Medikamente- Wirkungen und Nebenwirkungen

Aus Gefangenenratgeber

Wechseln zu: Navigation, Suche

zum Inhaltsverzeichnis


21.Medikamente

Im Kapitel 19.„drohende Psychiatrisierung"wurde beschrieben, wie Medikamente und speziell sogenannte Psychopharmaka eingesetzt werden, um dich im Knast zu „heilen" oder dich „angepaßt" werden zu lassen. Bevor von den einzelnen Medikamenten, ihren Wirkungen und Nebenwirkungen gesprochen wird, soll noch etwas zu Medikamenten allgemein gesagt werden. Schon unter den „normalen" Lebensbedingun­gen draußen führen viele Medikamente zu einer Tablettenabhängigkeit, Ohne regelmäßige Tabletteneinnahme können manche nicht mehr leben. Noch viel leichter und schneller kann dies im Knast passieren. Beginnst du einmal gegen die vielen Auswirkungen des Knasts (Angst, Alleinsein, Konzentrationsschwächen, innere Unruhe etc.) Medikamente zu nehmen, kannst du schnell von ihnen abhängig werden. Damit bist du aber auch gleichzeitig von den Sanitätern, Schließern oder den Geschäftemachern unter den Gefangenen abhängig und ihnen ausgeliefert. Denn von ihnen brauchst du deine Ration Tabletten. Damit haben sie dich in der Hand.

Deshalb: Bevor du wegen Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Einsamkeit eine Tablette einwirfst, versuche diese Beschwerden mit anderen Mitteln, wie autogenem Training, Massagen, Konzentrationsübungen, Akupressur zu bekämpfen! Oft ist es allerdings auch so, daß dir zwangsweise Medikamente gegeben werden sollen. In den wenigsten Fällen ist es wirklich nötig, welche zu nehmen: wegen einer ernsthaften Erkrankung, zum Beispiel Entzündungen, Fieber oder Herzkrankheiten. In jedem Fall mußt du darauf achten und darauf bestehen, zu erfahren wie das Medikament heißt und was in der Tablette drin ist. Dann kannst du andere fragen, ob die Tablette überhaupt wirkt oder gegen bzw. für was sie sein soll. Einige Medikamentengruppen hier sollen näher beschrieben werden:

Psychopharmaka S. 2

Tranquilizer S. 2

Neuroleptika S. 3

Antidepressiva S. 5

Distraneurin S.

Schlafmittel S.

Schmerzmittel S. 7

Antibiotika S. 7

Kreislaufmittel S. 8

Cortison S. 9


Psychopharmaka

Diese Sorte von Medikamenten setzen mit ihrer Wirkung am Gehirn an und führen zu „bestimmten" Veränderungen deines Verhaltens, deines Reaktionsvermögens und der sog. „Stimmungslage". Es sind also Medikamente, die dein Verhalten und dein Befinden verändern. Verschiedene Formen des „Ausflippens", „auffälliges" und „störendes" Verhalten (Angst, innere Unruhe, „Haftkoller", Niedergeschlagenheit, Traurigkeit) können so unterdrückt werden. Bestehende Konflikte werden natürlich durch das Schlucken dieser Medikamente nicht gelöst. Jedoch können sie ohne direkte Gewaltanwendung als sogenannte „psychische Zwangsjacke" eingesetzt und zur „Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in der Anstalt" benutzt werden. Dies „Anwendungsgebiet" ist in den Knästen in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten. Wer sich, im Knast nicht „einpaßt", wer „renitent" ist, wird einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen. Es sollen jetzt einzelne dieser Medikamente mit ihren Wirkungen und Nebenwirkungen, d.h. gesundheitsschädigenden Wirkungen beschrieben werden. Unter den Psychopharmaka gibt es verschiedene Gruppen von Medikamenten, je nach Art oder Ausmaß der angeblich festgestellten sog. „Auffälligkeit":

I. bei Unruhezustanden, Angst, Spannungsgefühl, Schlafstörungen: sog. TRANQUILIZER {sprich: Tranquileiser) Valium, Librium etc.

II. bei starken „Erregungszuständen", „Haftkoller":sog. NEUROLEPTIKA Haloperidol z.B.

III. bei Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Depression sog. ANTIDEPRESSIVA Tranquilizer (Beruhigungsmittel) z.B. Valium, Librium, Adumbran, Tranxilium, Demetrin, Tavor ,Nobrium, Lexotartil, Aneural, Miltaun, Omnisedan, Praxiten, Visano, Tacitin

Wirkung: Diese Medikamente wirken auf bestimmte Teile des Gehirns, die in besonderer Weise deine psychische Verfassung bestimmen. Sie wirken allgemein „dampfend", d.h. sie lassen dich kaum noch spontan reagieren, bringen Angstge­fühle zum Abklingen, führen zur Erschlaffung der Muskulatur. Durch all diese ver­schiedenen Wirkungen haben diese Medikamente einen schlaffördernden Effekt. Jedoch auf Kosten eines „gesunden" Schlafs. Der Schlaf eines jeden Menschen besteht im allgemeinen aus zwei sich abwechselnden Phasen. Sie unterscheiden sich einmal untereinander durch unter­schiedliche Schnelle des Herzschlages, der Höhe des Blutdrucks im Schlaf, Durch­blutung des Gehirns; vor allem aber durch eines: in dereinen Phase träumt man,.in der anderen nicht, in.der Zeitdauer haben die zwei Phasen ein ziemlich festes Ver­hältnis zueinander. Durch die Tranquilizer und die üblichen Schlafmittel (siehe auch dort), wird dieses natürliche Verhältnis gestört. Morgens wachst du wie gerädert auf, obwohl (bzw. weil) du ein „Schlafmitte!" genommen hattest. Nimmst du diese Medikamente über längere Zeit ein, „gewöhnt" sich dein Körper daran. Du mußt dann immer größere Mengen Tabletten einnehmen, um den „gleichen Effekt" zu haben.

Nebenwirkungen: Es ist bewiesen, daß man.bei langem Einnehmen dieser Medika­mente pychisch von ihnen abhängig wird, d.h. du hast das Gefühl, sie immer einnehmen zu müssen, weil du dich sonst nicht wohl fühlst. Aber ebenso können Anzeichen von körperlicher Abhängigkeit auftreten. Typisches Zeichen ist das sog. Delir; psychische Unruhe, körperlich unruhig, Verwirrtheit, Halluzinationen, Schwitzen, Herzjagen. Neben diesen offensichtlichsten Nebenwirkungen bemerkst du allerdings noch durch andere Dinge, daß die Medikamente „wirken"; du merkst, bei dir und anderen, daß du nicht mehr so schnell und locker reden kannst. Antworten auf Fragen, die dir gestellt werden, kommen nur schleppend, alle Bewegungen deines Körpers sind verlangsamt. Trinkst du gleichzeitig Alkohol oder nimmst zusätzlich Schlafmittel ein, so werden diese Nebenwirkungen noch verstärkt. Eines ist noch sehr wichtig: Einige der üblicherweise im Knast gegebenen Beruhi­gungsmittel (Valium, Librium, Lexotanil) werden im Körper nur langsam abgebaut. Nach 24 Stunden ist noch mehr als die Hälfte des Wirkstoffs im Körper. Dadurch kannst du vielleicht damit vollgepumpt werden,obwohl du nurdie „normale" Dosis von 2 mal 1 Tablette in 24 Stunden bekommen hast. Umbringen kann man sich jedoch mit diesen Medikamenten, wenn nicht andere körperliche Komplikationen hinzukommen, eigentlich nicht.

Neuroleptika

z.B. Haloperidol, Haldol, Leponex, Taxilan, Megaphen, Melleril, Neurocil, Taractan, Truxal, Atosil, jacroneural, Omca, Psyquil.

Bis heute ist nicht bekannt, wo genau im Gehirn diese Medikamente mit ihrer Wirkung ansetzen. Aber man weiß genau, welche Wirkungen die Medikamente auf den menschlichen Körper haben. Schon kleinste Dosen bewirken nach längerer Einnahme eine Veränderung des sog. „psychischen Grundbefindens". Du selbst wirst antriebslos — „alles läßt dich kalt". Begegnest du jemandem, der z.B. unter. Haloperidol steht, hast du oft den Eindruck, du könntest ihm eine scheuern, ohne daß es ihn weiter „trifft". Viele kennen ja sicher auch den sog. „Haloperidol-Gang" bei jenen Leuten, denen das Medikament über längere Zeit eingeflößt worden ist. Im allgemeinen fängt jeder Mensch in angespannten oder aufregenden Situationen an zu schwitzen, bekommt Herzjagen oder fängt an zu zittern. Gerade diese natürliche Körperreaktionen werden je nach Stärke der Medikamente teilweise oder völlig unterdrückt. Ebenso wird die Spannung der Muskulatur durch diese Medikamente herabgesetzt, d.h. du hast das Gefühl, gewollte Bewegungen nur noch sehr langsam oder mühsam machen zu können. Grundsätzlich sind die Nebenwirkungen bei dieser Gruppe von Medikamenten etwas unterschiedlich. Zwei Beispiele sollen das zeigen.

1. Haloperidol: Verlangsamung aller körperlichen Reaktionen; du wirst schläfrig, siehts alles auf Distanz, hast keinen Appetit mehr, schwitze sehr viel. Zusätzlich kann es zu unwillkürlichen Muskelzuckungen kommen, die du nicht kontrollieren kannst (Mund, Gesicht, Arme, Beine). Viele, die Haloperidol lange eingeflößt bekommen haben, können nicht mehr ruhig sitzen oder im Bett liegen. Sie laufen unruhig und ungezielt dauernd hin und her. Im Knast wird oft versucht, diese Leute „ruhigzustellen" indem sie von Wärtern im Bett gefesselt werden; anstatt das Medikament nicht mehr zu geben, von dem alles herrührt. Daneben kannst du allergische Hautausschläge bekommen. Gelbsucht kann auftreten. Trinkst du zusätzlich Alkohol, können sich Wirkungen und vor allem Nebenwirkungen gefährlich verstärken. Mit diesem Medikament kann ein Mensch psychisch völlig verändere werden, Du kennst ihn nicht mehr wieder.

2. Truxal, Taractan: Bei diesen Medikamenten kann es sein, daß du nicht mehr richtig schlafen kannst; es kommt zu Darmverstopfungen, dein Mund wird ganz trocken, du kannst plötzlich nicht mehr richtig pinkeln! Außerdem tritt auch hier ein nicht kontrollierbares Muskelzucken auf. Ganz gefährlich ist es, wenn jemand dieses Medikament bekommt, der unter epileptischen Anfällen leidet! Durch diese Medikamente können neue Krampfanfälle ausgelöst werden. Bei Gabe oder Einflößen von hohen Dosen fängst du an zu phantasieren, und leidest gleichzeitig unter Herzjagen und allgemeiner Unruhe. Alle sog. Neuroleptika verursachen bei dir mehr oder weniger starke Kreislaufstörungen, z.B. im Stehen Blutdruckabfall mit starkem Schwindelgefühl. Nimmt jemand in Selbstmordabsicht oder wird jemandem in Tötungsabsicht eine Überdosis dieser Medikamente eingeflößt, so ist eine tiefe Bewußtlosigkeit wie bei einer Schlafmittelvergiftung die Folge (siehe auch Abschnitt 17.4. „akute Notfälle").

Antidepressiva

z.B. Aponal, Anafranil, Insidon, Laroxyl, Lithium, Ludiomil, Nortrilen, Saroten, Sinquan, Tofranil, Tolvin.

Diese Medikamentengruppe wirkt, indem sie in den Stoffwechsel des Gehirns eingreife. Herauskommen soll dabei, daß bei dir Depressionen „beiseitigt" werden sollen, daß dir Angst genommen werden soll, oder vereinfacht ausgedruckt „Müde wieder munter gemacht" werden sollen. Noch mehr als bei den anderen Psychopharmaka muß bei dieser Gruppe darauf geachtet werden, welches Medikament gegeben wird. Sonst kann es zu gefährlichen Folgen kommen. Viel zu schnell und off wird dieses Medikament im Knast gegeben, z.B. einfach zum Einschlafen. So ist es vorgekommen, daß jemandem ein Medikament dieser Gruppe gegeben wurde, gegen Depressionen und „Selbstmordgefahr". Und was passierte: Wegen der Speziellen Wirkung dieses Medikamentes hat er tatsächlich einen Selbstmordversuch gemacht, obwohl ja wohl das Gegenteil erreicht werden sollte. Wegen dieser Wirkung mußt du gerade bei Medikamenten, die gegen „Depressionen" gegeben werden, immer nach dem Namen fragen und ob sie eventuell aus dieser Gruppe stammen.

Nebenwirkungen: Bei diesen Medikamenten sind sie nicht „nur" unangenehm, sondern sehr gefährlich und. ausgeprägter als bei den anderen Psychopharmaka; es kann sein, daß du plötzlich nicht mehr richtig pinkeln kannst, dein Mund wird furchtbar trocken, du siehst verschwommen, weil sich der Druck im Glaskörper des Auges erhöht hat. Ebenso wie bei den anderen Medikamenten merkst du selber, daß dein Kreislauf zu wackeln anfängt, Herzbeschwerden sind nicht selten: Herzrasen, Herzstolpern, sog. „Herzrhythmusstörungen". Weiterhin kannst du Gelbsucht bekommen, die Zahl der weißen Blutkörperchen vermindert sich. Und als letztes kannst du auch hier merken, wie Leute, die. vielleicht zu viel von den Medikamenten bekommen haben, völlig verwirrt werden und durchdrehen, mit den Symptomen, wie sie beim Delir weiter oben beschrieben sind. Alkohol verstärkt die „beruhigende" Wirkung dieser Medikamente, d.h. dich haut's um. Du mußt unbedingt darauf achten, daß diese Medikament« — wenn sie schon angeblich notwendig sind — nur unter strengster ärztlicher Kontrolle gegeben werden. , Noch ein Wort zum Medikament Lithium, das zur Zeit immer beliebter wird beider Behandlung sog. „manisch-depressiver" Patienten. Die Nebenwirkungen dieses Medikaments können tödlich sein. Und zwar schon, wenn der Wirkungsspiegel dieses Medikaments im Blut nur gering erhöht ist gegenüber den sog. „Normalwerten". Es ist ärztlich unverantwortlich und fahrlässig, dieses Medikament ohne regelmäßige wöchentliche Blutkontrollen zu verabreichen. Neben den sogenannten Psychopharmaka werden im Knast natürlich noch andere Medikamente gegeben, zu denen wir noch was sagen wollen.

Distraneurin

Ein beliebtes Medikament für vieles ist Distraneurin: Dieses Mittel darf eigentlich nur bei der Entzugsbehandlung von Alkoholabhängigen in der ersten Zeit gegeben werden. Und zwar deshalb nur kurze Zeit, weil sonst die Abhängigkeit vom Alkohol nur durch die Abhängigkeit von Distraneurin vertauscht wird. Draußen wird es auch als Tropf gegeben beim Delir durch Entzug, jedoch nur in Krankenhäusern unter ärztlicher Überwachung. Denn eine Überdosis führt zur Lähmung der Atmung und damit zum Tod. Es ist deshalb ganz falsch bzw. schädlich und sollte verboten sein, Distraneurin als Schlafmittel und Beruhigungsmittel zu geben, da man wie gesagt körperlich abhängig wird.

Schlafmittel, auch Hypriotika genannt

1.Barbkurat-hakige: Lumina], Medomin, Phanodorm, Stadadorm, Speda, Nervo, opt., Norkotral, Somnifen, Vesparax, Beilergal, Bella sanol.

2.Ohne Barbiturate: Betadorm, Diudorm, Dolestan, Eatan, Halbmond, Hoggar, Mandrax, Plantival, Somnibei, Staurodorm, Valmane, Chloraldurat.

Alle Schlafmittel wirken durch Veränderungen am zentralen Nervensystem des Gehirns. Durch Ihre Wirkung wird dein Bewußtsein ähnlich wie beim natürlichen Schlaf ausgeschaltet. Dies führt bei jedem Menschen zu Veränderungen im schon oben beschrieben Schlafrhythmus während einer Nacht. Die Folge: die Medikamente unterdrücken meistens die wichtige Traumphase deines Schlafes und am nächsten Morgen hast du das Gefühl, überhaupt nicht ausgeschlafen zu sein, obwohl du ja eigentlich „geschlafen" hast. Deshalb: Versuche immer, so weites nur geht, ohne Schlafmittel auszukommen.

Nebenwirkungen: Alle Schlafmittel können bei längerer Einnahme zu körperlicher Abhängigkeit führen; außerdem kommt es vor allem auch zu Kreislaufstörungen durch Blutdruckabfall. Die Wirkung der Schlafmittel wird verstärkt, wenn man sie zusätzlich zu irgendeinem Mittel aus der Gruppe der oben erwähnten Psychopharmaka einnimmt. Schlafmittel werden im Knast und draußen am häufigsten genommen, wenn jemand Selbstmord machen will. Und oft gelingt dies mit „Erfolg", jedoch muß man sich immer vor Augen halten, welche Schäden auftreten können, wenn dieser „Versuch" mißlingt. Wird jemand erst längere Zeit nach der Einnahme von Schlaftabletten gefunden, so ist er meist tief bewußtlos. Zwar kann er meistens wieder zum Bewußtsein gebracht werden, jedoch passiert es nicht selten, daß als Folge Lähmungen eines Armes oder Beines zurückbleiben. Was du selbst machen kannst, wenn du jemanden findest, der Tabletten geschluckt hat, ist im Kapitel „Akute Notfälle" in Abschnitt 17.4. beschrieben.

Schmerzmittel

Nur die gebräuchlichsten Namen: Azur, Dolomo, Dolviran, Fortalidon, Fortal, Gelonida, Lonarid, Neuramag, Optalidon, Treupel, Aspirin, Aspro, Boxazin, Ditonal, Eu-med, Neuralgin, Novalgin, Octadon, Prontopyrin, Quadronal, Saridon, Sinpro, Spalt, Thomapyrin, Togal, Vivimed.

Alle oben genannten Schmerzmittel haben mehr oder weniger starke Nebenwirkungen, wenn sie länger regeImäßig eingenommen werden. Insbesondere wenn du sie über Monate oder Jahre einnimmst. Dazu kann auch hier eine körperliche Abhängigkeit auftreten. Am.wenigsten Nebenwirkungen hat ASPIRIN. Gleiche Mittel sind Aspro, Coifarit, Godamed, Apyron, Boxazin, Alka-Selzer, Acatylin. Die größte Gefahr des Aspirin geht von seiner Wirkung auf die Magenschleimhaut aus. Bei längerer Einnahme greift es, auch bei jemandem, der sonst nichts mit dem Magen zu tun hat, die Schleimhaut an und kann zu Blutungen der Magenschleimhaut führen. Deshalb solltest du, wenn du mal ein Magengeschwür gehabt hast oder noch eines hast, kein Aspirin einnehmen. Entweder kann ein altes Geschwür wieder aufbrechen oder ein vorhandenes anfangen zu bluten. Beim Aspirin kannst du die Wirkungen gegen die Magenschleimhaut dadurch abmindern, daß du vorher etwas Milch trinkst oder auch ein sog. Magenmittel wie Gelusilac oder Phosphalugel vorher nimmst. Eine andere Gruppe von Schmerzmitteln enthält einen Stoff mit dem Namen Phenacitin. Es ist seit Jahren bekannt, daß dieser Wirkstoff bei längerer Einnahme zu nicht wieder gutzumachenden Nierenschäden führt. Dazu gehören Mittel wie Dolviran, Gelonida, Thomapyrin, Saridon, Treupel, Vivimed, Quadronal, Dolomo, u.a. Andere allgemeine Nebenwirkungen, die bei dir nach längerer Einnahme von Schmerzmitteln auftreten können, sind: Blutarmut, chron. Kopfschmerzen, Gelb­sucht.

Antibiotika

Einige Namen: Baycillin, Isocillin, Stapenor, Binotal,. Denpen, Reverin, Klinomycin.

Als Antibiotika werden Medikamente bezeichnet, die mehr oder weniger wirksam bei Entzündungen durch Bakterien sind. Wir können hier nicht alle verschiedenen Arten der Medikamente aufzählen. Wichtiger, glaube ich, ist es für jeden im Knast zu wissen, warm man eigentlich Antibiotika einnehmen sollte oder sich geben lassen sollte. Die Wirkung dieser Medikamente besteht darin, daß sie Bakterien entweder ganz abtöten oder ihr Wachstum bremsen, so daß der Körper eigene Abwehrkräfte gegen die Bakterien aufbauen kann. Grundsätzlich wirken bestimmte Antibiotika nur gegen bestimmte Bakterien. Deshalb soll ein Antibiotikum erst dann gegeben werden, wenn man weiß: 1. welche Art von Bakterien die Entzündung hervorgerufen haben, und 2. welches Antibiotikum überhaupt wirksam ist. Die Tests, die hierfür notwendig sind, nennt man Antibiogramm. Also immer danach fragen, bevor du dir Antibiotika geben läßt. Diesen Test kann man aus Spucke, Urin, Blut oder Eiter aus einer Wunde machen. Bei einer Gallenblasenentzündung kann man das jedoch zum Beispiel nicht. Hier sind aber Medikamente wie Reverin, Binotal, Deripen, Klinomycin wirksam. Draußen wie im Knast werden Antibiotika viel zu oft gegeben, meistens ohne daß ein Test auf die Wirksamkeit gemacht wurde. Zum Beispiel sind sie völlig unwirksam bei Schnupfen oder Grippe, da diese Krankheiten durch Viruserreger hervorgerufen werden. Bekommst du aber Antibiotika, so mußt du sie mindestens 7-8 Tage einnehmen. Der Grund: nimmst du sie kürzer, so können die.Bakterien Widerstandskraft gegen das Medikament entwickeln und das Antibiotikum wirkt auch in Zukunft nicht mehr ausreichend.

Kreislaufmittel

d.h. Medikamente gegen zu niedrigen Blutdruck: Akrinor, Amphodyn, Dihydergot rec, Effortil, Novadral retard, Ordinal, RR-plus, Sympatol, Tonolift.

Fast jeder Mensch, der im Knast sitzt, leidet unter Kreislaufstörungen, sei es in U-Haft oder in Strafhaft. Die Ursache ist immer ein und dieselbe: die fehlende körperliche Bewegung. Wie es ja inzwischen sogar aus hochoffiziellen Gutachten bekannt ist, trifft dies in noch stärkerem Maße für Gefangene in Isolationshaft zu. Daraus wird auch sofort klar, daß du diese Beschwerden nicht mit Medikamenten weg bekommst, oder wenn, dann immer nur vorübergehend. Die wirksamste Möglichkeit dagegen anzugehen, ist ein regelmäßiges Trainingsprogramm wenn du in Einzelhaft bist. Und sonst regelmäßiger Sport. Dies haben wir alles oben im Kapitel 13. {„Gesundbleiben") beschrieben. Nur im akuten Notfall, wenn du entweder bewußtlos oder kurz davor bist, ist es vielleicht sinnvoll, auch Medikamente zu nehmen oder zu spritzen. Hierbei ist das Medikament Dihydergot ret. am wirksamsten. Das gilt auch für den Fall, daß der Blutdruckabfall durch andere Medikamente bedingt ist, was oft passieren kann, wie oben beschrieben. Du solltest dann das entsprechende Medikament nicht mehr einnehmen.

Cortison

Zum Schluß noch etwas zu dem als „Wundermittel" bekannten Cortison. es hat viele Handetsnamen: Decortin, Locaeorten, Hydrocortison, Monocortin, Prednisolon, Ultralan, Urbason, Volon, Celestan, Scherisoion.

Die Wirkung dieses Stoffes ist die, daß er entzündungshemmend, gegen Allergien und teilweise gegen bestimmte Arten von Krebs wirkt. Die „Wunderwirkung" liegt darin, daß du z.B. vordergründig eine Gelbsucht damit wegbekommst, aber damit nicht gleichzeitig die gefährliche Entzündung der Leber behoben hast, in diesem Zusammenhang wird es auch als „Weißwascher" bezeichnet, Man kann sagen: wenn jemand tatsächlich wegen einer schweren Erkrankung regelmäßig über längere Zeit eines der oben genannten Mittel nehmen muß, dann gehön er sofort raus aus dem Knast. Einmal zur Überwachung der Nebenwirkungen und zum anderen weil er so schwer krank ist, daß er eigentlich in einer Spezialklinik behandelt werden muß. Die Nebenwirkungen sind schwer: hast du ein Magengeschwür oder neigst du dazu. so kann dies aufbrechen oder zu bluten anfangen, noch schneller und stärker als durch lange Einnahme von Aspirin, also bereits nach kürzester Zeit. Eine Neigung zur Zuckerkrankheit kann zur voll ausgeprägten Zuckerkrankheit werden; du wirst dicker; aus deinen Knochen wird der Kalk abgebaut; ein ganz billiger Schnupfen oder eine Bronchitis können zur Lungenentzündung werden, da die körpereigene Abwehr gebremst ist. Das sind nur einige Beispiele über die Nebenwirkungen. Als letztes noch etwas zur gewaltsamen Einbringung von Medikamenten, meistens in der Form des „Abspritzens". Wenn du dies bei einem Mitgefangenen mitbekommst, merke es dir und teile es jemandem mit, denn: draußen ist die gewaltsame Verabreichung einer Spritze vorsatzliche Körperverletzung, wofür der Arzt haftbar gemacht wird. Und dies muß auch im Knast für die Anstaltsärzte gelten.


21.Medikamente

Im Kapitel 19.„drohende Psychiatrisierung"wurde beschrieben, wie Medikamente und speziell sogenannte Psychopharmaka eingesetzt werden, um dich im Knast zu „heilen" oder dich „angepaßt" werden zu lassen. Bevor von den einzelnen Medikamenten, ihren Wirkungen und Nebenwirkungen gesprochen wird, soll noch etwas zu Medikamenten allgemein gesagt werden. Schon unter den „normalen" Lebensbedingun­gen draußen führen viele Medikamente zu einer Tablettenabhängigkeit, Ohne regelmäßige Tabletteneinnahme können manche nicht mehr leben. Noch viel leichter und schneller kann dies im Knast passieren. Beginnst du einmal gegen die vielen Auswirkungen des Knasts (Angst, Alleinsein, Konzentrationsschwächen, innere Unruhe etc.) Medikamente zu nehmen, kannst du schnell von ihnen abhängig werden. Damit bist du aber auch gleichzeitig von den Sanitätern, Schließern oder den Geschäftemachern unter den Gefangenen abhängig und ihnen ausgeliefert. Denn von ihnen brauchst du deine Ration Tabletten. Damit haben sie dich in der Hand.

Deshalb: Bevor du wegen Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Einsamkeit eine Tablette einwirfst, versuche diese Beschwerden mit anderen Mitteln, wie autogenem Training, Massagen, Konzentrationsübungen, Akupressur zu bekämpfen! Oft ist es allerdings auch so, daß dir zwangsweise Medikamente gegeben werden sollen. In den wenigsten Fällen ist es wirklich nötig, welche zu nehmen: wegen einer ernsthaften Erkrankung, zum Beispiel Entzündungen, Fieber oder Herzkrankheiten. In jedem Fall mußt du darauf achten und darauf bestehen, zu erfahren wie das Medikament heißt und was in der Tablette drin ist. Dann kannst du andere fragen, ob die Tablette überhaupt wirkt oder gegen bzw. für was sie sein soll. Einige Medikamentengruppen hier sollen näher beschrieben werden:

Psychopharmaka S. 2

Tranquilizer S. 2

Neuroleptika S. 3

Antidepressiva S. 5

Distraneurin S.

Schlafmittel S.

Schmerzmittel S. 7

Antibiotika S. 7

Kreislaufmittel S. 8

Cortison S. 9


Psychopharmaka

Diese Sorte von Medikamenten setzen mit ihrer Wirkung am Gehirn an und führen zu „bestimmten" Veränderungen deines Verhaltens, deines Reaktionsvermögens und der sog. „Stimmungslage". Es sind also Medikamente, die dein Verhalten und dein Befinden verändern. Verschiedene Formen des „Ausflippens", „auffälliges" und „störendes" Verhalten (Angst, innere Unruhe, „Haftkoller", Niedergeschlagenheit, Traurigkeit) können so unterdrückt werden. Bestehende Konflikte werden natürlich durch das Schlucken dieser Medikamente nicht gelöst. Jedoch können sie ohne direkte Gewaltanwendung als sogenannte „psychische Zwangsjacke" eingesetzt und zur „Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in der Anstalt" benutzt werden. Dies „Anwendungsgebiet" ist in den Knästen in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten. Wer sich, im Knast nicht „einpaßt", wer „renitent" ist, wird einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen. Es sollen jetzt einzelne dieser Medikamente mit ihren Wirkungen und Nebenwirkungen, d.h. gesundheitsschädigenden Wirkungen beschrieben werden. Unter den Psychopharmaka gibt es verschiedene Gruppen von Medikamenten, je nach Art oder Ausmaß der angeblich festgestellten sog. „Auffälligkeit":

I. bei Unruhezustanden, Angst, Spannungsgefühl, Schlafstörungen: sog. TRANQUILIZER {sprich: Tranquileiser) Valium, Librium etc.

II. bei starken „Erregungszuständen", „Haftkoller":sog. NEUROLEPTIKA Haloperidol z.B.

III. bei Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Depression sog. ANTIDEPRESSIVA Tranquilizer (Beruhigungsmittel) z.B. Valium, Librium, Adumbran, Tranxilium, Demetrin, Tavor ,Nobrium, Lexotartil, Aneural, Miltaun, Omnisedan, Praxiten, Visano, Tacitin

Wirkung: Diese Medikamente wirken auf bestimmte Teile des Gehirns, die in besonderer Weise deine psychische Verfassung bestimmen. Sie wirken allgemein „dampfend", d.h. sie lassen dich kaum noch spontan reagieren, bringen Angstge­fühle zum Abklingen, führen zur Erschlaffung der Muskulatur. Durch all diese ver­schiedenen Wirkungen haben diese Medikamente einen schlaffördernden Effekt. Jedoch auf Kosten eines „gesunden" Schlafs. Der Schlaf eines jeden Menschen besteht im allgemeinen aus zwei sich abwechselnden Phasen. Sie unterscheiden sich einmal untereinander durch unter­schiedliche Schnelle des Herzschlages, der Höhe des Blutdrucks im Schlaf, Durch­blutung des Gehirns; vor allem aber durch eines: in dereinen Phase träumt man,.in der anderen nicht, in.der Zeitdauer haben die zwei Phasen ein ziemlich festes Ver­hältnis zueinander. Durch die Tranquilizer und die üblichen Schlafmittel (siehe auch dort), wird dieses natürliche Verhältnis gestört. Morgens wachst du wie gerädert auf, obwohl (bzw. weil) du ein „Schlafmitte!" genommen hattest. Nimmst du diese Medikamente über längere Zeit ein, „gewöhnt" sich dein Körper daran. Du mußt dann immer größere Mengen Tabletten einnehmen, um den „gleichen Effekt" zu haben.

Nebenwirkungen: Es ist bewiesen, daß man.bei langem Einnehmen dieser Medika­mente pychisch von ihnen abhängig wird, d.h. du hast das Gefühl, sie immer einnehmen zu müssen, weil du dich sonst nicht wohl fühlst. Aber ebenso können Anzeichen von körperlicher Abhängigkeit auftreten. Typisches Zeichen ist das sog. Delir; psychische Unruhe, körperlich unruhig, Verwirrtheit, Halluzinationen, Schwitzen, Herzjagen. Neben diesen offensichtlichsten Nebenwirkungen bemerkst du allerdings noch durch andere Dinge, daß die Medikamente „wirken"; du merkst, bei dir und anderen, daß du nicht mehr so schnell und locker reden kannst. Antworten auf Fragen, die dir gestellt werden, kommen nur schleppend, alle Bewegungen deines Körpers sind verlangsamt. Trinkst du gleichzeitig Alkohol oder nimmst zusätzlich Schlafmittel ein, so werden diese Nebenwirkungen noch verstärkt. Eines ist noch sehr wichtig: Einige der üblicherweise im Knast gegebenen Beruhi­gungsmittel (Valium, Librium, Lexotanil) werden im Körper nur langsam abgebaut. Nach 24 Stunden ist noch mehr als die Hälfte des Wirkstoffs im Körper. Dadurch kannst du vielleicht damit vollgepumpt werden,obwohl du nurdie „normale" Dosis von 2 mal 1 Tablette in 24 Stunden bekommen hast. Umbringen kann man sich jedoch mit diesen Medikamenten, wenn nicht andere körperliche Komplikationen hinzukommen, eigentlich nicht.

Neuroleptika

z.B. Haloperidol, Haldol, Leponex, Taxilan, Megaphen, Melleril, Neurocil, Taractan, Truxal, Atosil, jacroneural, Omca, Psyquil.

Bis heute ist nicht bekannt, wo genau im Gehirn diese Medikamente mit ihrer Wirkung ansetzen. Aber man weiß genau, welche Wirkungen die Medikamente auf den menschlichen Körper haben. Schon kleinste Dosen bewirken nach längerer Einnahme eine Veränderung des sog. „psychischen Grundbefindens". Du selbst wirst antriebslos — „alles läßt dich kalt". Begegnest du jemandem, der z.B. unter. Haloperidol steht, hast du oft den Eindruck, du könntest ihm eine scheuern, ohne daß es ihn weiter „trifft". Viele kennen ja sicher auch den sog. „Haloperidol-Gang" bei jenen Leuten, denen das Medikament über längere Zeit eingeflößt worden ist. Im allgemeinen fängt jeder Mensch in angespannten oder aufregenden Situationen an zu schwitzen, bekommt Herzjagen oder fängt an zu zittern. Gerade diese natürliche Körperreaktionen werden je nach Stärke der Medikamente teilweise oder völlig unterdrückt. Ebenso wird die Spannung der Muskulatur durch diese Medikamente herabgesetzt, d.h. du hast das Gefühl, gewollte Bewegungen nur noch sehr langsam oder mühsam machen zu können. Grundsätzlich sind die Nebenwirkungen bei dieser Gruppe von Medikamenten etwas unterschiedlich. Zwei Beispiele sollen das zeigen.

1. Haloperidol: Verlangsamung aller körperlichen Reaktionen; du wirst schläfrig, siehts alles auf Distanz, hast keinen Appetit mehr, schwitze sehr viel. Zusätzlich kann es zu unwillkürlichen Muskelzuckungen kommen, die du nicht kontrollieren kannst (Mund, Gesicht, Arme, Beine). Viele, die Haloperidol lange eingeflößt bekommen haben, können nicht mehr ruhig sitzen oder im Bett liegen. Sie laufen unruhig und ungezielt dauernd hin und her. Im Knast wird oft versucht, diese Leute „ruhigzustellen" indem sie von Wärtern im Bett gefesselt werden; anstatt das Medikament nicht mehr zu geben, von dem alles herrührt. Daneben kannst du allergische Hautausschläge bekommen. Gelbsucht kann auftreten. Trinkst du zusätzlich Alkohol, können sich Wirkungen und vor allem Nebenwirkungen gefährlich verstärken. Mit diesem Medikament kann ein Mensch psychisch völlig verändere werden, Du kennst ihn nicht mehr wieder.

2. Truxal, Taractan: Bei diesen Medikamenten kann es sein, daß du nicht mehr richtig schlafen kannst; es kommt zu Darmverstopfungen, dein Mund wird ganz trocken, du kannst plötzlich nicht mehr richtig pinkeln! Außerdem tritt auch hier ein nicht kontrollierbares Muskelzucken auf. Ganz gefährlich ist es, wenn jemand dieses Medikament bekommt, der unter epileptischen Anfällen leidet! Durch diese Medikamente können neue Krampfanfälle ausgelöst werden. Bei Gabe oder Einflößen von hohen Dosen fängst du an zu phantasieren, und leidest gleichzeitig unter Herzjagen und allgemeiner Unruhe. Alle sog. Neuroleptika verursachen bei dir mehr oder weniger starke Kreislaufstörungen, z.B. im Stehen Blutdruckabfall mit starkem Schwindelgefühl. Nimmt jemand in Selbstmordabsicht oder wird jemandem in Tötungsabsicht eine Überdosis dieser Medikamente eingeflößt, so ist eine tiefe Bewußtlosigkeit wie bei einer Schlafmittelvergiftung die Folge (siehe auch Abschnitt 17.4. „akute Notfälle").

Antidepressiva

z.B. Aponal, Anafranil, Insidon, Laroxyl, Lithium, Ludiomil, Nortrilen, Saroten, Sinquan, Tofranil, Tolvin.

Diese Medikamentengruppe wirkt, indem sie in den Stoffwechsel des Gehirns eingreife. Herauskommen soll dabei, daß bei dir Depressionen „beiseitigt" werden sollen, daß dir Angst genommen werden soll, oder vereinfacht ausgedruckt „Müde wieder munter gemacht" werden sollen. Noch mehr als bei den anderen Psychopharmaka muß bei dieser Gruppe darauf geachtet werden, welches Medikament gegeben wird. Sonst kann es zu gefährlichen Folgen kommen. Viel zu schnell und off wird dieses Medikament im Knast gegeben, z.B. einfach zum Einschlafen. So ist es vorgekommen, daß jemandem ein Medikament dieser Gruppe gegeben wurde, gegen Depressionen und „Selbstmordgefahr". Und was passierte: Wegen der Speziellen Wirkung dieses Medikamentes hat er tatsächlich einen Selbstmordversuch gemacht, obwohl ja wohl das Gegenteil erreicht werden sollte. Wegen dieser Wirkung mußt du gerade bei Medikamenten, die gegen „Depressionen" gegeben werden, immer nach dem Namen fragen und ob sie eventuell aus dieser Gruppe stammen.

Nebenwirkungen: Bei diesen Medikamenten sind sie nicht „nur" unangenehm, sondern sehr gefährlich und. ausgeprägter als bei den anderen Psychopharmaka; es kann sein, daß du plötzlich nicht mehr richtig pinkeln kannst, dein Mund wird furchtbar trocken, du siehst verschwommen, weil sich der Druck im Glaskörper des Auges erhöht hat. Ebenso wie bei den anderen Medikamenten merkst du selber, daß dein Kreislauf zu wackeln anfängt, Herzbeschwerden sind nicht selten: Herzrasen, Herzstolpern, sog. „Herzrhythmusstörungen". Weiterhin kannst du Gelbsucht bekommen, die Zahl der weißen Blutkörperchen vermindert sich. Und als letztes kannst du auch hier merken, wie Leute, die. vielleicht zu viel von den Medikamenten bekommen haben, völlig verwirrt werden und durchdrehen, mit den Symptomen, wie sie beim Delir weiter oben beschrieben sind. Alkohol verstärkt die „beruhigende" Wirkung dieser Medikamente, d.h. dich haut's um. Du mußt unbedingt darauf achten, daß diese Medikament« — wenn sie schon angeblich notwendig sind — nur unter strengster ärztlicher Kontrolle gegeben werden. , Noch ein Wort zum Medikament Lithium, das zur Zeit immer beliebter wird beider Behandlung sog. „manisch-depressiver" Patienten. Die Nebenwirkungen dieses Medikaments können tödlich sein. Und zwar schon, wenn der Wirkungsspiegel dieses Medikaments im Blut nur gering erhöht ist gegenüber den sog. „Normalwerten". Es ist ärztlich unverantwortlich und fahrlässig, dieses Medikament ohne regelmäßige wöchentliche Blutkontrollen zu verabreichen. Neben den sogenannten Psychopharmaka werden im Knast natürlich noch andere Medikamente gegeben, zu denen wir noch was sagen wollen.

Distraneurin

Ein beliebtes Medikament für vieles ist Distraneurin: Dieses Mittel darf eigentlich nur bei der Entzugsbehandlung von Alkoholabhängigen in der ersten Zeit gegeben werden. Und zwar deshalb nur kurze Zeit, weil sonst die Abhängigkeit vom Alkohol nur durch die Abhängigkeit von Distraneurin vertauscht wird. Draußen wird es auch als Tropf gegeben beim Delir durch Entzug, jedoch nur in Krankenhäusern unter ärztlicher Überwachung. Denn eine Überdosis führt zur Lähmung der Atmung und damit zum Tod. Es ist deshalb ganz falsch bzw. schädlich und sollte verboten sein, Distraneurin als Schlafmittel und Beruhigungsmittel zu geben, da man wie gesagt körperlich abhängig wird.

Schlafmittel, auch Hypriotika genannt

1.Barbkurat-hakige: Lumina], Medomin, Phanodorm, Stadadorm, Speda, Nervo, opt., Norkotral, Somnifen, Vesparax, Beilergal, Bella sanol.

2.Ohne Barbiturate: Betadorm, Diudorm, Dolestan, Eatan, Halbmond, Hoggar, Mandrax, Plantival, Somnibei, Staurodorm, Valmane, Chloraldurat.

Alle Schlafmittel wirken durch Veränderungen am zentralen Nervensystem des Gehirns. Durch Ihre Wirkung wird dein Bewußtsein ähnlich wie beim natürlichen Schlaf ausgeschaltet. Dies führt bei jedem Menschen zu Veränderungen im schon oben beschrieben Schlafrhythmus während einer Nacht. Die Folge: die Medikamente unterdrücken meistens die wichtige Traumphase deines Schlafes und am nächsten Morgen hast du das Gefühl, überhaupt nicht ausgeschlafen zu sein, obwohl du ja eigentlich „geschlafen" hast. Deshalb: Versuche immer, so weites nur geht, ohne Schlafmittel auszukommen.

Nebenwirkungen: Alle Schlafmittel können bei längerer Einnahme zu körperlicher Abhängigkeit führen; außerdem kommt es vor allem auch zu Kreislaufstörungen durch Blutdruckabfall. Die Wirkung der Schlafmittel wird verstärkt, wenn man sie zusätzlich zu irgendeinem Mittel aus der Gruppe der oben erwähnten Psychopharmaka einnimmt. Schlafmittel werden im Knast und draußen am häufigsten genommen, wenn jemand Selbstmord machen will. Und oft gelingt dies mit „Erfolg", jedoch muß man sich immer vor Augen halten, welche Schäden auftreten können, wenn dieser „Versuch" mißlingt. Wird jemand erst längere Zeit nach der Einnahme von Schlaftabletten gefunden, so ist er meist tief bewußtlos. Zwar kann er meistens wieder zum Bewußtsein gebracht werden, jedoch passiert es nicht selten, daß als Folge Lähmungen eines Armes oder Beines zurückbleiben. Was du selbst machen kannst, wenn du jemanden findest, der Tabletten geschluckt hat, ist im Kapitel „Akute Notfälle" in Abschnitt 17.4. beschrieben.

Schmerzmittel

Nur die gebräuchlichsten Namen: Azur, Dolomo, Dolviran, Fortalidon, Fortal, Gelonida, Lonarid, Neuramag, Optalidon, Treupel, Aspirin, Aspro, Boxazin, Ditonal, Eu-med, Neuralgin, Novalgin, Octadon, Prontopyrin, Quadronal, Saridon, Sinpro, Spalt, Thomapyrin, Togal, Vivimed.

Alle oben genannten Schmerzmittel haben mehr oder weniger starke Nebenwirkungen, wenn sie länger regeImäßig eingenommen werden. Insbesondere wenn du sie über Monate oder Jahre einnimmst. Dazu kann auch hier eine körperliche Abhängigkeit auftreten. Am.wenigsten Nebenwirkungen hat ASPIRIN. Gleiche Mittel sind Aspro, Coifarit, Godamed, Apyron, Boxazin, Alka-Selzer, Acatylin. Die größte Gefahr des Aspirin geht von seiner Wirkung auf die Magenschleimhaut aus. Bei längerer Einnahme greift es, auch bei jemandem, der sonst nichts mit dem Magen zu tun hat, die Schleimhaut an und kann zu Blutungen der Magenschleimhaut führen. Deshalb solltest du, wenn du mal ein Magengeschwür gehabt hast oder noch eines hast, kein Aspirin einnehmen. Entweder kann ein altes Geschwür wieder aufbrechen oder ein vorhandenes anfangen zu bluten. Beim Aspirin kannst du die Wirkungen gegen die Magenschleimhaut dadurch abmindern, daß du vorher etwas Milch trinkst oder auch ein sog. Magenmittel wie Gelusilac oder Phosphalugel vorher nimmst. Eine andere Gruppe von Schmerzmitteln enthält einen Stoff mit dem Namen Phenacitin. Es ist seit Jahren bekannt, daß dieser Wirkstoff bei längerer Einnahme zu nicht wieder gutzumachenden Nierenschäden führt. Dazu gehören Mittel wie Dolviran, Gelonida, Thomapyrin, Saridon, Treupel, Vivimed, Quadronal, Dolomo, u.a. Andere allgemeine Nebenwirkungen, die bei dir nach längerer Einnahme von Schmerzmitteln auftreten können, sind: Blutarmut, chron. Kopfschmerzen, Gelb­sucht.

Antibiotika

Einige Namen: Baycillin, Isocillin, Stapenor, Binotal,. Denpen, Reverin, Klinomycin.

Als Antibiotika werden Medikamente bezeichnet, die mehr oder weniger wirksam bei Entzündungen durch Bakterien sind. Wir können hier nicht alle verschiedenen Arten der Medikamente aufzählen. Wichtiger, glaube ich, ist es für jeden im Knast zu wissen, warm man eigentlich Antibiotika einnehmen sollte oder sich geben lassen sollte. Die Wirkung dieser Medikamente besteht darin, daß sie Bakterien entweder ganz abtöten oder ihr Wachstum bremsen, so daß der Körper eigene Abwehrkräfte gegen die Bakterien aufbauen kann. Grundsätzlich wirken bestimmte Antibiotika nur gegen bestimmte Bakterien. Deshalb soll ein Antibiotikum erst dann gegeben werden, wenn man weiß: 1. welche Art von Bakterien die Entzündung hervorgerufen haben, und 2. welches Antibiotikum überhaupt wirksam ist. Die Tests, die hierfür notwendig sind, nennt man Antibiogramm. Also immer danach fragen, bevor du dir Antibiotika geben läßt. Diesen Test kann man aus Spucke, Urin, Blut oder Eiter aus einer Wunde machen. Bei einer Gallenblasenentzündung kann man das jedoch zum Beispiel nicht. Hier sind aber Medikamente wie Reverin, Binotal, Deripen, Klinomycin wirksam. Draußen wie im Knast werden Antibiotika viel zu oft gegeben, meistens ohne daß ein Test auf die Wirksamkeit gemacht wurde. Zum Beispiel sind sie völlig unwirksam bei Schnupfen oder Grippe, da diese Krankheiten durch Viruserreger hervorgerufen werden. Bekommst du aber Antibiotika, so mußt du sie mindestens 7-8 Tage einnehmen. Der Grund: nimmst du sie kürzer, so können die.Bakterien Widerstandskraft gegen das Medikament entwickeln und das Antibiotikum wirkt auch in Zukunft nicht mehr ausreichend.

Kreislaufmittel

d.h. Medikamente gegen zu niedrigen Blutdruck: Akrinor, Amphodyn, Dihydergot rec, Effortil, Novadral retard, Ordinal, RR-plus, Sympatol, Tonolift.

Fast jeder Mensch, der im Knast sitzt, leidet unter Kreislaufstörungen, sei es in U-Haft oder in Strafhaft. Die Ursache ist immer ein und dieselbe: die fehlende körperliche Bewegung. Wie es ja inzwischen sogar aus hochoffiziellen Gutachten bekannt ist, trifft dies in noch stärkerem Maße für Gefangene in Isolationshaft zu. Daraus wird auch sofort klar, daß du diese Beschwerden nicht mit Medikamenten weg bekommst, oder wenn, dann immer nur vorübergehend. Die wirksamste Möglichkeit dagegen anzugehen, ist ein regelmäßiges Trainingsprogramm wenn du in Einzelhaft bist. Und sonst regelmäßiger Sport. Dies haben wir alles oben im Kapitel 13. {„Gesundbleiben") beschrieben. Nur im akuten Notfall, wenn du entweder bewußtlos oder kurz davor bist, ist es vielleicht sinnvoll, auch Medikamente zu nehmen oder zu spritzen. Hierbei ist das Medikament Dihydergot ret. am wirksamsten. Das gilt auch für den Fall, daß der Blutdruckabfall durch andere Medikamente bedingt ist, was oft passieren kann, wie oben beschrieben. Du solltest dann das entsprechende Medikament nicht mehr einnehmen.

Cortison

Zum Schluß noch etwas zu dem als „Wundermittel" bekannten Cortison. es hat viele Handetsnamen: Decortin, Locaeorten, Hydrocortison, Monocortin, Prednisolon, Ultralan, Urbason, Volon, Celestan, Scherisoion.

Die Wirkung dieses Stoffes ist die, daß er entzündungshemmend, gegen Allergien und teilweise gegen bestimmte Arten von Krebs wirkt. Die „Wunderwirkung" liegt darin, daß du z.B. vordergründig eine Gelbsucht damit wegbekommst, aber damit nicht gleichzeitig die gefährliche Entzündung der Leber behoben hast, in diesem Zusammenhang wird es auch als „Weißwascher" bezeichnet, Man kann sagen: wenn jemand tatsächlich wegen einer schweren Erkrankung regelmäßig über längere Zeit eines der oben genannten Mittel nehmen muß, dann gehön er sofort raus aus dem Knast. Einmal zur Überwachung der Nebenwirkungen und zum anderen weil er so schwer krank ist, daß er eigentlich in einer Spezialklinik behandelt werden muß. Die Nebenwirkungen sind schwer: hast du ein Magengeschwür oder neigst du dazu. so kann dies aufbrechen oder zu bluten anfangen, noch schneller und stärker als durch lange Einnahme von Aspirin, also bereits nach kürzester Zeit. Eine Neigung zur Zuckerkrankheit kann zur voll ausgeprägten Zuckerkrankheit werden; du wirst dicker; aus deinen Knochen wird der Kalk abgebaut; ein ganz billiger Schnupfen oder eine Bronchitis können zur Lungenentzündung werden, da die körpereigene Abwehr gebremst ist. Das sind nur einige Beispiele über die Nebenwirkungen. Als letztes noch etwas zur gewaltsamen Einbringung von Medikamenten, meistens in der Form des „Abspritzens". Wenn du dies bei einem Mitgefangenen mitbekommst, merke es dir und teile es jemandem mit, denn: draußen ist die gewaltsame Verabreichung einer Spritze vorsatzliche Körperverletzung, wofür der Arzt haftbar gemacht wird. Und dies muß auch im Knast für die Anstaltsärzte gelten.


zum Inhaltsverzeichnis