) zitiert nach

GA= Goltdammer's Archiv für Strafrecht, zitiert nach Jahr und Seite

GG= Grundgesetz

Grunau= Kommentar zur U-Haftvollzugsordnung in Verbindung mit

MDR= Monatszeitschrift für Deutsches Recht zitiert nach Jahr und Seite

NJW= Neue Juristische Wochenschrift zitiert nach Jahr und Seite

OLG= Oberlandesgericht

Rdnr.= Randnummer (im Gesetzeskommentar)

StPO= Strafprozessordnung

StVollzK= Strafvollzugskammer

UVollzO= Untersuchungshaftvollzugsirdnung

vgl.= vergleiche

Für die nun folgenden Musterbegründungen ist in der Regel der_die Haftrichter_in der_die Adressat_in, ob sie nun als Antrag oder als Beschwerde formuliert werden. Wenn du sie auch an den_die Anstaltsleiter_in richten sollst, haben wir das dazugeschrieben. Der kursiv gedruckte Text kann, wenn er zu deiner Situation paßt, direkt in deine Anträge oder Beschwerden eingebaut werden. Zu folgenden Problempunkten findest du Musterbegründungen:

1. Schreibmaterialien

2. Schreibmaschine

3. Fernseher

4. Kassettenrekorder / Plattenspieler

5. Sonstige Gegenstände, „Bequemlichkeiten"

6. Einkaufsbeschränkungen

7. Paketempfang

8. Ausführung aus der Anstalt

9. Besuche

10. Anhalten von Briefen

11. Bücher, Zeitschriften

11.a. Medizinische Versorgung

11.b. Aufenthalt im Freien

11.c. Geld

12. Sicherheitsmaßnahmen

13. Hausstrafen

14. Anordnungen des Staatsanwalts


1. Schreibmaterialien


Man wendet sich hier zunächst mal an den_die Anstaltsleiter_in mit einem sogenannten "Anliegen" oder "Vormelder".

Ich verlange hiermit, nachdem ich mich mit diesem Anliegen bereits dreimal mündlich an den Beamten...gewandt habe, dass mir unverzüglich Schreibmaterialien (Papier: mindestens 20 Blatt, Briefumschläge: 10 Stück, ein Kugelschreiher) zur Verfügung gestellt werden, wie es Nr. 29 Abs. I UVollzO bestimmt.


2. Schreibmaschine


Jeder Gefangene darf eine Schreibmaschine gebrauchen, ohne ein besonderes Bedürfnis nachweisen zu müssen (vergl. Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 StPO Rdnr. 113 mit weiteren Nachweisen)

Will der_die Haftrichter_in dir die Maschine verweigern, muss er_sie für dich als Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorbringen, daß du durch missbräuchliche Verwendung der Maschine den Zweck der U-Haft oder die Ordnung der Anstalt gefährden wirst! (BVerfGE 35,10). Ein allgemeines Blabla über die Gefährdung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt langt nicht.

Die Verweigerung der Genehmigung, eine Schreibmaschine in der Zelle zu besitzen, ist verfassungswidrig. Wenn in dem ablehnenden Beschluß pauschal behauptet wird, eine Schreibmaschine in meiner Zelle würde die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährden, so ist dies

1. völlig abwegig, da eine Schreibmaschine hierzu gar nicht geeignet ist und

2. auch schon deshalb rechtswidrig, weil die abstrakte Befürchtung, man könnte mit einer Schreibmaschine etwas Gefährliches tun, für eine Ablehnung ohnehin nicht ausreicht (OLG Düsseldorf MDR 1982, 1041).

Dies gilt grundsätzlich auch für elektrische und elektronische Schreibmaschinen, ist dort jedoch noch umstritten:

Wenn befürchtet wird, dass Teile des Gerätes zum Senderbau verwendet werden könnten, beantrage ich, das Gerät auf meine Kosten auswärtig untersuchen und dann verplomben zu lassen (Baumann in Strafverteidiger 1985, 294).


3. Fernseher


Aus Artikel 5 Abs. I Grundgesetz ergibt sich, dass es dem Untersuchungsgefangenen freistehen muss, welche Informationen er sich beschafft und welche Informations­quellen er dazu benutzt. Das Fernsehen nimmt dabei ein besonders herausragende Stellung ein; es wird im normalen Leben als notwendiges Informationsmittel betrachtet. Verschiedenen Kommentarsendungen, Dokumentarberichte und politische Magazine liefert nur das Fernsehen. Sie können auch nicht etwa durch Zeitungen ersetzt werden. Als „Bequemlichkeit", die ich im U-Haftvollzug beanspruchen kann, muß mir daher die Benutzung eines eigenen Fernsehers erlaubt werden (vergl. OLG Hamburg MDR 1969, 328; OLG Hamm GA 1972, 187; ebenso Dünnebier in Löwe-Roseaberg §119 Rdnr. 114).

Neben dem allgemeinen Informationsrecht kann als besoderer Grund für die Benutzung eines Fernsehers auch z.B. die Teilnahme an einem Telekolleg oder an Sprachlehrsendungen genannt werden.


4. Kassentenrecorder, Plattenspieler,Walkman


Kassettenrekorder sind zulässig, wenn Gefangene sie in begründeten Einzelfällen ernsthaft zur Erlernung einer Fremdspracbe benutzen wollen (OLG München, Beschluß v. 24.8.1973 — l Vas 66/73; OLG Frankfurt, Beschlußv. 25.l.l974 — 3 Vas 153/73).

Die Benutzung eines sog. Walkman zum Abspielen von Sprachkassetten stellt keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt dar (OLG Koblenz v. 22.5.1985 1 Ws 277/85).

Um die Gefährdung des Haftzwecks und der Sicherheit der Anstalt zu verhindern, darf der_die Haftrichter_in den Aufnahmeteil des Gerätes kaputt machen lassen. Kassetten kann man direkt im Fachhandel durch Vermittlung der Anstalt beziehen, was der Anstaltsleitung die Kontrolle erspart. Die gleichen Gründe kannst du für den Plattenspieler anführen.


5. Sonstige Gegenstände, "Bequemlicheiten"


Man richtet, wie bei den bisherigen Mustern, immer, wenn man irgendetwas be­sonderes haben will, einen Antrag auf Genehmigung an den_die Haftrichter_in. Bleibt der Antrag erfolglos, schreibt man eine Beschwerde an den_die Haftrichter_in gemäß §§ 304 ff. StPO. Du kannst im Prinzip alies versuchen — von Musikinstrumenten bis zu Zimmer­pflanzen. Aber auch bei der besten Begründung wirst du sehr oft die Genehmigung nicht bekommen.

Nach § 119 Abs. 4 StPO muß mir der Besitz des beantragten Gegenstands in meiner Zelle genehmigt werden, da dem weder die Raumverhältnisse entgegenstehen noch ein übermäßiger Aufwand mit der Beschaffung und Überlassung des Gegenstands verbunden ist. Nur dann, sodas Bundesverfassungsgericht in NJW 1973, 1363, darf der Besitz auf der Zelle versagt werden.

Falls dein Antrag unter Hinweis auf die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder auf den Zweck der Untersuchungshaft abgelehnt wurde, so lies die einleitenden Worte dieses Abschnitts (vor Musterbegründung Nr. 1). Als unproblematisch gilt dagegen neuerdings die Beschäftigung mit einer bereits vorhandenen Briefmarkensammlung (OLG Koblenz v. 18.7.1984 - 2 Vas 12/84). Ebenso darf man eigenes Essgeschirr, Tischdecke, eigene Bettwäsche etc. von zu Hause kommen lassen und muss die Sachen nicht "durch Vermittlung der Anstalt" neu kaugen (OLG Hamm 22.11.84 - 1 Ws 289/84).


6. Einkaufsbeschränkungen


Sie werden oft von der Anstaltsleitung generell festgelegt. In der U-Haftvollzugsordnung heißt es, daß sich Zusatznahrungs- und Genußmittel „im Rahmen einer vernünftigen Lebensweise"halten sollen (Nr. 51 UVollzO). Davon abgesehen, daß eine „vernünftige Lebensweise" so ziemlich das Gegenteil von dem ist, was im Knast, überhaupt möglich ist: die U-Haftvollzugsordnung ist nur eine Empfehlung an den Haftrichter, kein Gesetz. Du schreibst also:

Der Einkauf darf niemals durch den Anstaltsleiter beschränkt werden (OLG Düsseldorf NJW 1969, ISO; Dünnebier in Löwe-Rosenberg § II9Rdnr. 131} auch wenn es zehnmal in der Hausordnung steht. Das macht die Beschränkung auch nicht rechtmäßiger.

Wende dich nicht nur an die Anstaltsleitung sondern vor allem an den_die Haftrichter_in, denn das ist sein_ihr Zuständigkeitsbereich. Verlange von ihm_ihr, dass er_sie einschreitet.


7. Paketempfang


Nr. 39 UVollzO verweist für den Paketempfang in der U-Haft auf die Strafhaft; vgl. also dort Abschnitt 24.2. Muster Nr. 12. Wenn du mehr als drei Pakete pro Jahr haben willst, kannst du es zuerst mal bei dem_der Anstaltsleiter_in probieren. Wenn der deinen Antrag ablehnt, wendest du dich an deinen Haftrichter, denn er ist eigentlich zuständig.

Die Beschränkung auf drei Pakete pro fahr, entspricht nicht dem Gesetz (§ 119 Absatz 4 StPO), das mir „ Bequemlichkeiten" garantiert (vgl. Dünnebier in Löwe-Rosenberg§ 119 Rdnr. 18). Hier fügst du die Begründung zu „Bequemlichkeiten" (Muster Nr. 5) ein, und weiter:

Die Beschränkung auf drei Pakete pro fahr übersieht, wie gerade durch die Pakete mit ihrem Inhalt Erinnerungen geweckt und auf diese Weise die Verbindung nach draußen aufrecht erhalten wird. Diese Beschränkung löscht die Bequemlichkeits­garantie des § 119 Absatz 4 StPO aus und verkennt die zerstörerischen Bedingungen der U-Haft, die, will man.dem Gesetz folgen, verhindert werden müssen. Die Beschränkung auf drei Pakete pro fahr übersieht, wie gerade durch die Pakete mit ihrem Inhalt Erinnerungen geweckt und auf diese Weise die Verbindung nach draußen aufrecht erhalten wird. Diese Beschränkung löscht die Bequemlichkeits­garantie des § 119 Absatz 4 StPO aus und verkennt die zerstörerischen Bedingungen der U-Haft, die, will man.dem Gesetz folgen, verhindert werden müssen. Die Behauptung, daß zusätzliche Pakete eine Gefährdung von. Sicherheit und Ordnung der Anstalt bedeutet ist absurd, da meine Pakete ja eh bis ins letzte Detail gefilzt werden. Aus diesen Gründen beantrage ich pro Monat zwei Pakete mit Eßwaren und Toilettenartikeln empfangen zu können, wie es im Urteil vom OLG Frankfurt für im Rahmen des von der Anstalt zu verkraftenden erachtet wird (OLG Frankfurt vom 20.11.72 — J WS 393/72 —). Im übrigen kann gegen das Argument, der Personalaufwand dafür sei zu hoch, nur auf die Entscheidung BVerfGE 15, 269 verwiesen werden.


8. Ausführung an Plätze außerhalb der Anstalt


Sie sind zulässig, wenn wichtige und unaufschiebbare Angelegenheiten persönlicher Art, zum Beispiel Krankheitsfall in der Familie, Beerdigung, oder geschäftlicher Art die Anwesenheit des Verhafteten erforderlich machen (Nr. 41 Abs. 2 UVollzO)

Mein Ausführungsantrag ist berechtigt, weil... (Grund für die Ausführung). Das Ausführen gehört zu den Fürsorgepflichten gegenüber dem Verhafteten. Der Staat muß dazu Personal zur Verfügung stellen. Demzufolge ist Mangel an Bewachungs­personal kein Grund, berechtigte Ausführungsanträge abzulehnen (BVerfGE 15, 296).

Stelle den Antrag bei dem_der Anstaltsleiter_in, mit der Bitte, die nach Nr. 41 UVollzU nötige Zustimmung des_der Haftrichter_in herbeizuführen.


9. Besuch


Die Besuchsregelung der Nrn. 24 ff. UVollzO ist sehr eng. Wenn du längere Besuchszeiten und mehr Besuch haben willst, argumentiere ruhig gegen Hausordnung und gegen die U-Haftvollzugsordnung; es sind keine heiligen Kühe — nicht mal ordentliche Gesetze. Lies dazu die Vorbemerkungen zu Beginn des Abschnitts (vor Muster Nr.1). Die folgenden Probleme tauchen immer wieder auf:

a) Angehörigenbesuch

b) Dauerbesuchserlaubnis

c) Besuchsverbote

d) Trennscheibe

e) Kosten der Besuchsüberwachung

a) Angehörigenbesuche

Wenn die Angehörigen sehr weit weg wohnen: Gemäß BVerfGE 42, 10 muss es für die Vollzugsanstalt zumutbar sein, Besuchs­gelegenheiten außerhalb der allgemeinen Besuchstage zu schaffen. Außerdem steht das auch in Nr. 24 Abs. 2 Satz 2 der UVollzO

Bei Ablehnung von Angehörigenbesuchen (gilt auch für Verlobte):

Die Ablehnung des Besuchs von nahestehenden Personen, wie etwas des Ehepartners oder eines anderen Familienangehörigen bedarf schwerwiegender Gründe (BVerfGE 42, 102). Mein Verlobter (meine Verlobte) - wie man sich denken kann - sehr nahe.

Du hast einen Anspruc auf einen unbewachten Besuch von eine_m_er Angehörigen, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des aftzwecks oder der Anstaltsordnung vorliegen (OLG Frankfurt v. 15.8.1983 in Strafverteidiger 1983, 465).

b) Dauerbesuchserlaubnis

Soll für eine Person deines Vertrauens eine Dauerbesuchserlaubnis erteilt werden, dann müssen "besondere Umstände" in dem Antrag aufgeführt werden, die eine solche Erlaubnis rechtfertigen.

c) Besuchsverbote

Du willst von bestimmten Leuten Besuch haben, die aber vom Besuch ausgeschlossen sind. Du kann st die dafür sinnvollen Teile der folgernden Begründung übernehmen.

Beschränkungen durch den_die Haftrichter_in sind nur dann zulässig, wenn im konkreten Fall der Besuch eine reale Gefährdung der Ordnung in der Anstalt oder des Haftzwecks bedeutet (BVerfGE 35, 321). Dies ist aber schon deshalb nicht gegeben, weil die Besuche ja ohnehin überwacht werden. Im übrigen dient der beantragte Besuch der Erledigung unaufschiebbarer persön­licher (bzw. rechtlicher oder geschäftlicher) Angelegenheiten, die ich nicht schrift­lich oder durch Dritte regeln kann. Insofern gebietet auch die U-Haftvollzugsordnung in Nr. 2 die Genehmigung des zusätzlichen Besuchs.

Du willst dich mit dem_der Gefangenen X treffen:

Nach der Entscheidung des OLG Hamburg (NJW 1965, 364) ist es mir erlaubt, den_die Gefangene_n X, der sich in derselben Anstalt befindet wie ich, unter denselben Voraussetzungen zu besuchen, unter denen ich es könnte, wenn ich in Freiheit wäre.

d) Trennscheibe

Der Besuch, den du empfängst, darf nur dann in einem Trennscheibenraum stattfinden, wenn es "besondere Anhaltspunkte" gibt, dass du dieses Besuchsrecht zu einer unerlaubten Handlung missbrauchen wirst. Gibt es derartige Anhaltspunkte nicht, hast du das Recht auf einen normalen Besucherraum (OLG Celle v. 11.12.1980 NStZ 198/196; OLG Celle v. 16.2.1981, MDR 1981, 515).

e) Kosten der Besuchsüberwachung

Die Kosten der gerichtlich angeordneten Besuchsüberwachung durch einen Dolmetscher sind nicht von dir zu zahlen, sondern von der Staatskasse zu erstatten (OLG Frankfurt v. 15.11.1983 Strafverteidiger 1984, 427; OLG Frankfurt v. 30.8.1985 Strafverteidiger 1986, 24.


10. Anhalten von Briefen


Hiergegen können immer sowohl der_die Gefangene als auch der_die Briefpartner_in draußen vorgehen. Die folgenden Probleme tauchen im Briefverkehr nach draußen immer wieder auf:

a) Beeinträchtigung des Strafverfahrens

b) Grob beleidigender Inhalt

c) Unrichtige Darstellung der Verhältnisse in der Anstalt

d) Anhalten ohne Begründung

e) Wenn die Anstalt deine Post öffnet

f) Besondere Argumentation für Verheiratete

g) Beschränkung des Briefverkehrs


a) „Beeinträchtigung des Strafverfahrens" (Nr. 34 Abs. 1 Nr. 2 UVollzO)

Wenn der_die Richter_in Verdunklungsabsichzen oder Fluchtvorbereitungen in den Briefen wittert, wird er_sie den Brief „anhalten", wobei ihm_ihr die herrschende(!) Meinung recht gibt. Eine nicht weiter ausgeführte „Beeinträchtigung des Strafverfahrens" (oder ähnlich nichtssagende Begründungen) reicht jedoch nicht aus, um den Brief zu kassieren. Geschieht dies doch, kannst du dich wie folgt beschweren:

Da mein Brief weder die Gefahr begründet, daß ich mich dem Strafverfahren ent­ziehen werde, noch die Ermittlung der Wahrheit erschwert, ist er im Hinblick auf das laufende Strafverfahren nicht zu beanstanden (vgl. Dünnebier in Lövte-Rosenberg §119 Rdnr. 93). Die lapidare Behauptung, der Brief bedeute eine „ Beeinträchtigung des Strafverfahrens" ist nochlange kein Grund, einen Brief nicht zu befördern, da der Begriff zu unbestimmt ist (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr.92).

Einige Kommentatoren sind der Ansicht, nur wenn Verdunklungsgefahr Haftgrund sei, sei eine Briefkontrolle notwendig. Wenn Verdunkiungsgefahr nicht in deinem Haftbefehl steht, kannst du also auch noch schreiben:

Da Verdunklungsgefahr bei mir laut Haftbefehl nicht vorliegt, war zum einen die Briefkontrolle unzulässig, zum anderen kann der Brief unmöglich aus diesem Grund angehalten werden (Lobe-Alsberg, § 116 I 1; Klee GA 55, 278; Seebode, 118).

Die Wahrscheinlichkeit, daß der_die Richter_in hier einer anderen Rechtsmeinung anhängt, ist hier allerdings besonders groß. Schaden kann jedoch sowas nie. Übrigens: "Fluchtvorbereitungen werden kaum mit Briefen betrieben, sondern mit Kassibern" (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 93).

b) "Grob beleidigender Inhalt"

Solange ein beleidigender Brief die Ordnung der Anstalt nicht gefährdet, ist er weiterzuleiten (vgl. Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 103). Ein beleidigender Brief kann aber praktisch niemals die Ordnung in der Anstalt — was auch immer das sei— irgendwie beeinträchtigen. Die Ansicht, die Ordnung in der Anstalt sei gefährdet, wenn der Inhalt des beleidigenden Briefes in der Anstalt besprochen wird und dadurch andere Gefangene zu einem Verhalten veranlaßt werden, das die Ordnung in der Anstalt konkret gefährdet, ist wirklichkeitsfremd. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es gerade umgekehrt der Akt des Eingreifens durch Weiterleitungsversagung oder gar Beschlagnahme, der den Mitteilungswunsch des Untersuchungsgefangenen über diesen Vorfall und seinen Grund, also den Briefinhalt, geradezu provoziert. (B VerfGE 33, 14; Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119, Rdnr. 104 Natürlich kannst du auch bestreiten,daßder Brief überhaupt Beleidigungen enthält.

c) "Unrichtige Darstellungen der Verhältnisse in der Anstalt

Deine Argumentation muß zunächst erklären, daß deine Aussagen über die Verhält­nisse in der Anstalt weder „grob unrichtig" noch „erheblich entstellend" sind (Nr. 34 Abs. 2 Satz 1 UVolizO). Du kannst die Musterbegründung von b) abgewandelt übernehmen.

Ein Brief kann nicht allein deshalb beanstandet werden, weil dieser sich kritisch mit Ereignissen der Justizvollzugsanstalt befasst. (OLG Hamm NStZ 1981, 454).

Wichtige Informationen solltest du auf alle Fälle deine_r_m Rechtsanwält_in mitteilen, dieser Brief darf nicht überwacht oder angehalten werden (Nr. 37 Absatz 1 und Nr. 34 Absatz 3 UVollzO). Kündige an, daß du in Zukunft deine Berichte über die Zustände in der Anstalt gleich direkt an das Landesparlament (Petitionsausschuß) übersenden wirst. Petitionen dürfen nicht geöffnet oder gar angehalten werden.

d) Anhalten ohne Begründung

Als Untersuchungsgefangene_r habe ich das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen (Nr. 28 UVollzO; OLG Hamm MDR 1974, 248). Eine Überwachung des Briefverkehrs darf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, welches als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt ist, nicht verletzen.Ein Eingriff der zudem nicht begründet wird, ist außerdem ein schwerer Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Es handelt sich bei dem diesem Beschluß zugrundeliegenden Brief um ein Schreiben, das weder unleserlich ist, noch sich in unzulässiger Weise mit der Straftat beschäftigt, noch entstellende Behauptungen über Verhältnisse in der Anstalt enthält. Insofern bin ich daruch, dass der Brief nicht weitergeleitet wurde, in dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit ohne gesetzlichen Grund verletzt und beantrage die sofortige Weiterleitung des Briefes.

Man kann mit dieser Argumentation auch versuchen, langsam zensierende Richter_innen und Staatsanwälte_innen anzuspornen.

e) Wenn die Anstalt deine Post öffnet

oder dir für deine abgehende Post keinen Begleitumschlag gibt:

Nur der Richter oder der Staatsanwalt {vgl. Nr. 3 UVollzO) ist zur Kontrolle der Briefe berechtigt (Nr. 30, 32, 33 UVollzO). Eine weitergehende Verletzung des Briefgeheimnisses ist gemäß Artikel 10 Abs. 1 GG unzulässig.

f) Besondere Argumentation, wenn du verheiratet bist

Gerade unter Ehegatten muß es zur Aufrechterhaltung der ehelichen Verbindung möglich sein, die Dinge genauso zu schildern, wie man sie empfindet, mögen diese Wertungen auch als unsachlich betrachtet werden (BVerfGE 35, 40). Insofern bin ich in meinem Grundrecht aus Art. 2, Abs. 1 und Art. 6 Abs. I, (das den Briefverkehr mit der Familie umfaßt — Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 82) in Verbindung mit Art. 1, Abs. 2 verletzt (BVerfG NJ W76, 1629) und beantrage die Aushändigung/Weiterleitung des Briefes.

g) Beschränkung des Briefverkehrs

Eine allgemeine Beschränkung des Briefverkehrs wegen Uberwachungsgefährdung ist wegen des darin liegenden Verstoßes gegen § 119, Abs. 3 StPO schlechthin unzu­lässig (Grünau, Der Untersuchungsgefangene in Theorie und Praxis, DRiZ i960, S. 396). Es ist nicht anzuerkennen, daß die Ordnung der Anstalt durch „übermäßigen" Briefverkehr beeinträchtigt wird. Eine anderslautende Auffasssung ist rechtsfehlerhaft. Eine Arbeitsüberlastung berechtigt den Richter bzw. Staatsan­walt weder dazu, Dienstaufgaben nachdem Grad dessen, was ihm angenehm ist, zu erfüllen, noch zu Rechtseingriffen bei Dritten. Es ist grundsätzlich Sache der Justiz, wie sie diese Eingriffe arbeitstechnisch bewältigt. Bereits am 19.2.1963 hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, daß „Schwierigkeiten bei der Überwachung Lästigkeiten sind, die grundsätzlich hinge­nommen werden müssen, denn die Grundrechte bestehen nicht nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen üblicherweise vorhanden oder an Ver­waltungsregeln vorgegeben ist." (BVerfGE IS, 188). Die allgemeine Beschränkung des Briefverkehrs ist daher rechtswidrig und sofort aufzuheben.


11. Zensur von Büchern und Zeitschriften


Solange bestimmte Bücher, Zeitungen und Zeitschriften nicht gegen ein Strafgesetz verstoßen, müssen sie ausgehändigt werden. Da daß Buch (die Zeitung) ... nicht verboten ist, liegt dieser Fall offensichtlich nicht vor. Davon abgesehen ist keine Geschmacks- oder politische Zensur statthaft. Ich kann in diesem Zusammenhang nur auf folgenden Beschluß des OLG Celle vom 7.4.1976 (WS 127/76) verweisen: „Allgemein zugängliche Informationsträger stehen gemäß Art.5 Abs. I Satz 1 des Grundgesetzes jedem offen". So auch BVerfGE 15, 288, 295: „Der Senat vermag den vorliegenden Ausgaben der Zeitung keine wichtigen Anhaltspunkte für die Besorgnis zu entnehmen, durch die Aushändigung werde Unruhe unter den Häftlingen gestiftet und somit die Ordnung der JVA beeinträchtigt. Dafür genügt es nicht schon, dass die Zeitung ein Sprachrohr linksextremer Gruppen und generell dazu bestimmt ist, den Kampf gegen die freiheitliche Ordnung der BRD — auch in den Justizvollzugsanstalten, deren Insassen kostenlos beliefert werden — zu propagieren." Selbst wenn schließlich — aus welchen Gründen auch immer — der beanstandete Artikel zurückgehalten werden könnte, so ist die Nichtausbändigung der gesamten Zeitschrift völlig unverhältnismäßig. Es ist anerkannt, daß nur der beanstandete Artikel aus einer Zeitschrift entfernt werden darf (vgl. OLG Hamburg MDR 1965,1010; Grünau, UVollzO, Nr. 45, Rdnr. 5).

Zu den Anhaltegründen "Gefährdung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt" lies die Ausführungen in der Vorbemerkung zu diesem Abschnitt (vor Muster Nr.1). Im übrigen: sogenannte einfache pornographischen Schriften müssen dir ausgehändigt werden, wenn du ein "normal" veranlagter Mensch und diesbezüglich noch nicht negativ in Erscheinung getreten bist. Allgemeine Hinweise wie "erfahrungsgemäß sei zu erwarten, dass die Hefte in der Anstalt gegen unangemessenes Entgeld in Umlauf gesetzt und dadurch Abhängigkeiten zwischen den Gefangenen geschaffen würden" reichen nicht aus, um dir diese Art von Pornos zu verweigern (OLG Hamm v. 16.9.1981 - 5 Ws 162/81). Anders liegt das bei den sogenannten harten Pornos; die kriegst du nicht.


11 a. Medizinische Versorgung


Sie erfolgt normalerweise durch den_die Anstaltsärzt_in. Du kannst aber bei dem_der Anstaltsleiter_in beantragen, auf eigene Kosten durch eine_n andere_n Ärzt_in untersucht oder behandelt zu werden. Darauf hast du einen Anspruch, solange dadurch nicht der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt gefährdet wird (§ 119 Abs. 3 StPO). Völlig anerkannt ist dies für den Zahnarzt. Da brauchst du dich nur auf NR. 56 Abs. 2 UVollzO zu berufen. Aber auch sonst kannst du immer wie folgt argumentieren:

Ich möchte auf eigene Kosten durch eine_n Ärzt_in meines Vertrauens untersucht/behandelt werden. Wenn der Anstaltsarzt meint, dass dies nicht nötig sei, dann ist dem entgegenzuhalten, dass es darauf nicht ankommt. Das Verlangen eines Untersuchungsgefangenen, durch eine_n Ärzt_in seines_ihres Vertrauens auf eigene Kosten untersucht zu werden, unterliegt nur aus den ini § 119 Abs. 3 aufgeführten Gründen der Beschränkung (OLG Köln Strafverteidiger 1985, 21; Wendisch in Löwe-Rosenerg § 119 Rdnr. 130 m.w.A.).


11 b. Aufenthalt im Freien/Hofgang


Nr. 55 UVollzo regelt, dass dir ein Hofgang zusteht (mindesten eine Stunde täglich). Willst du eine Verlängerung des Hofgangs beantragen, kannst du wie folgt argumentieren:

Durch die bisherige Freiheitsentziehung ist mein körperliches und seelisches Wohlbefinden auf das äußerste beeinträchtigt worden. Um eine weitergehende Normalisierung meines Gesundheitszustandes zu erreichen, ist eine Verlängerung meines Hofgangs erforderlich. Insbesondere würde sich eine Verlängerung auf den Zweck der U-Haft sowie auf die Ordnung in der Vollzugsanstalt nicht negativ auswirken.


11 c. Geld


Die Geldbeträge, die ich zu meiner laufenden Unterstützung vom meine_r Frau_Mann erhalten habe, sind nicht pfändbar, da es sich um Einkünfte im Sinne von § 850 b Abs. 1 Nr. 3 ZPO handelt (LG München NStZ 1982, 437).


12. Sichheitsmaßnahmen


Allein die Tatsache, dass irgendeine Gefahr „ denkbar" ist, reicht nicht aus, um die angeordneten gewaltigen und gewalttätigen Sicherheitsmaßnahmen (Fesselung, strenge Einzelhaft, Ausschluß von Gemeinschaftsveranstaltungen, Besuchsverbot, häufige Zellen- und Körperkontrollen etc.) zu rechtfertigen (vgl. OLG Oldenburg NJW 1975, 2219). Die Maßnahmen sind darüberhinaus mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, da die angebliche Gefahr derart einschneidende Eingriffe gar nicht erforderlich macht. Die Sicherheitsmaßnahmen greifen derart in meine körperliche und psychische Integrität ein, daß ich schon jetzt an Gesundheitsbeschwerden und Konzentrations-. Störungen zu leiden habe. Dadurch sehe ich mich daran gehindert, mich mit der erforderlichen Intensität auf meine Verteidigung vorzubereiten. Darüberhinaus ist meine Verhandlungsfähihkeit gefährdet. Der unerträgliche Zustand, die unmenschlichen Haftbedingungen, denen ich zur Zeit ausgesetzt bin, können letztendlich zu dauerhaften Schäden führen, wenn die Anordnung der besonderen Sicherheitsmaßnahmen nicht unverzüglich zurückge­nommen wird.

Lies hierzu auch die Vorbemerkung zu diesem Abschnitt (vor Muster Nr. 1). Sicherheitsmaßnahmen werden nicht selten von der Anstaltsleitung völlig eigen­mächtig durchgeführt, obwohl das eigentlich in den Zuständigkeitsbereich des_der Haftrichters_in fällt, soweit es beonders gegen dich gerichtete Maßnahmen sind. Verlange vom Haftrichter, daß er eingreift. Vielleicht gelingt es dir einen Konflikt zwischen den beiden Mächten — Haftrichter und Anstaltsleiter — vom Zaun zu brechen.


13. Hausstrafen


Hausstrafen sind in der U-Haft eigentlich immer illegal, denn es gibt kein Gesetz, daß es erlaubt U-Gefangene für „ungebührliches Verhalten" zu bestrafen (die U-Haftvollzugsordnung ist kein Gesetz). Nach herrschender Meinung sind sie trotzdem erlaubt. Aber es ist allein Sache des_der Haftrichters_in. Er kann zwar die Ermittlungen an die Anstalt delegieren, die Anstalt darf dich aber niemals eigenmächtig bestrafen (OLG Celle NJW 1951,676; OLG München 1956,316). Wenn das doch passiert, dann wende dich sofort an den_die Haftrichter_in. Du kannst es auch mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung probieren {§23 EGGVG;lies Abschnitt 23.1.). Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den_die Anstaltsleiter_in kann auch nichts schaden (siehe Abschnitt 26.1.). Hast du die Hausstrafe schon hinter dir:

Zwar habe ich die Hausstrafe schon hinter mir, trotzdem besteht noch ein Rechtsschutzbedürfnis, dass die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des eigenmächtigen Vorgehens der Anstalt erfordert: Derartige Rechtsbrüche passieren in dieser Anstalt immer wieder, sodaß ich auch in Zukunft mit eigenmächtigen Verletzungen meiner Rechte zu rechnen habe.

Normalerweise mußt du immer vorher angehört werden, bevor eine Hausstrafe überhaupt verhängt werden darf (Nr. 69 Satz 2 U-HaftvollzO). Wende dich dann sofort an den_die Haftrichter_in. Schreibe "Eilsache" auf den Umschlag und auf das Schreiben:

Ich bin von der Anstaltsleitung darüber informiert worden, daß gegen mich eine Disziplinarmaßnahme geplant ist. (Jetzt näheres über die Vorgeschichte, falsche Anschuldigungen richtigstellen, wenn dir Anschuldigungen überhaupt genau bekannt sind. Beweismittel, Mitgefangene als Zeugen benennen ...). Ich beantrage, dass mir umfassendes rechtliches Gehör gewährt wird. Das setzt voraus, dass mir alles mitgeteilt wird, was mir vorgeworfen wird. Ich muß über alle Ermittlungsergebnisse informiert werden, was bisher noch nicht geschehen ist. Eine richterliche Entscheidung zu meinem Nachteil ist auf dieser Grundlage nicht zulässig (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 74). Sofern die Vorwürfe auf mich belastenden Zeugenaussagen beruhen, verlange ich, daß mir die Namen der Zeugen genannt und ihre Aussagen vorgelegt werden. Eine Verteidigung gegen die Vorwürfe, eine Richtigstellung der falschen Anschuldi­gungen, ist anders gar nicht möglich.

Ist eine ganz bestimmte Strafart verhängt worden — oder steht sie unmittelbar bevor — so kannst du teilweise die Argumentation der vorangegangenen Muster übernehmen. Denn die Hausstrafen sind oft die gleichen Maßnahmen, die auch bei Gefahr für „Sicherheit und Ordnung" getroffen werden (z.B. Besuchsbeschränkungen etc.).Baue deine Argumentation in eine Beschwerde gem. § 304 StPO ein, die du an den_die Haftrichter_in — als Eilsache — schickst. Wichtigstes Argument ist dein Gesundheitszustand und die Vorbereitung deiner Verteidigung in dem anstehenden Strafprozeß. Beides darf niemals beeinträchtigt werden. Außerdem ist die Hausstrafe unverhältnismäßig. Sie verstößt auch gegen Nr. 18 Abs. 1 UVollzO, wonach der_die Gefangene „würdig, gerecht und menschlich" zu behandeln ist.

Die Einschränkung der Bewegung im Freien beeinträchtigt meinen Gesundheitszu­stand, da ich unter Kreislaufbeschwerden leide, wenn ich keine Gelegenheit zur Be­wegung an der frischen Luft bekomme. Dieser Zustand beeinträchtigt auch meine Konzentrationsfähigkeit, sodass auch meine Verteidigungsvorbereitungen erheblich darunter leiden. Die Maßnahme muß daher nach Nr. 69 Abs. 4 UVollzO unver­züglich aufgehoben werden (bzw. darf gar nicht erst verhängt Verden).

Bein Einschränkungen als Hausstrafe:

Die Einschränkung des Einkaufs beeinträchtigt mein körperliches Wohlbefinden erheblich. Ich bin aus gesundheitlichen Gründen darauf angewiesen, mir Zusatz­nahrung zu kaufen, da mir die Anstaltskost nicht immer bekommt. Ah Raucher bin ich zur Erhaltung meiner Konzentrationsfähigkeit auch darauf angewiesen, eine ausreichende Menge Tabak zur Verfügung zu haben. Der jetzige Zustand macht es mir unmöglich, mich auf meine Verteidigung vorzubereiten und verstößt gegen Nr. 69 Abs. 4 UVollzO.

Ähnlich kann man bei der Wegnahme von Büchern und anderen Lesematerialien argumentieren. Juristische Bücher brauchst du natürlich direkt für die Verteidigung. Andere zur Konzentration und Zerstreuung. Arrest macht eine Verteidigungsvorbereitung immer unmöglich. Der_die Haftrichter_in ist nach Aufhebung des Haftbefehls wegen Fehlens eines dringenden Tatverdachts nicht mehr zur Anordnung von Disziplinarmaßnahmen gemäß Nr. 68 UVollzO befugt. Dies gilt auch, wenn der Beschuldigte unmittelbar nachfolgend in anderer Sache in U-Haft verbleibt (OLG Celle NStZ 1985, 378).


14. Anordnungen der Staatsanwaltschaft


Der_die Staatsanwalt_in hat — was deine Haftbedingungen betrifft — absolut nichts zu melden, es sei denn, du selbst hast nach Nr. 3 UVollzO beantragt, daß der_die Staatsanwält_in einzelne Maßnahmen übernehmen soll. Infrage kommt z.B. die Postkontrolle, die dann unter Umständen schneller vonstatten geht. Aber selbst dann darf er nichts Belastendes verfügen: er darf z.B. keinen Brief anhalten. Er darf ihn nur dem Haftrichter geben, der dann entscheidet (Nr. 35 UVollzO). Handelt der_die Staatsanwalt_in eigenmächtig, so schreibe an den_die Haftrichter_in:

Die Anordnung der Staatsanwaltschaft ist aufzuheben, weil sie dazu überhaupt nicht berechtigt ist. Die Postkontrolle obliegt regelmäßig dem Haftrichter; die Staatsanwaltschaft ist daher grundsätzlich nicht befugt, die Briefkontrolle durchzuführen und schon gar nicht beschwerende Verfügungen zu treffen (Nr. 3 UVolzO i.V.m. § 119 Abs. 6 StPO, Nr. 35 UVollzO).


zum Inhaltsverzeichnis


23.3. Musterbegründungen für Anträge und Beschwerden


Wir haben im folgenden einige Musterbegründungen zusammengestellt. Dabei haben wir solche Probleme herausgesucht, die besonders häufig sind und über die nicht schon an anderer Stelle dieses Buches etwas gesagt wurde. Wir wollen dabei betonen, daß dies nur Agumentations- und Orientierungshilfen für deinen juristischen „Kampf" sein sollen. Das heißt, daß du in den meisten Fällen diese Muster nicht einfach übernehmen kannst, sondern deine Begründung genau auf die konkrete Situation abstimmen musst. Es ist dabei auch nicht nötig eine juristische Sprache, wie in einigen der folgenden Entwürfe, zu verwenden. Das gleiche gilt auch für das Zitieren von Kommentaren und Urteilen. Auch die größten „Superanträge" werden in der Regel abgeschmettert. Und zu den seltenen erfolgreichen Anträgen gehören auch solche, die einfach nur das beschrei­ben, was der_die Antragsteller_in will — ohne juristischen Zauber. Liegt man mit Haftrichter_in und Anstaltsleitung im Clinch, so wird man feststellen, daß die bei der Begründung ihrer Verbote und Beschränkungen nicht sehr einfallsreich sind: Entweder verstößt das, was du willst, gegen „Sicherheit und Ordnung" in der Anstalt oder es ist mit dem „Zweck der Untersuchungshaft" nicht vereinbar. Deshalb hier zunächst ein paar allgemeine Argumentationshilfen, die man praktisch für jede Beschwerde verwenden kann.


"Sicherheit und Ordnung" und der "Haftzweck"


„ Dem Verfahren dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert", heißt es in § 119 Abs. 3 Strafprozeßordnung (StPO). In der Praxis bedeutet dieser schön formulierte Paragraph lediglich, daß in fast allen Verbots- oder Beschränkungsverfügungen diese Formeln als Be­gründung auftauchen. Unter „Ordnung" der Anstalt sind alle Vorausset­zungen zu verstehen, die unbedingt notwendig sind, um das normale Funk­tionieren des Knasts zu gewährleisten. Diese Voraussetzungen sollen allerdings so gestaltet werden, „dass die bis­herige . Lebensführung des Verhafteten so wenig wie möglich beeinträchtigt wird" (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr.43). Wesentlich ist dabei, dass Ordnung identisch ist mit der „Hausordnung" oder der U-Haftvollzugsordnung. Die U-Haftvollzugsordnung ist kein Gesetz sondern nur eine Empfehlung an den_die Haftrichter_in. Darauf musst du hinweisen, wenn du etwas willst, was sie verbietet. Andersherum kannst du dich immer auf die U-Haftvollzugs­ordnung berufen, wenn dir etwas verboten wird, was sie erlaubt. Die Haus­ordnung steht rechtlich noch unter der U-Haftvollzugsordnung und den Anordnungen des_der Haftrichters_in. Der offizielle Zweck der U-Haft ist die Beseitigung von Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr und/oder Wiederholungsgefahr. Was bei dir der Haft­grund ist, steht im Haftbefehl. Sitzt du also wegen Fluchtgefahr ein, so darf eine Beschränkung nicht damit begründet werden, es bestünde Verdunklungsgefahr. Steht die Anklageschrift schon, so kannst du deine Beschwerde auch so be­gründen:

"Da die Ermittlungen gegen mich schon abgeschlossen sind, kann eine Verdunklungsgefahr nicht mehr vorliegen"


Das gleiche gilt, wenn bei dir alles klar ist, weil du etwa das Pech hattest, "inflagranti" erwischt zu werden oder du — aus welchen Gründen auch immer — „reinen Tisch" gemacht hast. Wegen einer völlig abstrakten Gefährdung — sei es von Sicherheit und Ordnung oder des Haftzwecks — dürfen keine Verbote oder Beschränkungen ausgesprochen werden. Aber gerade das geschieht dauernd: Da wird das eigene Radio zur „möglichen Ordnungsstörung", das Zeichenlineal zur „möglichen Waffe", die Schreibmaschine zum „möglichen Produktionsmittel zur Herstellung von zur Meuterei aufrufenden Flugblättern". Solange du nicht vorher regelmäßig mit Linealen auf Beamte losgegangen bist etc., ist ein derartig begründetes Verbot absolut rechtswidrig. Und selbst wenn du es getan hättest, so müßte dir zumindest der Besitz eines weichen Plastiklineals erlaubt sein (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Steht in einer Ablehnungsbegründung nur: "....stellt eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung dar", ohne dass dies näher begründet wird, so ist dies nicht nur rechtswidrig, sondern auch unverschämt, weil du Gründe, die du nicht kennst, auch nicht widerlegen kannst. Du schreibst dann am besten:

Da der_die Haftrichter_in(die Anstaltsleitung)in der Ablehnung meines Antrags auf ... nicht in der Lage war, konkrete Anhaltspunkte zu benennen, die auf die angebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung (bzw. des Haftzwecks) schließen lassen, ist die Ablehnung meines Antrags nicht haltbar.

Nennt der_die Haftrichter_in/die Anstaltsleitung nähere Gründe, so musst du auf diese eingehen und sie zu widerlegen versuchen. Das ist oft gar nicht so schwer, weil die Verbotsbegründungen nicht selten völlig unsinnig und unlogisch sind. Ein Tauchsieder eignet sich nun mal nicht als Ausbruchswerkzeug oder was es sonst noch an absurden Begründungen gibt. Aber vergiß nicht, du hast es hier mit Juristen_innen zu tun und auch die Be­schwerdeinstanz besteht aus Juristen_innen. Und in der Denkensweise von Juristen_innen finden Logik und Vernunft kaum Platz.


Das Grundgesetz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Jede Maßnahme im Knast greift in mehrere Grundrechte ein. Nach dem Grundgesetz dürfen die meisten Grundrechte eingeschränkt werden; als so heilig werden sie nun auch wieder nicht angesehen. Aber sie dürfen nicht „verletzt" werden. Das passiert immer dann, wenn das Grundrecht des_der Gefangenen, in das eingegriffen wird, „schwerer wiegt" als der Zweck, der damit erreicht werden soll. Wann nun der Zweck die Mittel heiligt, ist natürlich nicht objektiv mess­bar. Es richtet sich immer nach den Interessen desjenigen, der die Macht hat, dies festzulegen. So ist nach Meinung der Richter_innen und der Anstaltsleiter_innen in der Regel die „Sicherheit und Ordnung" in der Anstalt, die „Sicherung der Strafverfol­gung" oder gar der „Schutz der Gemeinschaft vor dem Rechtsbrecher" allemal wichtiger, als die Grund- und Menschenrechte der Gefangenen: Freiheit, körperliche Unversehrtheit, Meinungs- und Informationsfrei­heit, Schutz von Ehe und Familie, Rechtsstaatsgarantien und vieles mehr. Du selbst kannst immer damit argumentieren, daß eine Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel verstößt, wenn wegen der Befürchtung einer lächerlichen „Störung" deine Grund- und Menschenrechte nicht nur eingeschränkt sondern außer Kraft gesetzt werden und dabei oft genug nicht wiedergutzumachende Nachteile und Schäden verursacht und in Kauf genommen werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutet auch, daß — auch wenn der Zweck „heilig" ist — stets nur das „mildeste" Mittel gegen dich ein­gesetzt werden darf. Wenn also der „begründete Verdacht" besteht, daß ein_e bestimmte_r Freund_in von dir bei einem Besuch versuchen würde, verbotene Sachen in den Knast zu schmuggeln, so darf dann nicht etwa der Besuch verboten werden, weil die Gefahr einer Übergabe verbotener Gegenstände ja auch durch Besucher_innenüberwachung oder Durchsuchung vor oder nach dem Besuch beseitigt werden kann. Hier sieht man aber, daß es manchmal nicht ganz unproble­matisch ist, mit der UnVerhältnismäßigkeit einer Maßnahme zu argumentieren: Du wehrst dich einerseits gegen eine Beschränkung, „bittest" aber gleichzeitig indirekt, daß ein anderer Eingriff vorgenommen wird, der vielleicht „müder" aber eben auch erniedrigend ist. Es ist deshalb immer besser, sich darauf zu konzentrieren, eine Maßnahme als Verstoß gegen eine Vorschrift oder als völlig unbegründet anzugreifen und die Unverhältnismäßigkeit nur als zusätzliches Argument anzuführen. Du schreibst dann also:

1.Die Maßnahme ist rechtswidrig, da eine völlig abstrakte, an den Haaren her­beigezogene Gefährdung von "Sicherheit und Ordnung" (bzw. des Zwecks der U-Haft) einen solchen Eingriff nicht rechtfertigen kann.

2.Die Maßnahme ist völlig unbegründet, weil die angeführten Tatsachen, die an­geblich eine konkrete „Gefahr" darstellen, einfach nicht stimmen (an dieser Stelle Unterstellungen, falsche Behauptungen richtigstellen und wenn möglich Beweismittel benennen, z.B. Mitgefangene als Zeugen).

3.Im übrigen wäre die Maßnahme selbst dann rechtswidrig, wenn die oben wider­legten Behauptungen und Unterstellungen zutreffen wurden, da der Eingriff dann gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

So etwa kann fast jede Beschwerde, jeder Antrag auf gerichtliche Entschei­dung, aufgebaut werden. Natürlich muß man das Ganze dann noch mit den konkreten Dingen, um die es geht, ergänzen.


Anträge und Beschwerden von draußen

Jede_r, der_die von einer Verfügung des_der Haftrichters_in persönlich betroffen ist, hat ein eigenes Beschwerderecht. Freunde und Angehörige können sich von draußen selbst an den_die Haftrichter_in mit Anträgen wenden und Beschwerde (§ 304 ff. StPO) gegen die Ablehnung ihres Antrages einlegen. Persönlich betroffen sind sie in der Regel bei Besuchsyerboten, Anhalten von Briefen und Paketen, bei allem, was den Kontakt zwischen ihnen und den Gefangenen berührt. Gerade bei angehaltenen Briefen, die von draußen abgeschickt wurden, sollten die Absender selbst Rechtsmittel einlegen, weil ja nur sie den Inhalt des Briefes kennen und entsprechend argumentieren können. Wenn du also einen Anhaltebeschiuß bekommst, schreib an den_die Absender_ib des Briefes, dass er_sie sich auch beschweren soll. Wenn er_sie nicht weiß, wie man das macht, empfiehl ihm_ihr dieses Buch.

Bevor wir nun einige Musterbeispiele bringen, hier noch eine Erklärung der verwendeten Abkürzungen, um die man in juristischen Sachen kaum herumkommt:

Abs.= Absatz

Art.= Artikel

BVerfG: Bundesverfassungsgericht

BVerfG 19, 347= Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Band 19, Seite 347

DriZ= Deutsche Richterzeitung

Wendisch in= Kommentar zur StPO (der größte) zitiert nach

GA= Goltdammer's Archiv für Strafrecht, zitiert nach Jahr und Seite

GG= Grundgesetz

Grunau= Kommentar zur U-Haftvollzugsordnung in Verbindung mit

MDR= Monatszeitschrift für Deutsches Recht zitiert nach Jahr und Seite

NJW= Neue Juristische Wochenschrift zitiert nach Jahr und Seite

OLG= Oberlandesgericht

Rdnr.= Randnummer (im Gesetzeskommentar)

StPO= Strafprozessordnung

StVollzK= Strafvollzugskammer

UVollzO= Untersuchungshaftvollzugsirdnung

vgl.= vergleiche

Für die nun folgenden Musterbegründungen ist in der Regel der_die Haftrichter_in der_die Adressat_in, ob sie nun als Antrag oder als Beschwerde formuliert werden. Wenn du sie auch an den_die Anstaltsleiter_in richten sollst, haben wir das dazugeschrieben. Der kursiv gedruckte Text kann, wenn er zu deiner Situation paßt, direkt in deine Anträge oder Beschwerden eingebaut werden. Zu folgenden Problempunkten findest du Musterbegründungen:

1. Schreibmaterialien

2. Schreibmaschine

3. Fernseher

4. Kassettenrekorder / Plattenspieler

5. Sonstige Gegenstände, „Bequemlichkeiten"

6. Einkaufsbeschränkungen

7. Paketempfang

8. Ausführung aus der Anstalt

9. Besuche

10. Anhalten von Briefen

11. Bücher, Zeitschriften

11.a. Medizinische Versorgung

11.b. Aufenthalt im Freien

11.c. Geld

12. Sicherheitsmaßnahmen

13. Hausstrafen

14. Anordnungen des Staatsanwalts


1. Schreibmaterialien


Man wendet sich hier zunächst mal an den_die Anstaltsleiter_in mit einem sogenannten "Anliegen" oder "Vormelder".

Ich verlange hiermit, nachdem ich mich mit diesem Anliegen bereits dreimal mündlich an den Beamten...gewandt habe, dass mir unverzüglich Schreibmaterialien (Papier: mindestens 20 Blatt, Briefumschläge: 10 Stück, ein Kugelschreiher) zur Verfügung gestellt werden, wie es Nr. 29 Abs. I UVollzO bestimmt.


2. Schreibmaschine


Jeder Gefangene darf eine Schreibmaschine gebrauchen, ohne ein besonderes Bedürfnis nachweisen zu müssen (vergl. Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 StPO Rdnr. 113 mit weiteren Nachweisen)

Will der_die Haftrichter_in dir die Maschine verweigern, muss er_sie für dich als Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorbringen, daß du durch missbräuchliche Verwendung der Maschine den Zweck der U-Haft oder die Ordnung der Anstalt gefährden wirst! (BVerfGE 35,10). Ein allgemeines Blabla über die Gefährdung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt langt nicht.

Die Verweigerung der Genehmigung, eine Schreibmaschine in der Zelle zu besitzen, ist verfassungswidrig. Wenn in dem ablehnenden Beschluß pauschal behauptet wird, eine Schreibmaschine in meiner Zelle würde die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährden, so ist dies

1. völlig abwegig, da eine Schreibmaschine hierzu gar nicht geeignet ist und

2. auch schon deshalb rechtswidrig, weil die abstrakte Befürchtung, man könnte mit einer Schreibmaschine etwas Gefährliches tun, für eine Ablehnung ohnehin nicht ausreicht (OLG Düsseldorf MDR 1982, 1041).

Dies gilt grundsätzlich auch für elektrische und elektronische Schreibmaschinen, ist dort jedoch noch umstritten:

Wenn befürchtet wird, dass Teile des Gerätes zum Senderbau verwendet werden könnten, beantrage ich, das Gerät auf meine Kosten auswärtig untersuchen und dann verplomben zu lassen (Baumann in Strafverteidiger 1985, 294).


3. Fernseher


Aus Artikel 5 Abs. I Grundgesetz ergibt sich, dass es dem Untersuchungsgefangenen freistehen muss, welche Informationen er sich beschafft und welche Informations­quellen er dazu benutzt. Das Fernsehen nimmt dabei ein besonders herausragende Stellung ein; es wird im normalen Leben als notwendiges Informationsmittel betrachtet. Verschiedenen Kommentarsendungen, Dokumentarberichte und politische Magazine liefert nur das Fernsehen. Sie können auch nicht etwa durch Zeitungen ersetzt werden. Als „Bequemlichkeit", die ich im U-Haftvollzug beanspruchen kann, muß mir daher die Benutzung eines eigenen Fernsehers erlaubt werden (vergl. OLG Hamburg MDR 1969, 328; OLG Hamm GA 1972, 187; ebenso Dünnebier in Löwe-Roseaberg §119 Rdnr. 114).

Neben dem allgemeinen Informationsrecht kann als besoderer Grund für die Benutzung eines Fernsehers auch z.B. die Teilnahme an einem Telekolleg oder an Sprachlehrsendungen genannt werden.


4. Kassentenrecorder, Plattenspieler,Walkman


Kassettenrekorder sind zulässig, wenn Gefangene sie in begründeten Einzelfällen ernsthaft zur Erlernung einer Fremdspracbe benutzen wollen (OLG München, Beschluß v. 24.8.1973 — l Vas 66/73; OLG Frankfurt, Beschlußv. 25.l.l974 — 3 Vas 153/73).

Die Benutzung eines sog. Walkman zum Abspielen von Sprachkassetten stellt keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt dar (OLG Koblenz v. 22.5.1985 1 Ws 277/85).

Um die Gefährdung des Haftzwecks und der Sicherheit der Anstalt zu verhindern, darf der_die Haftrichter_in den Aufnahmeteil des Gerätes kaputt machen lassen. Kassetten kann man direkt im Fachhandel durch Vermittlung der Anstalt beziehen, was der Anstaltsleitung die Kontrolle erspart. Die gleichen Gründe kannst du für den Plattenspieler anführen.


5. Sonstige Gegenstände, "Bequemlicheiten"


Man richtet, wie bei den bisherigen Mustern, immer, wenn man irgendetwas be­sonderes haben will, einen Antrag auf Genehmigung an den_die Haftrichter_in. Bleibt der Antrag erfolglos, schreibt man eine Beschwerde an den_die Haftrichter_in gemäß §§ 304 ff. StPO. Du kannst im Prinzip alies versuchen — von Musikinstrumenten bis zu Zimmer­pflanzen. Aber auch bei der besten Begründung wirst du sehr oft die Genehmigung nicht bekommen.

Nach § 119 Abs. 4 StPO muß mir der Besitz des beantragten Gegenstands in meiner Zelle genehmigt werden, da dem weder die Raumverhältnisse entgegenstehen noch ein übermäßiger Aufwand mit der Beschaffung und Überlassung des Gegenstands verbunden ist. Nur dann, sodas Bundesverfassungsgericht in NJW 1973, 1363, darf der Besitz auf der Zelle versagt werden.

Falls dein Antrag unter Hinweis auf die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder auf den Zweck der Untersuchungshaft abgelehnt wurde, so lies die einleitenden Worte dieses Abschnitts (vor Musterbegründung Nr. 1). Als unproblematisch gilt dagegen neuerdings die Beschäftigung mit einer bereits vorhandenen Briefmarkensammlung (OLG Koblenz v. 18.7.1984 - 2 Vas 12/84). Ebenso darf man eigenes Essgeschirr, Tischdecke, eigene Bettwäsche etc. von zu Hause kommen lassen und muss die Sachen nicht "durch Vermittlung der Anstalt" neu kaugen (OLG Hamm 22.11.84 - 1 Ws 289/84).


6. Einkaufsbeschränkungen


Sie werden oft von der Anstaltsleitung generell festgelegt. In der U-Haftvollzugsordnung heißt es, daß sich Zusatznahrungs- und Genußmittel „im Rahmen einer vernünftigen Lebensweise"halten sollen (Nr. 51 UVollzO). Davon abgesehen, daß eine „vernünftige Lebensweise" so ziemlich das Gegenteil von dem ist, was im Knast, überhaupt möglich ist: die U-Haftvollzugsordnung ist nur eine Empfehlung an den Haftrichter, kein Gesetz. Du schreibst also:

Der Einkauf darf niemals durch den Anstaltsleiter beschränkt werden (OLG Düsseldorf NJW 1969, ISO; Dünnebier in Löwe-Rosenberg § II9Rdnr. 131} auch wenn es zehnmal in der Hausordnung steht. Das macht die Beschränkung auch nicht rechtmäßiger.

Wende dich nicht nur an die Anstaltsleitung sondern vor allem an den_die Haftrichter_in, denn das ist sein_ihr Zuständigkeitsbereich. Verlange von ihm_ihr, dass er_sie einschreitet.


7. Paketempfang


Nr. 39 UVollzO verweist für den Paketempfang in der U-Haft auf die Strafhaft; vgl. also dort Abschnitt 24.2. Muster Nr. 12. Wenn du mehr als drei Pakete pro Jahr haben willst, kannst du es zuerst mal bei dem_der Anstaltsleiter_in probieren. Wenn der deinen Antrag ablehnt, wendest du dich an deinen Haftrichter, denn er ist eigentlich zuständig.

Die Beschränkung auf drei Pakete pro fahr, entspricht nicht dem Gesetz (§ 119 Absatz 4 StPO), das mir „ Bequemlichkeiten" garantiert (vgl. Dünnebier in Löwe-Rosenberg§ 119 Rdnr. 18). Hier fügst du die Begründung zu „Bequemlichkeiten" (Muster Nr. 5) ein, und weiter:

Die Beschränkung auf drei Pakete pro fahr übersieht, wie gerade durch die Pakete mit ihrem Inhalt Erinnerungen geweckt und auf diese Weise die Verbindung nach draußen aufrecht erhalten wird. Diese Beschränkung löscht die Bequemlichkeits­garantie des § 119 Absatz 4 StPO aus und verkennt die zerstörerischen Bedingungen der U-Haft, die, will man.dem Gesetz folgen, verhindert werden müssen. Die Beschränkung auf drei Pakete pro fahr übersieht, wie gerade durch die Pakete mit ihrem Inhalt Erinnerungen geweckt und auf diese Weise die Verbindung nach draußen aufrecht erhalten wird. Diese Beschränkung löscht die Bequemlichkeits­garantie des § 119 Absatz 4 StPO aus und verkennt die zerstörerischen Bedingungen der U-Haft, die, will man.dem Gesetz folgen, verhindert werden müssen. Die Behauptung, daß zusätzliche Pakete eine Gefährdung von. Sicherheit und Ordnung der Anstalt bedeutet ist absurd, da meine Pakete ja eh bis ins letzte Detail gefilzt werden. Aus diesen Gründen beantrage ich pro Monat zwei Pakete mit Eßwaren und Toilettenartikeln empfangen zu können, wie es im Urteil vom OLG Frankfurt für im Rahmen des von der Anstalt zu verkraftenden erachtet wird (OLG Frankfurt vom 20.11.72 — J WS 393/72 —). Im übrigen kann gegen das Argument, der Personalaufwand dafür sei zu hoch, nur auf die Entscheidung BVerfGE 15, 269 verwiesen werden.


8. Ausführung an Plätze außerhalb der Anstalt


Sie sind zulässig, wenn wichtige und unaufschiebbare Angelegenheiten persönlicher Art, zum Beispiel Krankheitsfall in der Familie, Beerdigung, oder geschäftlicher Art die Anwesenheit des Verhafteten erforderlich machen (Nr. 41 Abs. 2 UVollzO)

Mein Ausführungsantrag ist berechtigt, weil... (Grund für die Ausführung). Das Ausführen gehört zu den Fürsorgepflichten gegenüber dem Verhafteten. Der Staat muß dazu Personal zur Verfügung stellen. Demzufolge ist Mangel an Bewachungs­personal kein Grund, berechtigte Ausführungsanträge abzulehnen (BVerfGE 15, 296).

Stelle den Antrag bei dem_der Anstaltsleiter_in, mit der Bitte, die nach Nr. 41 UVollzU nötige Zustimmung des_der Haftrichter_in herbeizuführen.


9. Besuch


Die Besuchsregelung der Nrn. 24 ff. UVollzO ist sehr eng. Wenn du längere Besuchszeiten und mehr Besuch haben willst, argumentiere ruhig gegen Hausordnung und gegen die U-Haftvollzugsordnung; es sind keine heiligen Kühe — nicht mal ordentliche Gesetze. Lies dazu die Vorbemerkungen zu Beginn des Abschnitts (vor Muster Nr.1). Die folgenden Probleme tauchen immer wieder auf:

a) Angehörigenbesuch

b) Dauerbesuchserlaubnis

c) Besuchsverbote

d) Trennscheibe

e) Kosten der Besuchsüberwachung

a) Angehörigenbesuche

Wenn die Angehörigen sehr weit weg wohnen: Gemäß BVerfGE 42, 10 muss es für die Vollzugsanstalt zumutbar sein, Besuchs­gelegenheiten außerhalb der allgemeinen Besuchstage zu schaffen. Außerdem steht das auch in Nr. 24 Abs. 2 Satz 2 der UVollzO

Bei Ablehnung von Angehörigenbesuchen (gilt auch für Verlobte):

Die Ablehnung des Besuchs von nahestehenden Personen, wie etwas des Ehepartners oder eines anderen Familienangehörigen bedarf schwerwiegender Gründe (BVerfGE 42, 102). Mein Verlobter (meine Verlobte) - wie man sich denken kann - sehr nahe.

Du hast einen Anspruc auf einen unbewachten Besuch von eine_m_er Angehörigen, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des aftzwecks oder der Anstaltsordnung vorliegen (OLG Frankfurt v. 15.8.1983 in Strafverteidiger 1983, 465).

b) Dauerbesuchserlaubnis

Soll für eine Person deines Vertrauens eine Dauerbesuchserlaubnis erteilt werden, dann müssen "besondere Umstände" in dem Antrag aufgeführt werden, die eine solche Erlaubnis rechtfertigen.

c) Besuchsverbote

Du willst von bestimmten Leuten Besuch haben, die aber vom Besuch ausgeschlossen sind. Du kann st die dafür sinnvollen Teile der folgernden Begründung übernehmen.

Beschränkungen durch den_die Haftrichter_in sind nur dann zulässig, wenn im konkreten Fall der Besuch eine reale Gefährdung der Ordnung in der Anstalt oder des Haftzwecks bedeutet (BVerfGE 35, 321). Dies ist aber schon deshalb nicht gegeben, weil die Besuche ja ohnehin überwacht werden. Im übrigen dient der beantragte Besuch der Erledigung unaufschiebbarer persön­licher (bzw. rechtlicher oder geschäftlicher) Angelegenheiten, die ich nicht schrift­lich oder durch Dritte regeln kann. Insofern gebietet auch die U-Haftvollzugsordnung in Nr. 2 die Genehmigung des zusätzlichen Besuchs.

Du willst dich mit dem_der Gefangenen X treffen:

Nach der Entscheidung des OLG Hamburg (NJW 1965, 364) ist es mir erlaubt, den_die Gefangene_n X, der sich in derselben Anstalt befindet wie ich, unter denselben Voraussetzungen zu besuchen, unter denen ich es könnte, wenn ich in Freiheit wäre.

d) Trennscheibe

Der Besuch, den du empfängst, darf nur dann in einem Trennscheibenraum stattfinden, wenn es "besondere Anhaltspunkte" gibt, dass du dieses Besuchsrecht zu einer unerlaubten Handlung missbrauchen wirst. Gibt es derartige Anhaltspunkte nicht, hast du das Recht auf einen normalen Besucherraum (OLG Celle v. 11.12.1980 NStZ 198/196; OLG Celle v. 16.2.1981, MDR 1981, 515).

e) Kosten der Besuchsüberwachung

Die Kosten der gerichtlich angeordneten Besuchsüberwachung durch einen Dolmetscher sind nicht von dir zu zahlen, sondern von der Staatskasse zu erstatten (OLG Frankfurt v. 15.11.1983 Strafverteidiger 1984, 427; OLG Frankfurt v. 30.8.1985 Strafverteidiger 1986, 24.


10. Anhalten von Briefen


Hiergegen können immer sowohl der_die Gefangene als auch der_die Briefpartner_in draußen vorgehen. Die folgenden Probleme tauchen im Briefverkehr nach draußen immer wieder auf:

a) Beeinträchtigung des Strafverfahrens

b) Grob beleidigender Inhalt

c) Unrichtige Darstellung der Verhältnisse in der Anstalt

d) Anhalten ohne Begründung

e) Wenn die Anstalt deine Post öffnet

f) Besondere Argumentation für Verheiratete

g) Beschränkung des Briefverkehrs


a) „Beeinträchtigung des Strafverfahrens" (Nr. 34 Abs. 1 Nr. 2 UVollzO)

Wenn der_die Richter_in Verdunklungsabsichzen oder Fluchtvorbereitungen in den Briefen wittert, wird er_sie den Brief „anhalten", wobei ihm_ihr die herrschende(!) Meinung recht gibt. Eine nicht weiter ausgeführte „Beeinträchtigung des Strafverfahrens" (oder ähnlich nichtssagende Begründungen) reicht jedoch nicht aus, um den Brief zu kassieren. Geschieht dies doch, kannst du dich wie folgt beschweren:

Da mein Brief weder die Gefahr begründet, daß ich mich dem Strafverfahren ent­ziehen werde, noch die Ermittlung der Wahrheit erschwert, ist er im Hinblick auf das laufende Strafverfahren nicht zu beanstanden (vgl. Dünnebier in Lövte-Rosenberg §119 Rdnr. 93). Die lapidare Behauptung, der Brief bedeute eine „ Beeinträchtigung des Strafverfahrens" ist nochlange kein Grund, einen Brief nicht zu befördern, da der Begriff zu unbestimmt ist (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr.92).

Einige Kommentatoren sind der Ansicht, nur wenn Verdunklungsgefahr Haftgrund sei, sei eine Briefkontrolle notwendig. Wenn Verdunkiungsgefahr nicht in deinem Haftbefehl steht, kannst du also auch noch schreiben:

Da Verdunklungsgefahr bei mir laut Haftbefehl nicht vorliegt, war zum einen die Briefkontrolle unzulässig, zum anderen kann der Brief unmöglich aus diesem Grund angehalten werden (Lobe-Alsberg, § 116 I 1; Klee GA 55, 278; Seebode, 118).

Die Wahrscheinlichkeit, daß der_die Richter_in hier einer anderen Rechtsmeinung anhängt, ist hier allerdings besonders groß. Schaden kann jedoch sowas nie. Übrigens: "Fluchtvorbereitungen werden kaum mit Briefen betrieben, sondern mit Kassibern" (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 93).

b) "Grob beleidigender Inhalt"

Solange ein beleidigender Brief die Ordnung der Anstalt nicht gefährdet, ist er weiterzuleiten (vgl. Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 103). Ein beleidigender Brief kann aber praktisch niemals die Ordnung in der Anstalt — was auch immer das sei— irgendwie beeinträchtigen. Die Ansicht, die Ordnung in der Anstalt sei gefährdet, wenn der Inhalt des beleidigenden Briefes in der Anstalt besprochen wird und dadurch andere Gefangene zu einem Verhalten veranlaßt werden, das die Ordnung in der Anstalt konkret gefährdet, ist wirklichkeitsfremd. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es gerade umgekehrt der Akt des Eingreifens durch Weiterleitungsversagung oder gar Beschlagnahme, der den Mitteilungswunsch des Untersuchungsgefangenen über diesen Vorfall und seinen Grund, also den Briefinhalt, geradezu provoziert. (B VerfGE 33, 14; Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119, Rdnr. 104 Natürlich kannst du auch bestreiten,daßder Brief überhaupt Beleidigungen enthält.

c) "Unrichtige Darstellungen der Verhältnisse in der Anstalt

Deine Argumentation muß zunächst erklären, daß deine Aussagen über die Verhält­nisse in der Anstalt weder „grob unrichtig" noch „erheblich entstellend" sind (Nr. 34 Abs. 2 Satz 1 UVolizO). Du kannst die Musterbegründung von b) abgewandelt übernehmen.

Ein Brief kann nicht allein deshalb beanstandet werden, weil dieser sich kritisch mit Ereignissen der Justizvollzugsanstalt befasst. (OLG Hamm NStZ 1981, 454).

Wichtige Informationen solltest du auf alle Fälle deine_r_m Rechtsanwält_in mitteilen, dieser Brief darf nicht überwacht oder angehalten werden (Nr. 37 Absatz 1 und Nr. 34 Absatz 3 UVollzO). Kündige an, daß du in Zukunft deine Berichte über die Zustände in der Anstalt gleich direkt an das Landesparlament (Petitionsausschuß) übersenden wirst. Petitionen dürfen nicht geöffnet oder gar angehalten werden.

d) Anhalten ohne Begründung

Als Untersuchungsgefangene_r habe ich das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen (Nr. 28 UVollzO; OLG Hamm MDR 1974, 248). Eine Überwachung des Briefverkehrs darf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, welches als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt ist, nicht verletzen.Ein Eingriff der zudem nicht begründet wird, ist außerdem ein schwerer Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Es handelt sich bei dem diesem Beschluß zugrundeliegenden Brief um ein Schreiben, das weder unleserlich ist, noch sich in unzulässiger Weise mit der Straftat beschäftigt, noch entstellende Behauptungen über Verhältnisse in der Anstalt enthält. Insofern bin ich daruch, dass der Brief nicht weitergeleitet wurde, in dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit ohne gesetzlichen Grund verletzt und beantrage die sofortige Weiterleitung des Briefes.

Man kann mit dieser Argumentation auch versuchen, langsam zensierende Richter_innen und Staatsanwälte_innen anzuspornen.

e) Wenn die Anstalt deine Post öffnet

oder dir für deine abgehende Post keinen Begleitumschlag gibt:

Nur der Richter oder der Staatsanwalt {vgl. Nr. 3 UVollzO) ist zur Kontrolle der Briefe berechtigt (Nr. 30, 32, 33 UVollzO). Eine weitergehende Verletzung des Briefgeheimnisses ist gemäß Artikel 10 Abs. 1 GG unzulässig.

f) Besondere Argumentation, wenn du verheiratet bist

Gerade unter Ehegatten muß es zur Aufrechterhaltung der ehelichen Verbindung möglich sein, die Dinge genauso zu schildern, wie man sie empfindet, mögen diese Wertungen auch als unsachlich betrachtet werden (BVerfGE 35, 40). Insofern bin ich in meinem Grundrecht aus Art. 2, Abs. 1 und Art. 6 Abs. I, (das den Briefverkehr mit der Familie umfaßt — Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 82) in Verbindung mit Art. 1, Abs. 2 verletzt (BVerfG NJ W76, 1629) und beantrage die Aushändigung/Weiterleitung des Briefes.

g) Beschränkung des Briefverkehrs

Eine allgemeine Beschränkung des Briefverkehrs wegen Uberwachungsgefährdung ist wegen des darin liegenden Verstoßes gegen § 119, Abs. 3 StPO schlechthin unzu­lässig (Grünau, Der Untersuchungsgefangene in Theorie und Praxis, DRiZ i960, S. 396). Es ist nicht anzuerkennen, daß die Ordnung der Anstalt durch „übermäßigen" Briefverkehr beeinträchtigt wird. Eine anderslautende Auffasssung ist rechtsfehlerhaft. Eine Arbeitsüberlastung berechtigt den Richter bzw. Staatsan­walt weder dazu, Dienstaufgaben nachdem Grad dessen, was ihm angenehm ist, zu erfüllen, noch zu Rechtseingriffen bei Dritten. Es ist grundsätzlich Sache der Justiz, wie sie diese Eingriffe arbeitstechnisch bewältigt. Bereits am 19.2.1963 hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, daß „Schwierigkeiten bei der Überwachung Lästigkeiten sind, die grundsätzlich hinge­nommen werden müssen, denn die Grundrechte bestehen nicht nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen üblicherweise vorhanden oder an Ver­waltungsregeln vorgegeben ist." (BVerfGE IS, 188). Die allgemeine Beschränkung des Briefverkehrs ist daher rechtswidrig und sofort aufzuheben.


11. Zensur von Büchern und Zeitschriften


Solange bestimmte Bücher, Zeitungen und Zeitschriften nicht gegen ein Strafgesetz verstoßen, müssen sie ausgehändigt werden. Da daß Buch (die Zeitung) ... nicht verboten ist, liegt dieser Fall offensichtlich nicht vor. Davon abgesehen ist keine Geschmacks- oder politische Zensur statthaft. Ich kann in diesem Zusammenhang nur auf folgenden Beschluß des OLG Celle vom 7.4.1976 (WS 127/76) verweisen: „Allgemein zugängliche Informationsträger stehen gemäß Art.5 Abs. I Satz 1 des Grundgesetzes jedem offen". So auch BVerfGE 15, 288, 295: „Der Senat vermag den vorliegenden Ausgaben der Zeitung keine wichtigen Anhaltspunkte für die Besorgnis zu entnehmen, durch die Aushändigung werde Unruhe unter den Häftlingen gestiftet und somit die Ordnung der JVA beeinträchtigt. Dafür genügt es nicht schon, dass die Zeitung ein Sprachrohr linksextremer Gruppen und generell dazu bestimmt ist, den Kampf gegen die freiheitliche Ordnung der BRD — auch in den Justizvollzugsanstalten, deren Insassen kostenlos beliefert werden — zu propagieren." Selbst wenn schließlich — aus welchen Gründen auch immer — der beanstandete Artikel zurückgehalten werden könnte, so ist die Nichtausbändigung der gesamten Zeitschrift völlig unverhältnismäßig. Es ist anerkannt, daß nur der beanstandete Artikel aus einer Zeitschrift entfernt werden darf (vgl. OLG Hamburg MDR 1965,1010; Grünau, UVollzO, Nr. 45, Rdnr. 5).

Zu den Anhaltegründen "Gefährdung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt" lies die Ausführungen in der Vorbemerkung zu diesem Abschnitt (vor Muster Nr.1). Im übrigen: sogenannte einfache pornographischen Schriften müssen dir ausgehändigt werden, wenn du ein "normal" veranlagter Mensch und diesbezüglich noch nicht negativ in Erscheinung getreten bist. Allgemeine Hinweise wie "erfahrungsgemäß sei zu erwarten, dass die Hefte in der Anstalt gegen unangemessenes Entgeld in Umlauf gesetzt und dadurch Abhängigkeiten zwischen den Gefangenen geschaffen würden" reichen nicht aus, um dir diese Art von Pornos zu verweigern (OLG Hamm v. 16.9.1981 - 5 Ws 162/81). Anders liegt das bei den sogenannten harten Pornos; die kriegst du nicht.


11 a. Medizinische Versorgung


Sie erfolgt normalerweise durch den_die Anstaltsärzt_in. Du kannst aber bei dem_der Anstaltsleiter_in beantragen, auf eigene Kosten durch eine_n andere_n Ärzt_in untersucht oder behandelt zu werden. Darauf hast du einen Anspruch, solange dadurch nicht der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt gefährdet wird (§ 119 Abs. 3 StPO). Völlig anerkannt ist dies für den Zahnarzt. Da brauchst du dich nur auf NR. 56 Abs. 2 UVollzO zu berufen. Aber auch sonst kannst du immer wie folgt argumentieren:

Ich möchte auf eigene Kosten durch eine_n Ärzt_in meines Vertrauens untersucht/behandelt werden. Wenn der Anstaltsarzt meint, dass dies nicht nötig sei, dann ist dem entgegenzuhalten, dass es darauf nicht ankommt. Das Verlangen eines Untersuchungsgefangenen, durch eine_n Ärzt_in seines_ihres Vertrauens auf eigene Kosten untersucht zu werden, unterliegt nur aus den ini § 119 Abs. 3 aufgeführten Gründen der Beschränkung (OLG Köln Strafverteidiger 1985, 21; Wendisch in Löwe-Rosenerg § 119 Rdnr. 130 m.w.A.).


11 b. Aufenthalt im Freien/Hofgang


Nr. 55 UVollzo regelt, dass dir ein Hofgang zusteht (mindesten eine Stunde täglich). Willst du eine Verlängerung des Hofgangs beantragen, kannst du wie folgt argumentieren:

Durch die bisherige Freiheitsentziehung ist mein körperliches und seelisches Wohlbefinden auf das äußerste beeinträchtigt worden. Um eine weitergehende Normalisierung meines Gesundheitszustandes zu erreichen, ist eine Verlängerung meines Hofgangs erforderlich. Insbesondere würde sich eine Verlängerung auf den Zweck der U-Haft sowie auf die Ordnung in der Vollzugsanstalt nicht negativ auswirken.


11 c. Geld


Die Geldbeträge, die ich zu meiner laufenden Unterstützung vom meine_r Frau_Mann erhalten habe, sind nicht pfändbar, da es sich um Einkünfte im Sinne von § 850 b Abs. 1 Nr. 3 ZPO handelt (LG München NStZ 1982, 437).


12. Sichheitsmaßnahmen


Allein die Tatsache, dass irgendeine Gefahr „ denkbar" ist, reicht nicht aus, um die angeordneten gewaltigen und gewalttätigen Sicherheitsmaßnahmen (Fesselung, strenge Einzelhaft, Ausschluß von Gemeinschaftsveranstaltungen, Besuchsverbot, häufige Zellen- und Körperkontrollen etc.) zu rechtfertigen (vgl. OLG Oldenburg NJW 1975, 2219). Die Maßnahmen sind darüberhinaus mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, da die angebliche Gefahr derart einschneidende Eingriffe gar nicht erforderlich macht. Die Sicherheitsmaßnahmen greifen derart in meine körperliche und psychische Integrität ein, daß ich schon jetzt an Gesundheitsbeschwerden und Konzentrations-. Störungen zu leiden habe. Dadurch sehe ich mich daran gehindert, mich mit der erforderlichen Intensität auf meine Verteidigung vorzubereiten. Darüberhinaus ist meine Verhandlungsfähihkeit gefährdet. Der unerträgliche Zustand, die unmenschlichen Haftbedingungen, denen ich zur Zeit ausgesetzt bin, können letztendlich zu dauerhaften Schäden führen, wenn die Anordnung der besonderen Sicherheitsmaßnahmen nicht unverzüglich zurückge­nommen wird.

Lies hierzu auch die Vorbemerkung zu diesem Abschnitt (vor Muster Nr. 1). Sicherheitsmaßnahmen werden nicht selten von der Anstaltsleitung völlig eigen­mächtig durchgeführt, obwohl das eigentlich in den Zuständigkeitsbereich des_der Haftrichters_in fällt, soweit es beonders gegen dich gerichtete Maßnahmen sind. Verlange vom Haftrichter, daß er eingreift. Vielleicht gelingt es dir einen Konflikt zwischen den beiden Mächten — Haftrichter und Anstaltsleiter — vom Zaun zu brechen.


13. Hausstrafen


Hausstrafen sind in der U-Haft eigentlich immer illegal, denn es gibt kein Gesetz, daß es erlaubt U-Gefangene für „ungebührliches Verhalten" zu bestrafen (die U-Haftvollzugsordnung ist kein Gesetz). Nach herrschender Meinung sind sie trotzdem erlaubt. Aber es ist allein Sache des_der Haftrichters_in. Er kann zwar die Ermittlungen an die Anstalt delegieren, die Anstalt darf dich aber niemals eigenmächtig bestrafen (OLG Celle NJW 1951,676; OLG München 1956,316). Wenn das doch passiert, dann wende dich sofort an den_die Haftrichter_in. Du kannst es auch mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung probieren {§23 EGGVG;lies Abschnitt 23.1.). Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den_die Anstaltsleiter_in kann auch nichts schaden (siehe Abschnitt 26.1.). Hast du die Hausstrafe schon hinter dir:

Zwar habe ich die Hausstrafe schon hinter mir, trotzdem besteht noch ein Rechtsschutzbedürfnis, dass die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des eigenmächtigen Vorgehens der Anstalt erfordert: Derartige Rechtsbrüche passieren in dieser Anstalt immer wieder, sodaß ich auch in Zukunft mit eigenmächtigen Verletzungen meiner Rechte zu rechnen habe.

Normalerweise mußt du immer vorher angehört werden, bevor eine Hausstrafe überhaupt verhängt werden darf (Nr. 69 Satz 2 U-HaftvollzO). Wende dich dann sofort an den_die Haftrichter_in. Schreibe "Eilsache" auf den Umschlag und auf das Schreiben:

Ich bin von der Anstaltsleitung darüber informiert worden, daß gegen mich eine Disziplinarmaßnahme geplant ist. (Jetzt näheres über die Vorgeschichte, falsche Anschuldigungen richtigstellen, wenn dir Anschuldigungen überhaupt genau bekannt sind. Beweismittel, Mitgefangene als Zeugen benennen ...). Ich beantrage, dass mir umfassendes rechtliches Gehör gewährt wird. Das setzt voraus, dass mir alles mitgeteilt wird, was mir vorgeworfen wird. Ich muß über alle Ermittlungsergebnisse informiert werden, was bisher noch nicht geschehen ist. Eine richterliche Entscheidung zu meinem Nachteil ist auf dieser Grundlage nicht zulässig (Dünnebier in Löwe-Rosenberg § 119 Rdnr. 74). Sofern die Vorwürfe auf mich belastenden Zeugenaussagen beruhen, verlange ich, daß mir die Namen der Zeugen genannt und ihre Aussagen vorgelegt werden. Eine Verteidigung gegen die Vorwürfe, eine Richtigstellung der falschen Anschuldi­gungen, ist anders gar nicht möglich.

Ist eine ganz bestimmte Strafart verhängt worden — oder steht sie unmittelbar bevor — so kannst du teilweise die Argumentation der vorangegangenen Muster übernehmen. Denn die Hausstrafen sind oft die gleichen Maßnahmen, die auch bei Gefahr für „Sicherheit und Ordnung" getroffen werden (z.B. Besuchsbeschränkungen etc.).Baue deine Argumentation in eine Beschwerde gem. § 304 StPO ein, die du an den_die Haftrichter_in — als Eilsache — schickst. Wichtigstes Argument ist dein Gesundheitszustand und die Vorbereitung deiner Verteidigung in dem anstehenden Strafprozeß. Beides darf niemals beeinträchtigt werden. Außerdem ist die Hausstrafe unverhältnismäßig. Sie verstößt auch gegen Nr. 18 Abs. 1 UVollzO, wonach der_die Gefangene „würdig, gerecht und menschlich" zu behandeln ist.

Die Einschränkung der Bewegung im Freien beeinträchtigt meinen Gesundheitszu­stand, da ich unter Kreislaufbeschwerden leide, wenn ich keine Gelegenheit zur Be­wegung an der frischen Luft bekomme. Dieser Zustand beeinträchtigt auch meine Konzentrationsfähigkeit, sodass auch meine Verteidigungsvorbereitungen erheblich darunter leiden. Die Maßnahme muß daher nach Nr. 69 Abs. 4 UVollzO unver­züglich aufgehoben werden (bzw. darf gar nicht erst verhängt Verden).

Bein Einschränkungen als Hausstrafe:

Die Einschränkung des Einkaufs beeinträchtigt mein körperliches Wohlbefinden erheblich. Ich bin aus gesundheitlichen Gründen darauf angewiesen, mir Zusatz­nahrung zu kaufen, da mir die Anstaltskost nicht immer bekommt. Ah Raucher bin ich zur Erhaltung meiner Konzentrationsfähigkeit auch darauf angewiesen, eine ausreichende Menge Tabak zur Verfügung zu haben. Der jetzige Zustand macht es mir unmöglich, mich auf meine Verteidigung vorzubereiten und verstößt gegen Nr. 69 Abs. 4 UVollzO.

Ähnlich kann man bei der Wegnahme von Büchern und anderen Lesematerialien argumentieren. Juristische Bücher brauchst du natürlich direkt für die Verteidigung. Andere zur Konzentration und Zerstreuung. Arrest macht eine Verteidigungsvorbereitung immer unmöglich. Der_die Haftrichter_in ist nach Aufhebung des Haftbefehls wegen Fehlens eines dringenden Tatverdachts nicht mehr zur Anordnung von Disziplinarmaßnahmen gemäß Nr. 68 UVollzO befugt. Dies gilt auch, wenn der Beschuldigte unmittelbar nachfolgend in anderer Sache in U-Haft verbleibt (OLG Celle NStZ 1985, 378).


14. Anordnungen der Staatsanwaltschaft


Der_die Staatsanwalt_in hat — was deine Haftbedingungen betrifft — absolut nichts zu melden, es sei denn, du selbst hast nach Nr. 3 UVollzO beantragt, daß der_die Staatsanwält_in einzelne Maßnahmen übernehmen soll. Infrage kommt z.B. die Postkontrolle, die dann unter Umständen schneller vonstatten geht. Aber selbst dann darf er nichts Belastendes verfügen: er darf z.B. keinen Brief anhalten. Er darf ihn nur dem Haftrichter geben, der dann entscheidet (Nr. 35 UVollzO). Handelt der_die Staatsanwalt_in eigenmächtig, so schreibe an den_die Haftrichter_in:

Die Anordnung der Staatsanwaltschaft ist aufzuheben, weil sie dazu überhaupt nicht berechtigt ist. Die Postkontrolle obliegt regelmäßig dem Haftrichter; die Staatsanwaltschaft ist daher grundsätzlich nicht befugt, die Briefkontrolle durchzuführen und schon gar nicht beschwerende Verfügungen zu treffen (Nr. 3 UVolzO i.V.m. § 119 Abs. 6 StPO, Nr. 35 UVollzO).