Drogenabhängige im Knast

Aus Gefangenenratgeber

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19.1.4. Drogenabhängige im Knast

Wenn du als BtMer_In im Knast registriet bist, d.h. deine Gefangenenakte einen BtM-Stempel hat, solltest du dich auf Folgendes vorbereiten:

1. Umkehrung der Beweislast

Du sitzt in Strafhaft, bist schon rechtskräftig verurteilt und trotzdem wirst du behandelt, als ob du noch immer ständig Straftaten begehst, sprich: mit Drogen handelst und/oder welche zu dir nimmst.

Diese pauschale Schuldvermitung, die bei allen Drogenabhängigen angewandt wird, hat zur Folge, dass das Strafvollzugsgesetz in den wesentlichen Punkten der Haftlockerungen wie z.B. Urlaub, Freigang u.ä. für Drogenabhängige erstmal außer Kraft gesetzt wird. Und das ist juristisch total abgesichert, wie das Urteil des OLG München vom 28.3.1980 zeigt:


"War ein Gefangener zur Zeit seiner Verhaftung heroinsüchtig, so begegnet die hieran anknüpfende Prognose wahrscheinlichen Mißbrauchs von Urlaub und Ausgang keinen rechtlichen Bedenken. Zu ihrer Begründung bedarf es insbesondere keines Urteils sachverständiger Ärzte. Vielmehr reicht die heute bereits als gesichert anzusehende Erfahrung, dass vornehmlich junge Personen den einmal ausgebildeten Hang zu harten Drogen (Heroin, Kokain) regelmäßig auch nach körperlichem Entzug verfallen bleiben, ihrer latenten, jederzeit auch durch scheinbar nichtige Anlässe aktualisierungsfähigen Suchtgefahr aus, eine solche Prognose zu stellen. Nur eine anschließende, strend kontrollierte Langzeitherapie scheint einige Erfolgsaussicht zu haben. Demenstprechend sind heroinsüchtige Straftäter auch nch längerer Inhaftierung noch als erheblich suchtgefährdet anzusehen und scheiden für Vollzugslockerungen, welche unkontrollierte Freiheitsräume außerhalb der geschlossenen Anstalt gewähren, generell aus"

Soweit das OLG München; d.h., wenn du als BtMer_In trotzdem irgendwelche Hafterleichterungen haben willst, musst du deine Unschuld beweisen, also dass du keine Drogen nimmst, nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft keine Drogen mehr nimmst du dass du auch sonst ein rechtschaffender Mensch sein wirst. Das sollst du "beweisen". Und sie sagen dir auch wie: indem du an ihrem Behandlungsprogramm teilnimmst.

2. Behandlungsprogramme

Es gibr momentan keine Gefangenengruppe, die so extrem mit verschiedenen Konzepten und Modellen und einem ganzen Heer von Psychologen und Sozialarbeitern "behandelt" wird, wie die BtMer_Innen. Und der Behandlungsvollzug fängt nicht erst an, wenn die Gefangenen da sind, sondern er wird auch schon in die architektonische Planung von Knastbauten aufgenommen. So gab es schon bevor die erste Gefangene in die neue Frauenhaftanstalt Plötzensee (berlin) kam, je eine Station für unmotivierte, teilmotivierte und therapieunwillige Drogenabhängige.

Die einfachste Form des Behandlungsvollzugs ist es, wenn von dir nur Urinkontrollen (UK´s) verlangt werden. Urinkontrollprogramm heißt:

- Dein Urin kann auf alle Stoffe, also auch auf THC (Wirkstoff von Cannabis) untersucht werden.

- Deine Befunde kommen in die Gefangenenakte und bei positivem Befund kann die Staatsanwaltschaft zwecks neuem Verfahren (Verstoß gegen das BTM-Gesetz) benachrichtigt werden.

- Deine UK kann absichtlich oder irrtümlicherweise mit anderen vertauscht werden.

- ein Abbruch des Programms wird so interpretiert werden, dass du nun wieder Drogen nehmen willst.

Gefährlicher ist es, wenn das UK-Programm in ein Therapie- oder Motivierungskonzept eingebunden ist. Denn jetzt untersuchen sie nicht nur dein Urin, sondern wollen an deine Psyche ran. Im Soziolog_innen_en- und Psycholog_innen_endeutsch hört sich das folgendermaßen an:

"Die Behandlung von Inhaftierten und die spezifischen Sozialisationsmängel dieser Population legen einen Arbeitsansatz nahe, den man mit dem Begriff "induktive Methode" beschreiben kann. Dies heißt, dass zunächst die äußeren, objektiven, generellen und lauten Mängel und Störungen Gegenstand der Behandlungsarbeit sein sollten. Erst wenn mit diesem auf das Verhalten und Handeln abgestellten Zwang das Behandlungsziel nicht erreicht werden kann, soll sich die Behandlungsarbeit auf die inneren, subjektiven, speziellen und leisen Störungen einstellen. Im ersten Fall ist kriminell abweichendes Verhalten eine Folge von gravierenden Kenntnis- und Wissensmängeln. Entsprechend wird über Information und Beratung das Behandlungsziel zu erreichen versucht. Gelingt dies nicht (was für den Regelfall zutrifft), soll über lernen und trainieren (Schule, Beruf, soziale Kompetenz) die notwendige Sozialisierung erreicht werden. Es gibt jedoch eine große Zahl von früh- und nachhaltig gestörten Persönlichkeiten, denen über die genannten Methoden hinaus zusätzlich durch eine therapeutische Behandlung weitergeholfen werden muss" (aus dem Konzept der neuen Frauenhaftanstalt Plötzensee).

Oder aus dem Konzept der neuen Jugenstrafanstalt Plötzensee (Berlin):

"Sind die Jugendlichen erst einmal in die Institution aufgenommen, kann die eigentliche Arbeit beginnen. Vom Aufnahme- und Diagnosebereich erfolgt die Verlegung, in den für die Entwicklung des Gefangenen günstigsten Wohngruppentyp. Hier soll er, um der unentbehrlichen konstanten und kontinuierlichen Beziehung willen, von seinem Wohngruppenleiter bis zur Entlassung und im Bedarfsfall darüber hinaus, die notwendige Führung und Förderung erhalten. Der Vollzug ist in der Lage, den "Mangel seines Lebens" für den Jugendlichen auszugleichen, seine "Leistungsfähigkeit" zu fördern und ihn zu "sozialem Verhalten" zu befähigen, ihm seine "psychische Entwicklung" zu ermöglichen. Die jeweilige Wohngruppe "bietet ihm familiäre Verhältnisse" sowie cliquenähnlichen Freundschaften, seine Wohngruppenleiter das mütterliche Vertrauensverhältnis"

Du hast richtig verstanden, sie wollen nur dein Bestes und eigentlich solltest du es bedauern, dass du nicht schon "früher" in den Knast gekommen bist, somit hätte dir schon eher "geholfen werden können". Folgerichtig kannst du beobachten, dass die Therapie- und Drogenstationen die höchste Zahl von Sozialarbeiter_innen_n und Psycholog_innen_en haben. Egal ob in "deinem" Knast "nur" Einzel- und Gruppengespräche zum Programm gehören oder noch, "differenzierte Therapiemethoden" hinzugezogen werden, zentraler Punkt bleiben die Therapeut_innen_en selbst bzw. dein Verhältnis zu ihnen. Deswegen wollen wir das nochmal näher beleuchten.

Das wesentliche an der Funktion der Therapeut_innen_en und Sozialarbeiter_innen ist, dass sie eine totale Machtfunktion haben. Sie bestimmen entweder direkt selbst wie ein_e Anstaltsleiter_in über Besuche, Ausführung, Ausgang, Urlaub, Verlegung usw. oder indirekt (mit Hilfe ihrer gutachterlichern Stellungnahme) wie z.B. bei der 2/3 Entlassung oder dem § 25 BtMG. Damit stehst du aber als Gefangene_r in einer extremen Abhängigkeitssituation zu ihnen. Nichtsdestotrotz fordern sie von dir, dass du das dür eine Therapie erforderliche Vertrauen aufbringen sollst. Und das sind die gleichen Leute, die deine Therapiewilligkeit an deiner Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Knastpersonal festmachen, die über dich Gutachten, diagnostische Erhebungen, Therapieprotokolle und Aktenvermerke anlegen, über deren Inhalte du in der Regel nicht informiert wirst und die ohne dein Einverständnis ihre "Erkenntnisse" an dritte (z.B. Anstaltspersonal) weitergeben.

Machst du das zum Thema, sprichst du also mal die Unfreiheit des Knastes und den Zwangscharakter derartiger Therapieabläufe mit seinen Auswirkungen für dich im Gruppengespräch an, begründest also dein "mangelndes Vertrauen", verleugnen die Psycholog_innen_en und Sozialarbeiter_innen ganz einfach ihre Machtstellung.

Wenn´s dabei bliebe, wär´s ja ganz nett. Aber hier geht´s weiter. Sie werden anfangen, dir klarmachen zu wollen, dass es sich hierbei um deine ureigenste Vertrauensprobkematik handelt, um dein ureigenes Mißtrauen gegen Gott und die Welt, sprich: um deine Verschlossenheit. Alles zusammen wird dir dann z.B. als "leicht paranoide Realistätssicht" untersellt und natürlich, wie gesagt, schriftlich festgehalten. Durch ihre derart trickreichen Verdrehungen gelingt es ihnen, die Realität des Knastes