Kinder im Frauenknast

Aus Gefangenenratgeber

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6.3. Kinder im Frauengefängnis

Seit 1967 gibt es im Frauenknast in Frankfurt-Preungesheim ein Mütter-Kind-Heim für Frauen mit noch nicht schulpflichtigen Kindern und solchen, die während der Haft ein Kind bekommen. Die Einrichtung soll verhindern, dass Frauen sich wegen ihrer Inhaftierung von ihren noch kleinen Kindern trennen müssen und den Aufbau einer "positiven Mutter-Kind-Beziehung" fördern helfen. Aufnahmekriterien sind u.a., dass die Mutter "in der Lage und gewillt ist", ihr Kind selbst zu versorgen und auch nach der Entlassung bei sich zu behalten. Da das Kinderheim im Knast langfristig auch in anderen Städten eingerichtet werden soll, wollen wir hier etwas näher auf die Situation und die Probleme des "Frankfurter Modells" eingehen:

Einrichtung und Tagesablauf

Das 1975 neu errichtete Gebäude auf dem Anstaltsgelände bietet Platz für 20 Mütter mit 25 Kindern. Im Erdgeschoss liegt der "Kinderheim-Trakt" mit Kinderzimmern, Turnhalle, Besuchsräumen, Bezugspersonenraum, Arztzimmer u.a. Der "Zellentrakt" in den oberen Stockwerken besteht aus Einzelzimmern, in denen je eine Frau mit ihren Kindern bzw. ihrem Kind schläft. Für die Frauen gibt es einen Gemeinschaftsraum auf demselben Stockwerk, der ganze Trakt ist mit einer Gittertür verschließbar. Diese Glas-Gittertür wird morgens um 6.30 Uhr aufgeschlossen. Die Mütter gehen mit ihren Kindern zum Frühstück und um 7.30 bis 16 Uhr zur Arbeit ins Haupthaus (meist Wäscherei). Während dieser Zeit werden die Kinder von den Erziehern betreut. Einige gehen in einen nahe gelegenen öffentlichen Kindergarten. Um 16.45 Uhr essen Mütter und Kinder gemeinsam zu Abend. Danach haben die Mütter Gelegenheit, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen, sie zu baden, mit ihnen zu spielen, ihnen vorzulesen, um 19 Uhr werden die Kinder zu Bett gebracht. Danach haben die Mütter bis 20.45 Uhr Freizeit. Nach dem "Einschluss" in den Zellentrakt können sie sich noch im Gruppenraum aufhalten. Der Vorteil des Heimes liegt darin, dass du von deinem Kind nicht getrennt wirst durch die Haft. Deshalb hast du aber noch keine Vorteile als Gefangene (wie manche Frauen meinen), sondern eher eine Doppelbelastung, und die Nachteile für das Kind sind unvermeidbar.

Situation eines Kindes im Knast

Bevor du dich entscheidest, mit deinem Kind in den Knast zu gehen,solltest du die zusätzlichen Probleme, die dadurch entstehen, bedenken. Weil du tagsüber arbeiten musst, stellt die Versorgung deines Fundes am Feierabend eine Zusatzbelastung dar. Gestresst und müde von der Arbeit kommend, wirst du oft noch weniger die Ruhe dazu haben, dich geduldig mit deinem Kind zu beschäftigen. Deine Situation wird verschärft dadurch, dass das Kind den ganzen Tag mit den Erziehern zusammen ist. Alles, was ihm Spaß macht, wie spazieren gehen, Ausflüge machen, kann es nur mit ahnen machen. Demgegenüber sind deine Möglichkeiten eng begrenzt: du hast wenig Zeit für dem Kind und bist vielleicht gerade dann müde oder auch deprimiert. Um von deinem geringen Verdienst einmal eine Kleinigkeit für dein Kind kaufen zu können, musst du dich selbst schon spürbar einschränken. Dadurch entsteht eine Konkurrenz zwischen Müttern und Erziehern, die die Kinder natürlich voll mitbekommen. Nachteilig ist auch, wenn dein Kind täglich miterlebt, wie du der Schlüsselgewalt des Personals (auch der Erzieher) ausgeliefert bist und abhängig und unselbständig gemacht wirst. Wie soll es da selbständig und unabhängig werden. Du musst auch damit rechnen, dass dein Kind im Knast eine andere, größere Bedeutung für dich bekommt, weil du von allen anderen engen persönlichen Beziehungen abgeschnitten bist. Deshalb werden dich ablehnende Äußerungen deines Kindes — von denen du draußen weißt, dass sie normal sind — vermutlich sehr viel stärker treffen und verletzen. Dass sich unter diesen Bedingungen keine "positive Mutter-Kind-Beziehung" entwickeln kann, hat sich bisher schon erwiesen. Schwierig ist zu entscheiden, was du für dein Kind, für seine Entwicklung getan hast, wenn du ihm durch deine Entscheidung für dieses Heim die Trennung von dir erspart hast. Es wächst im Knast auf. Mit Mauern. Die Mauer, die einen Spielhof begrenzt, ist bunt bemalt und obenauf Stacheldraht. Mit Gittern und Schlüsselgeklirr. Mit kontrollierenden (auch männlichen) Beamten, die es durchsuchen. Die Ausflüge in die "Außenwelt" sind — wegen des Personalmangels — selten. Selbst wenn es in den Kindergarten "2draußen" geht, so muss es doch immer wieder "reingehen" und vielleicht daraus die Erfahrung bilden, dass es aus undurchschaubaren Gründen zu einer besonderen Sorte Mensch gehört. Alles im Knast ist unnatürlich und künstlich. Nicht nur die Umgebung ist lebensfern und wenig abwechslungsreich, sodass dein Kind vieles nicht sehen und nicht lernen kann, was für seine Altersgenossen selbstverständ­lich ist. Auch die Beziehungen der Menschen untereinander im Knast sind unnatürlich, vom institutionellen Zwang bestimmt. Auf engem Raum zwangsweise zusammengesperrt — ohne Ausweichmöglichkeiten, die draußen selbstverständlich sind — dazu in einer besonders belastenden Situation, wie sie die Haft für fast jeden darstellt, ergeben sich stärkere Spannungen und Reibungen, schärfere Auseinandersetzungen. Manche Frauen beschreiben das Leben im Heim als permanenten Kleinkrieg. Wie wird dein Kind damit fertig, dass es Beziehungen zwischen Erwachsenen hauptsächlich so erlebt? Wird es daraus die Erfahrung mitnehmen, dass menschliche Beziehungen immer so sind?

"Kinderknast" als Menschenversuch?

Erzieher, Psychologen und die für das Heim Verantwortlichen geben zu, dass niemand weiß, wie Kinder sich unter solchen Bedingungen entwickeln. Ob die Beziehung zur Mutter, die zweifellos von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung ist, die mit Sicherheit auch eintretenden Schädigungen und Beeinträchtigungen aufwiegen kann? Im August 1976 traten Mütter in der JVA Frankfurt-Preungesheim in den Hungerstreik, um gegen die (aus Gründen der "Sicherheit") zunehmende Verknastung der Kinder zu protestieren, und 1977 haben vier pädagogische Mitarbeiter fristlos gekündigt, weil sie die Bedingungen für die Kinder für nicht mehr vertretbar hielten. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Tendenz, die sich in diesen als "Reformprojekte" verkauften Kinderknästen zeigt: Die Mitbestrafung der Kinder, die Sippenhaft, wird institutionalisiert. Sicher, auch das Kind, das draußen zurückgelassen wird und womöglich am Ende im Fürsorgeheim — der traditionellen Form des Kindergefängnisses — landet, auch dieses Kind bekommt mit rücksichtsloser Härte zu spüren, was die Strafjustiz anrichtet. Die neuen Knastkinderheime machen es jedoch den Richtern sicher leichter, mit "gutem" Gewissen eine (werdende) Mutter einsperren zu lassen. Es wird dann vielleicht immer weniger Richter geben, die sich überlegen, mit Rücksicht auf die mitbetroffenen Kinder Bewährungsstrafen auszusprechen oder Strafaufschub zu gewähren. Eine Entscheidung für ein solches Kinderheim kann also — das wollten wir deutlich machen — nur in Abwägung gegen andere Möglichkeiten getroffen werden: Wenn du keine Bewährungsstrafe oder Strafaufschub mit Rücksicht auf dein Kind bekommst, so kümmere dich rechtzeitig um eine Pflegestelle,denn das Fürsorgeheim ist natürlich auch keine Alternative. (Zur Frage, was mit deinen Kindern geschieht, wenn du inhaftiert wirst,insbesondere, wie man verhindern kann, dass sie in ein Heim gesteckt werden, findest du Näheres


6.3. Kinder im Frauengefängnis

Seit 1967 gibt es im Frauenknast in Frankfurt-Preungesheim ein Mütter-Kind-Heim für Frauen mit noch nicht schulpflichtigen Kindern und solchen, die während der Haft ein Kind bekommen. Die Einrichtung soll verhindern, dass Frauen sich wegen ihrer Inhaftierung von ihren noch kleinen Kindern trennen müssen und den Aufbau einer "positiven Mutter-Kind-Beziehung" fördern helfen. Aufnahmekriterien sind u.a., dass die Mutter "in der Lage und gewillt ist", ihr Kind selbst zu versorgen und auch nach der Entlassung bei sich zu behalten. Da das Kinderheim im Knast langfristig auch in anderen Städten eingerichtet werden soll, wollen wir hier etwas näher auf die Situation und die Probleme des "Frankfurter Modells" eingehen:

Einrichtung und Tagesablauf

Das 1975 neu errichtete Gebäude auf dem Anstaltsgelände bietet Platz für 20 Mütter mit 25 Kindern. Im Erdgeschoss liegt der "Kinderheim-Trakt" mit Kinderzimmern, Turnhalle, Besuchsräumen, Bezugspersonenraum, Arztzimmer u.a. Der "Zellentrakt" in den oberen Stockwerken besteht aus Einzelzimmern, in denen je eine Frau mit ihren Kindern bzw. ihrem Kind schläft. Für die Frauen gibt es einen Gemeinschaftsraum auf demselben Stockwerk, der ganze Trakt ist mit einer Gittertür verschließbar. Diese Glas-Gittertür wird morgens um 6.30 Uhr aufgeschlossen. Die Mütter gehen mit ihren Kindern zum Frühstück und um 7.30 bis 16 Uhr zur Arbeit ins Haupthaus (meist Wäscherei). Während dieser Zeit werden die Kinder von den Erziehern betreut. Einige gehen in einen nahe gelegenen öffentlichen Kindergarten. Um 16.45 Uhr essen Mütter und Kinder gemeinsam zu Abend. Danach haben die Mütter Gelegenheit, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen, sie zu baden, mit ihnen zu spielen, ihnen vorzulesen, um 19 Uhr werden die Kinder zu Bett gebracht. Danach haben die Mütter bis 20.45 Uhr Freizeit. Nach dem "Einschluss" in den Zellentrakt können sie sich noch im Gruppenraum aufhalten. Der Vorteil des Heimes liegt darin, dass du von deinem Kind nicht getrennt wirst durch die Haft. Deshalb hast du aber noch keine Vorteile als Gefangene (wie manche Frauen meinen), sondern eher eine Doppelbelastung, und die Nachteile für das Kind sind unvermeidbar.

Situation eines Kindes im Knast

Bevor du dich entscheidest, mit deinem Kind in den Knast zu gehen,solltest du die zusätzlichen Probleme, die dadurch entstehen, bedenken. Weil du tagsüber arbeiten musst, stellt die Versorgung deines Fundes am Feierabend eine Zusatzbelastung dar. Gestresst und müde von der Arbeit kommend, wirst du oft noch weniger die Ruhe dazu haben, dich geduldig mit deinem Kind zu beschäftigen. Deine Situation wird verschärft dadurch, dass das Kind den ganzen Tag mit den Erziehern zusammen ist. Alles, was ihm Spaß macht, wie spazieren gehen, Ausflüge machen, kann es nur mit ahnen machen. Demgegenüber sind deine Möglichkeiten eng begrenzt: du hast wenig Zeit für dem Kind und bist vielleicht gerade dann müde oder auch deprimiert. Um von deinem geringen Verdienst einmal eine Kleinigkeit für dein Kind kaufen zu können, musst du dich selbst schon spürbar einschränken. Dadurch entsteht eine Konkurrenz zwischen Müttern und Erziehern, die die Kinder natürlich voll mitbekommen. Nachteilig ist auch, wenn dein Kind täglich miterlebt, wie du der Schlüsselgewalt des Personals (auch der Erzieher) ausgeliefert bist und abhängig und unselbständig gemacht wirst. Wie soll es da selbständig und unabhängig werden. Du musst auch damit rechnen, dass dein Kind im Knast eine andere, größere Bedeutung für dich bekommt, weil du von allen anderen engen persönlichen Beziehungen abgeschnitten bist. Deshalb werden dich ablehnende Äußerungen deines Kindes — von denen du draußen weißt, dass sie normal sind — vermutlich sehr viel stärker treffen und verletzen. Dass sich unter diesen Bedingungen keine "positive Mutter-Kind-Beziehung" entwickeln kann, hat sich bisher schon erwiesen. Schwierig ist zu entscheiden, was du für dein Kind, für seine Entwicklung getan hast, wenn du ihm durch deine Entscheidung für dieses Heim die Trennung von dir erspart hast. Es wächst im Knast auf. Mit Mauern. Die Mauer, die einen Spielhof begrenzt, ist bunt bemalt und obenauf Stacheldraht. Mit Gittern und Schlüsselgeklirr. Mit kontrollierenden (auch männlichen) Beamten, die es durchsuchen. Die Ausflüge in die "Außenwelt" sind — wegen des Personalmangels — selten. Selbst wenn es in den Kindergarten "2draußen" geht, so muss es doch immer wieder "reingehen" und vielleicht daraus die Erfahrung bilden, dass es aus undurchschaubaren Gründen zu einer besonderen Sorte Mensch gehört. Alles im Knast ist unnatürlich und künstlich. Nicht nur die Umgebung ist lebensfern und wenig abwechslungsreich, sodass dein Kind vieles nicht sehen und nicht lernen kann, was für seine Altersgenossen selbstverständ­lich ist. Auch die Beziehungen der Menschen untereinander im Knast sind unnatürlich, vom institutionellen Zwang bestimmt. Auf engem Raum zwangsweise zusammengesperrt — ohne Ausweichmöglichkeiten, die draußen selbstverständlich sind — dazu in einer besonders belastenden Situation, wie sie die Haft für fast jeden darstellt, ergeben sich stärkere Spannungen und Reibungen, schärfere Auseinandersetzungen. Manche Frauen beschreiben das Leben im Heim als permanenten Kleinkrieg. Wie wird dein Kind damit fertig, dass es Beziehungen zwischen Erwachsenen hauptsächlich so erlebt? Wird es daraus die Erfahrung mitnehmen, dass menschliche Beziehungen immer so sind?

"Kinderknast" als Menschenversuch?

Erzieher, Psychologen und die für das Heim Verantwortlichen geben zu, dass niemand weiß, wie Kinder sich unter solchen Bedingungen entwickeln. Ob die Beziehung zur Mutter, die zweifellos von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung ist, die mit Sicherheit auch eintretenden Schädigungen und Beeinträchtigungen aufwiegen kann? Im August 1976 traten Mütter in der JVA Frankfurt-Preungesheim in den Hungerstreik, um gegen die (aus Gründen der "Sicherheit") zunehmende Verknastung der Kinder zu protestieren, und 1977 haben vier pädagogische Mitarbeiter fristlos gekündigt, weil sie die Bedingungen für die Kinder für nicht mehr vertretbar hielten. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Tendenz, die sich in diesen als "Reformprojekte" verkauften Kinderknästen zeigt: Die Mitbestrafung der Kinder, die Sippenhaft, wird institutionalisiert. Sicher, auch das Kind, das draußen zurückgelassen wird und womöglich am Ende im Fürsorgeheim — der traditionellen Form des Kindergefängnisses — landet, auch dieses Kind bekommt mit rücksichtsloser Härte zu spüren, was die Strafjustiz anrichtet. Die neuen Knastkinderheime machen es jedoch den Richtern sicher leichter, mit "gutem" Gewissen eine (werdende) Mutter einsperren zu lassen. Es wird dann vielleicht immer weniger Richter geben, die sich überlegen, mit Rücksicht auf die mitbetroffenen Kinder Bewährungsstrafen auszusprechen oder Strafaufschub zu gewähren. Eine Entscheidung für ein solches Kinderheim kann also — das wollten wir deutlich machen — nur in Abwägung gegen andere Möglichkeiten getroffen werden: Wenn du keine Bewährungsstrafe oder Strafaufschub mit Rücksicht auf dein Kind bekommst, so kümmere dich rechtzeitig um eine Pflegestelle,denn das Fürsorgeheim ist natürlich auch keine Alternative. (Zur Frage, was mit deinen Kindern geschieht, wenn du inhaftiert wirst,insbesondere, wie man verhindern kann, dass sie in ein Heim gesteckt werden, findest du Näheres

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