Die Situation als Neuzugang- die erste Kontaktaufnahme

Aus Gefangenenratgeber

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3.1. Die Situation als „Neuzugang" — die erste Kontaktaufnahme

Begegnung mit den Hausarbeitern

Die erste Kontaktperson in der Anstalt ist in aller Regel ein Hausarbei­ter („Kalfaktor")- Die Hausarbeiter genießen allerdings das Vertrauen der Beamten und sind ihre wichtigsten Zuträger von Informationen. Deshalb ist Zurückhaltung ihnen gegenüber unbedingt zu raten. Man. kann allerdings die Hausarbeiter fragen, wo welche Leute liegen, die man vielleicht kennt, wie man an einen Sanitäter bzw. Arzt rankommt oder wie man zu Tabak kommt, wann Einkauf ist, welche Freizeitveran­staltungen es gibt und überhaupt über den inneren Betrieb. Die Hausar­beiter wissen da am besten Bescheid. Sie kommen ja viel herum.

Auch wenn sie selber vertraulich auf einen zukommen, sollte man nichts im Vertrauen mit ihnen reden. Man sollte sie lediglich nach den Dingen, die man unbedingt wissen will, ausfragen und von sich aus nichts weiter mit ihnen reden. Man sollte ihnen nie mehr sagen, als das, was man auch einem Beamten sagen könnte. Nicht irgendwelche Sprüche loslassen, die dann schon wieder irgendwo verwertet werden könnten, von der Staatsanwaltschaft zum Beispiel!. Es kommt vor, dass die Hausarbeiter unmittelbar für die Staatsanwaltschaft arbeiten, diese anrufen lassen und ihr die gehörten Neuigkeiten berichten.

Fühlt man sich bei den Hausarbeitern zu unsicher, dann sollte man lieber bis zum ersten Hofgang warten, wo man vielleicht jemanden findet, dem man einigermassen vertrauen kann. Anders sieht es aus, wenn man in Isolationshaft ist und mit den anderen Gefangenen bei keiner Gelegenheit zusammenkommt. Dann kann aller­dings der kurze Kontakt mit dem Hausarbeiter wichtig sein: Du kannst in einer solchen Situation den Hausarbeiter bitten weiter zusagen, dass du isoliert bist und wo du liegst. Natürlich auch wie du heißt. Es kann überlebenswichtig sein, dass die Mitgefangenen über den Hausarbeiter von deiner Isolation erfahren. Du wirst es zum Beispiel daran merken, wieviel es für dich bedeutet, wenn dir ein Mitgefangener ein solidarisches Wort im Vorbeigehen durch die Zellentür zuruft.

Vorsicht vor Geschäftemachern

Die Hausarbeiter sind zugleich diejenigen, die mit den Neuangekomme­nen die besten Geschäfte machen, indem sie ihnen Tabak aufdrehen und sich dafür teuer bezahlen lassen. Die Neuen haben vielleicht eine gute Uhr, ein gutes Feuerzeug, das wird dann für ein bisschen Tabak abge­knöpft.

Der erste Hofgang

Der erste Eindruck ist die totale Fremdheit, der man ausgesetzt ist, wenn man zum ersten mal Hofgang hat. Man kommt in einen Hof, in dem man auf andere Gefangene trifft. Man kennt niemanden. Man ist vielleicht zunächst ungeheuer neugierig, weil es der erste Tag ist, den man in den Hof kommt, während man vorher in einer Zelle allein gesessen hat. Es ist die erste Gelegenheit, wo man mit anderen Gefange­nen richtig sprechen kann. Oder man ist so mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, dass man sich ganz auf sich konzentriert und sich wenig um die andern kümmert. Der erste Hofgang ist die erste Gelegenheit, etwas Genaueres über deine neue Umgebung zu erfahren.Dazu sollte man sich vielleicht schon in der Zelle bestimmte Fragen überlegen. Die Zeit, in der man mit andern sprechen kann, ist kurz, und wenn du erst wieder in der Zelle einge­schlossen bist, musst du wieder einen Tag warten, um von anderen bestimmte Dinge zu erfahren, es sei denn, du erfährst sie durch Zurufen am Fenster.

Wonach man sich auf jeden Fall gleich erkundigen sollte, ist

1.wann man zum ersten mal zum Arzt kommt, zur Zugangsuntersuchung, wie der Arzt ist, wann er Sprechstunden hat, wie man sich zu den Sprechstunden meldet,

2.wie oft Einkauf ist, wann man das erste Geld bekommt, wie die Überweisungen von draußen funktionieren und wann man über das überwiesene Geld verfügen kann, wann man dafür einkaufen kann,

3.wie die Gemeinschaftsveranstaltungen aussehen, ob man dazu Zugang hat und auf welchem Weg (Antrag),

4.wie die Freizeit aussieht, wann sie ist, ob man dazu\i Zugang hat,

5.für den, der arbeiten will: welche Arbeit es gibt,

6.Informationen über „gute" und „ungute" Beamte, über besondere Vorfälle, über allgemeine Zustände im Knast, über die Geschichte des Knasts,

7.Informationen über den Tagesablauf im Knast, alles was mit der Zeiteinteilung zusammenhängt: wann das Licht ausgeschaltet wird, wann Einschluss ist usw.

Der erste Kontakt ist der schwierigste

Viele schaffen es nicht, einen ersten Kontakt zu finden und hängen dann wochenlang ohne ein Gespräch mit andern herum. Das ist aber die Ausnahme, und das liegt dann auch an den einzelnen selbst, dass sie von sich aus nicht die Anstrengung machen können, ihre Vereinzelung aufzuheben. Die Anstrengung - und es ist wirklich eine Anstrengung -sollte man auf jeden Fall möglichst sofort machen. Andernfalls lebt man wie auf einem Bahnsteig. Und man wartet! Nur dass das Warten dann vielleicht unendlich ausgedehnt ist, für Monate und oft für Jahre. Im Hof läuft man gewöhnlich im Kreis. Es sind meistens mehrere, die nebeneinander laufen, und wenige laufen allein. Das sind meistens nur die Neuzugänge. Es gibt auch einen Knastausdruck: „der geht mit dem". Man wechselt aber auch öfter, aber diejenigen, die untereinander wech­seln, bleiben auch unter sich. Normal ist, dass man in einer Gruppe von drei, vier, fünf Leuten ist, mit denen man abwechselnd im Hof geht. Man geht an einem Tag mit dem, dann kommt ein anderer aus der eigenen Clique hinzu, und der erste geht dann mit einem anderen, aber der ist dann vielleicht wieder aus derselben Clique. Manchmal geht man zu zweit, manchmal zu dritt - und man kennt diese Leute, mit denen man immer geht, besser als alle anderen. Wie man in eine solche Gruppe hineinkommt oder wie man überhaupt zu einem ständigen Kontakt kommt; oft beginnt das damit, dass man den andern fragt, ob er was bestimmtes hat, was man gerade braucht. Dann kommt die Frage: Wann bist du hergekommen? Wohin gehst du? Was glaubst du, dass du zu erwarten hast? Seit wann bist du hier? Wann hast du Prozess! Was hast du für einen Anwalt? - Das sind die ersten Gesprächs­themen. Die meisten andern nehmen eigentlich gar keine Notiz von einem. Es sei gehen mit ihren Freunden, die sie vielleicht schon monatelang kennen, mit denen sie Themen haben, über die sie sich unterhalten. Und es drängt sie, wenn sie aus dem Zellenbau herauskommen, gleich das loszuwerden, was sie beschäftigt. Sie merken vielleicht erst gar nicht, dass da ein Neuer ist. Das fallt ihnen erst im Laufe des Hofgangs auf, oder erst Tage später. Und der Neue ist unsicher, wie er sich verhalten soll, in welche Richtung er loslaufen soll. Er weiß nur, dass er im Kreis laufen muss. Und er läuft dann zunächst allein. Irgendeiner wird ihn dann vielleicht ansprechen, ihn fragen, ob er gerade reingekommen ist oder ob er auf Transport ist, ob er Tabak hat. Man kann dann auch über die Schnorrerei Kontakt finden. Dann schleicht sich vielleicht ein anderer an, der erzählt ihm seine Sache, wegen der er sitzt - eben die üblichen Knastgespräche. Da wird die Unzufriedenheit abgeladen. Aber auf jeden Fall sind es die ersten Kontakte für einen, der niemand kennt, Es kommt oft vor, dass die Zugänge nicht zum ersten mal im Knast sind, und dann kann man schon mal Bekannte treffen. Allerdings stößt es auf Unwillen, wenn man andere nach ihrem Delikt ausfragt, weil sie sich dann ausgehorcht fühien. Man sollte zuerst viel einfachere Fragen stellen, die kein Misstrauen provozieren. Geht jemand im Hof ständig allein, so sollte man auf ihn zugehen und schauen, ob man ihm irgendwie helfen kann. Vielleicht bewahrt man dadurch jemanden vor dem Selbstmord.

Die,,üblichen" Knastgespräche

Es ist zunächst schwierig, ein Gesprächsthema zu finden. Die meisten Gefangenen in U-Haft sind fixiert auf ihre eigenen Sachen, wegen denen sie eingesperrt sind -auf den Prozeß, den Anwalt, den Knast. Alle Gespräche scheinen sich irgendwie um den Knast zu drehen und um den Prozess. In Strafhaft ist es hauptsächlich der Knast, und in U-Haft ist es mehr der Prozess. Auch die Dinge, die man vom Leben eines andern erfährt, sind ja meistens Dinge, die mit dem Knast zu tun haben. Man erfährt, dass er auch schon früher im Gefängnis war und dass der eine Knast so ist und der andere so. Vom Leben, das einer geführt hat, erfährt man lauter Verwaltungsbezeichnungen. Man erfährt ein Leben so, wie die Justiz es erzeugt hat, nämlich als eine Folge von Prozessen, Verwal­tungsakten und Bestrafungen und außerdem Knast und nochmal Knast. Und das ist schwer zu durchbrechen. Man kann monatelang mit einem andern im Hof laufen und jeden Tag eine Stunde mit ihm reden, bevor man erfährt, was er draußen eigentlich gemacht hat - ob er eine Familie hat, ob er Kinder hat oder sonst was über sein Leben. Das ist alles sehr im Hintergrund. Auch für ihn spielt es nicht mehr eine so große Rolle. Trotzdem, sind die Verhaltensformen untereinander im Hof nicht so anders als draußen. Denn der Knast ist auch ein Abbild der Gesellschaft draußen. Man wird also auch im Knast dieselben Gewohnheiten, diesel­ben Konflikte und auch Gespräche finden wie draußen. Auch im Knast hat man es mit bestimmten sozialen Gruppen und Klassen zu tun, die sich gegenseitig anziehen oder abstoßen. Je nachdem, welcher Schicht man selbst zugehört, wird man unter Umständen zu einer bestimmten Gruppe Kontakt finden oder nicht. Dabei kommt es auf mehr an, als auf persönliche Anstrengung und guten Willen. Es kommt drauf an, ob man auch draußen zu einer bestimmten Schicht gehört hat und worauf sich die eigenen sozialen Sympathien richten. Bestimmte Gruppen von Gefange­nen werden für einen selbst vielleicht immer unzugänglich sein. Hier sollte man sich nicht so aufzudrängen versuchen, vor allem nicht mit moralischen Urteilen.

Es gibt auch unter den Gefangenen Ausbeuter und Ausgebeutete

Vor Geschäftemachern sollte man sich auf jeden Fall in acht nehmen. Solche, die aus Gewohnheit Geschäfte machen, mit denen sie andere ausnutzen, werden auch mit dem, was sie von anderen wissen, Geschäfte machen. Deshalb keine leichtfertigen Aussagen darüber, warum du im Knast bist! Es ist durchaus möglich, dass du denunziert wirst. Gegenseitiges Denun­zieren kommt hier oft vor, es liegt in einer solchen Lage auch nahe. Es kann der rettende Strohhalm sein, an den sich einer klammert. Es gibt immer welche, die Gehörtes weitergeben. Sie tun es entweder aus Berechnung oder aus Dummheit und gewohnheitsmäßiger Unterwürfig­keit gegenüber Beamten. Die Kripo spart nicht mit entsprechenden Angeboten und Druckmitteln. Viele fallen darauf herein und werden zu Verrätern.

Auch dir gegenüber ist man misstrauisch

Im Knast herrscht deshalb allgemeine Angst vor Verrat. Man sollte Verständnis dafür haben, dass andere Mitgefangene einem selbst gegen­über zurückhaltend und vielleicht sogar ziemlich misstrauisch sind. Offene Gespräche sind selten. Die politischen Gefangenen bilden hier den auch von den andern als solche angesehen, die nicht denunzieren. Das ist einer der Gründe für das-Ansehen, das sie bei den anderen Gefangenen haben.

Kein Verfolgungswahn!

Trotz der üblen Erfahrungen, die viele im Knast mit ihren Mitgefange­nen gemacht haben, sollte man sich vor übertriebenem Misstrauen und Verfolgungswahn hüten, denn im schlimmsten Fall kann auch gerade dieser Verfolgungswahn das provozieren, wovor man sich in acht neh­men will - indem man ein derartiges Misstrauen um sich verbreitet, dass man sich das Misstrauen aller und vor allem die Abneigung aller zuzieht. Was unter Umständen bedeuten kann, dass man erst recht gelinkt wird. Außerdem ist diese Angst meistens tatsächlich übertrieben. Wen du für einen Denunzianten hältst, der dich aushorchen will, kann jemand sein, der tatsächlich an dir interessiert ist. Er wird durch ein solches offenes Misstrauen dann von dir zurückgestoßen. Es ist im Knast nicht anders als draußen. Nur: draußen merkt man es nicht so. Aber auch draußen ist man ja vorsichtig bei Leuten, die man nicht kennt - und auch draußen würde man nicht offen über seine Straftaten sprechen - oder über Dinge, die andere nichts angehen.


3.1. Die Situation als „Neuzugang" — die erste Kontaktaufnahme

Begegnung mit den Hausarbeitern

Die erste Kontaktperson in der Anstalt ist in aller Regel ein Hausarbei­ter („Kalfaktor")- Die Hausarbeiter genießen allerdings das Vertrauen der Beamten und sind ihre wichtigsten Zuträger von Informationen. Deshalb ist Zurückhaltung ihnen gegenüber unbedingt zu raten. Man. kann allerdings die Hausarbeiter fragen, wo welche Leute liegen, die man vielleicht kennt, wie man an einen Sanitäter bzw. Arzt rankommt oder wie man zu Tabak kommt, wann Einkauf ist, welche Freizeitveran­staltungen es gibt und überhaupt über den inneren Betrieb. Die Hausar­beiter wissen da am besten Bescheid. Sie kommen ja viel herum. Auch wenn sie selber vertraulich auf einen zukommen, sollte man nichts im Vertrauen mit ihnen reden. Man sollte sie lediglich nach den Dingen, die man unbedingt wissen will, ausfragen und von sich aus nichts weiter mit ihnen reden. Man sollte ihnen nie mehr sagen, als das, was man auch einem Beamten sagen könnte. Nicht irgendwelche Sprüche loslassen, die dann schon wieder irgendwo verwertet werden könnten, von der Staatsanwaltschaft zum Beispiel!. Es kommt vor, dass die Hausarbeiter unmittelbar für die Staatsanwaltschaft arbeiten, diese anrufen lassen und ihr die gehörten Neuigkeiten berichten. Fühlt man sich bei den Hausarbeitern zu unsicher, dann sollte man lieber bis zum ersten Hofgang warten, wo man vielleicht jemanden findet, dem man einigermassen vertrauen kann. Anders sieht es aus, wenn man in Isolationshaft ist und mit den anderen Gefangenen bei keiner Gelegenheit zusammenkommt. Dann kann aller­dings der kurze Kontakt mit dem Hausarbeiter wichtig sein: Du kannst in einer solchen Situation den Hausarbeiter bitten weiter zusagen, dass du isoliert bist und wo du liegst. Natürlich auch wie du heißt. Es kann überlebenswichtig sein, dass die Mitgefangenen über den Hausarbeiter von deiner Isolation erfahren. Du wirst es zum Beispiel daran merken, wieviel es für dich bedeutet, wenn dir ein Mitgefangener ein solidarisches Wort im Vorbeigehen durch die Zellentür zuruft.

Vorsicht vor Geschäftemachern

Die Hausarbeiter sind zugleich diejenigen, die mit den Neuangekomme­nen die besten Geschäfte machen, indem sie ihnen Tabak aufdrehen und sich dafür teuer bezahlen lassen. Die Neuen haben vielleicht eine gute Uhr, ein gutes Feuerzeug, das wird dann für ein bisschen Tabak abge­knöpft.

Der erste Hofgang

Der erste Eindruck ist die totale Fremdheit, der man ausgesetzt ist, wenn man zum ersten mal Hofgang hat. Man kommt in einen Hof, in dem man auf andere Gefangene trifft. Man kennt niemanden. Man ist vielleicht zunächst ungeheuer neugierig, weil es der erste Tag ist, den man in den Hof kommt, während man vorher in einer Zelle allein gesessen hat. Es ist die erste Gelegenheit, wo man mit anderen Gefange­nen richtig sprechen kann. Oder man ist so mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, dass man sich ganz auf sich konzentriert und sich wenig um die andern kümmert. Der erste Hofgang ist die erste Gelegenheit, etwas Genaueres über deine neue Umgebung zu erfahren.Dazu sollte man sich vielleicht schon in der Zelle bestimmte Fragen überlegen. Die Zeit, in der man mit andern sprechen kann, ist kurz, und wenn du erst wieder in der Zelle einge­schlossen bist, musst du wieder einen Tag warten, um von anderen bestimmte Dinge zu erfahren, es sei denn, du erfährst sie durch Zurufen am Fenster. Wonach man sich auf jeden Fall gleich erkundigen sollte, ist

wann man zum ersten mal zum Arzt kommt, zur Zugangsuntersuchung, wie der Arzt ist, wann er Sprechstunden hat, wie man sich zu den Sprechstunden meldet,

wie oft Einkauf ist, wann man das erste Geld bekommt, wie die Überweisungen von draußen funktionieren und wann man über das überwiesene Geld verfügen kann, wann man dafür einkaufen kann,

1.wie die Gemeinschaftsveranstaltungen aussehen, ob man dazu Zugang hat und auf welchem Weg (Antrag),

2.wie die Gemeinschaftsveranstaltungen aussehen, ob man dazu Zugang hat und auf welchem Weg (Antrag),

3.wie die Freizeit aussieht, wann sie ist, ob man dazu\i Zugang hat,

4.für den, der arbeiten will: welche Arbeit es gibt,

5.Informationen über „gute" und „ungute" Beamte, über besondere Vorfälle, über allgemeine Zustände im Knast, über die Geschichte des Knasts,

6.Informationen über den Tagesablauf im Knast, alles was mit der Zeiteinteilung zusammenhängt: wann das Licht ausgeschaltet wird, wann Einschluss ist usw.

Der erste Kontakt ist der schwierigste

Viele schaffen es nicht, einen ersten Kontakt zu finden und hängen dann wochenlang ohne ein Gespräch mit andern herum. Das ist aber die Ausnahme, und das liegt dann auch an den einzelnen selbst, dass sie von sich aus nicht die Anstrengung machen können, ihre Vereinzelung aufzuheben. Die Anstrengung - und es ist wirklich eine Anstrengung -sollte man auf jeden Fall möglichst sofort machen. Andernfalls lebt man wie auf einem Bahnsteig. Und man wartet! Nur dass das Warten dann vielleicht unendlich ausgedehnt ist, für Monate und oft für Jahre. Im Hof läuft man gewöhnlich im Kreis. Es sind meistens mehrere, die nebeneinander laufen, und wenige laufen allein. Das sind meistens nur die Neuzugänge. Es gibt auch einen Knastausdruck: „der geht mit dem". Man wechselt aber auch öfter, aber diejenigen, die untereinander wech­seln, bleiben auch unter sich. Normal ist, dass man in einer Gruppe von drei, vier, fünf Leuten ist, mit denen man abwechselnd im Hof geht. Man geht an einem Tag mit dem, dann kommt ein anderer aus der eigenen Clique hinzu, und der erste geht dann mit einem anderen, aber der ist dann vielleicht wieder aus derselben Clique. Manchmal geht man zu zweit, manchmal zu dritt - und man kennt diese Leute, mit denen man immer geht, besser als alle anderen. Wie man in eine solche Gruppe hineinkommt oder wie man überhaupt zu einem ständigen Kontakt kommt; oft beginnt das damit, dass man den andern fragt, ob er was bestimmtes hat, was man gerade braucht. Dann kommt die Frage: Wann bist du hergekommen? Wohin gehst du? Was glaubst du, dass du zu erwarten hast? Seit wann bist du hier? Wann hast du Prozess! Was hast du für einen Anwalt? - Das sind die ersten Gesprächs­themen. Die meisten andern nehmen eigentlich gar keine Notiz von einem. Es sei gehen mit ihren Freunden, die sie vielleicht schon monatelang kennen, mit denen sie Themen haben, über die sie sich unterhalten. Und es drängt sie, wenn sie aus dem Zellenbau herauskommen, gleich das loszuwerden, was sie beschäftigt. Sie merken vielleicht erst gar nicht, dass da ein Neuer ist. Das fallt ihnen erst im Laufe des Hofgangs auf, oder erst Tage später. Und der Neue ist unsicher, wie er sich verhalten soll, in welche Richtung er loslaufen soll. Er weiß nur, dass er im Kreis laufen muss. Und er läuft dann zunächst allein. Irgendeiner wird ihn dann vielleicht ansprechen, ihn fragen, ob er gerade reingekommen ist oder ob er auf Transport ist, ob er Tabak hat. Man kann dann auch über die Schnorrerei Kontakt finden. Dann schleicht sich vielleicht ein anderer an, der erzählt ihm seine Sache, wegen der er sitzt - eben die üblichen Knastgespräche. Da wird die Unzufriedenheit abgeladen. Aber auf jeden Fall sind es die ersten Kontakte für einen, der niemand kennt, Es kommt oft vor, dass die Zugänge nicht zum ersten mal im Knast sind, und dann kann man schon mal Bekannte treffen. Allerdings stößt es auf Unwillen, wenn man andere nach ihrem Delikt ausfragt, weil sie sich dann ausgehorcht fühien. Man sollte zuerst viel einfachere Fragen stellen, die kein Misstrauen provozieren. Geht jemand im Hof ständig allein, so sollte man auf ihn zugehen und schauen, ob man ihm irgendwie helfen kann. Vielleicht bewahrt man dadurch jemanden vor dem Selbstmord.

Die,,üblichen" Knastgespräche

Es ist zunächst schwierig, ein Gesprächsthema zu finden. Die meisten Gefangenen in U-Haft sind fixiert auf ihre eigenen Sachen, wegen denen sie eingesperrt sind -auf den Prozeß, den Anwalt, den Knast. Alle Gespräche scheinen sich irgendwie um den Knast zu drehen und um den Prozess. In Strafhaft ist es hauptsächlich der Knast, und in U-Haft ist es mehr der Prozess. Auch die Dinge, die man vom Leben eines andern erfährt, sind ja meistens Dinge, die mit dem Knast zu tun haben. Man erfährt, dass er auch schon früher im Gefängnis war und dass der eine Knast so ist und der andere so. Vom Leben, das einer geführt hat, erfährt man lauter Verwaltungsbezeichnungen. Man erfährt ein Leben so, wie die Justiz es erzeugt hat, nämlich als eine Folge von Prozessen, Verwal­tungsakten und Bestrafungen und außerdem Knast und nochmal Knast. Und das ist schwer zu durchbrechen. Man kann monatelang mit einem andern im Hof laufen und jeden Tag eine Stunde mit ihm reden, bevor man erfährt, was er draußen eigentlich gemacht hat - ob er eine Familie hat, ob er Kinder hat oder sonst was über sein Leben. Das ist alles sehr im Hintergrund. Auch für ihn spielt es nicht mehr eine so große Rolle. Trotzdem, sind die Verhaltensformen untereinander im Hof nicht so anders als draußen. Denn der Knast ist auch ein Abbild der Gesellschaft draußen. Man wird also auch im Knast dieselben Gewohnheiten, diesel­ben Konflikte und auch Gespräche finden wie draußen. Auch im Knast hat man es mit bestimmten sozialen Gruppen und Klassen zu tun, die sich gegenseitig anziehen oder abstoßen. Je nachdem, welcher Schicht man selbst zugehört, wird man unter Umständen zu einer bestimmten Gruppe Kontakt finden oder nicht. Dabei kommt es auf mehr an, als auf persönliche Anstrengung und guten Willen. Es kommt drauf an, ob man auch draußen zu einer bestimmten Schicht gehört hat und worauf sich die eigenen sozialen Sympathien richten. Bestimmte Gruppen von Gefange­nen werden für einen selbst vielleicht immer unzugänglich sein. Hier sollte man sich nicht so aufzudrängen versuchen, vor allem nicht mit moralischen Urteilen.

Es gibt auch unter den Gefangenen Ausbeuter und Ausgebeutete

Vor Geschäftemachern sollte man sich auf jeden Fall in acht nehmen. Solche, die aus Gewohnheit Geschäfte machen, mit denen sie andere ausnutzen, werden auch mit dem, was sie von anderen wissen, Geschäfte machen. Deshalb keine leichtfertigen Aussagen darüber, warum du im Knast bist! Es ist durchaus möglich, dass du denunziert wirst. Gegenseitiges Denun­zieren kommt hier oft vor, es liegt in einer solchen Lage auch nahe. Es kann der rettende Strohhalm sein, an den sich einer klammert. Es gibt immer welche, die Gehörtes weitergeben. Sie tun es entweder aus Berechnung oder aus Dummheit und gewohnheitsmäßiger Unterwürfig­keit gegenüber Beamten. Die Kripo spart nicht mit entsprechenden Angeboten und Druckmitteln. Viele fallen darauf herein und werden zu Verrätern.

Auch dir gegenüber ist man misstrauisch

Im Knast herrscht deshalb allgemeine Angst vor Verrat. Man sollte Verständnis dafür haben, dass andere Mitgefangene einem selbst gegen­über zurückhaltend und vielleicht sogar ziemlich misstrauisch sind. Offene Gespräche sind selten. Die politischen Gefangenen bilden hier den auch von den andern als solche angesehen, die nicht denunzieren. Das ist einer der Gründe für das-Ansehen, das sie bei den anderen Gefangenen haben.

Kein Verfolgungswahn!

Trotz der üblen Erfahrungen, die viele im Knast mit ihren Mitgefange­nen gemacht haben, sollte man sich vor übertriebenem Misstrauen und Verfolgungswahn hüten, denn im schlimmsten Fall kann auch gerade dieser Verfolgungswahn das provozieren, wovor man sich in acht neh­men will - indem man ein derartiges Misstrauen um sich verbreitet, dass man sich das Misstrauen aller und vor allem die Abneigung aller zuzieht. Was unter Umständen bedeuten kann, dass man erst recht gelinkt wird. Außerdem ist diese Angst meistens tatsächlich übertrieben. Wen du für einen Denunzianten hältst, der dich aushorchen will, kann jemand sein, der tatsächlich an dir interessiert ist. Er wird durch ein solches offenes Misstrauen dann von dir zurückgestoßen. Es ist im Knast nicht anders als draußen. Nur: draußen merkt man es nicht so. Aber auch draußen ist man ja vorsichtig bei Leuten, die man nicht kennt - und auch draußen würde man nicht offen über seine Straftaten sprechen - oder über Dinge, die andere nichts angehen.


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