Die Haftbedingungen in der ersten Zeit (U-Haft)

Aus Gefangenenratgeber

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2.5. Die Haftbedingungen in der ersten Zeit (U-Haft)

Die Untersuchungshaft ist in der Regel Einzelhaft. Begründet wird dies damit, dass der U-Häftiing ja noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb als unschuldig zu gelten hat. Die Einzelhaft soll also eine besondere Vergünstigung gegenüber den Strafgefangenen sein. Es gäbe also keinen Grund, den U-Häftling nicht sofort und unbe­schränkt mit anderen Gefangenen zusammen zu lassen. Natürlich finden sich doch Gründe: Der „Zweck der U-Haft" könnte sonst gefährdet sein. Du bist ja nicht allein deshalb inhaftiert worden, weil du einer strafbaren Handlung dringend verdächtigt wirst, sondern weil darüber hinaus angeblich „Flucht- oder Verdunklungsgefahr" (oder beides) besteht oder wenn die Gefahr besteht, dass du als „Wiederholungstäter" weitere Straftaten begehst. Sie werden dich oft mit der Begründung von anderen Gefangenen fernhalten, du könntest über Mitgefangene Zeugen beeinflussen, Beweismittel beseitigen lassen, Komplizen verständigen etc. Ein zweiter Grund, dich allein zu halten, ist die Gefährdung von „Sicher­heit und Ordnung in der Anstalt". Diese Floskel wirst du in der nächsten Zeit sehr oft zu hören bekommen; damit kann fast alles verboten und durchgesetzt werden.

Die Verhöre gehen weiter

Einen dritten Grund für deine Isolation wirst du kaum zu hören, dafür aber umso mehr zu spüren bekommen: Das Interesse der Ermittlungsbehörden, aus dir etwas herauszubekom­men. Was sie nicht schon unmittelbar nach der Festnahme erreicht haben, werden sie nun auf andere Weise weiter versuchen. Haben sie vorher noch versucht, deine unmittelbare Angst, deine Desorientiertheit, also den Überraschungseffekt der Festnahme auszunutzen, so kann es passieren, dass sie nun die Zeit für sich arbeiten lassen - mit Hilfe andauernder Isolation. Bist du im Zusammenhang mit deiner politischen Arbeit inhaftiert worden, hast du ein Verfahren wegen §§ 129, 129a (kriminelle bzw. terroristische Vereinigung) am Hals, so musst du regel­mäßig damit rechnen, dass diese Methode an dir ausprobiert wird. Stelle dich darauf ein, dass sie dich vielleicht öfter besuchen werden. Es kommt dabei vor, daß du von einem Beamten mit den Worten aus deiner Zelle geholt wirst: „Besuch für Sie“ oder „Ihr Anwalt möchte Sie sprechen“. In der Besuchszelle erwartet dich dann ein grinsender LKA-Beamter zum Verhör. Laß dich auf kein Gespräch ein! Nach wochenlanger Isolationshaft ist dein Bedürfnis mit jemandem zu reden so stark und deine Selbstkontrolle oft so schwach, dass du vorher nicht einschätzen kannst, wie so ein „Gespräch" enden wird - und damit zu arbeiten, ist die stärkste Waffe der Verhörspezialisten. Außerdem: Wenn sie nur einmal das Gefühl bekommen, du könntest umfallen, dann lassen sie nicht mehr locker. Deshalb glaube nicht, wenn du ihnen irgendwas erzählst, dass du dann deine Ruhe haben wirst. Im Gegenteil. Dann geht es erst richtig los. Also: Sag in so einem Fall: „Danke, das war's dann", dreh dich wieder um und verlange, auf deine Zeile geführt zu werden. Manche empfehlen, dem Druck dadurch auszuweichen, dass man anfängt völlig uninteressante Geschichten zu erzählen, z.B. vom letzten Urlaub, von einem Film, den man gesehen hat, von einem Buch, das man gelesen hat. Davor ist aber zu warnen. Ein geschickter Verhörspezialist wird auch für diese Themen Interesse zeigen, um erstmal ein Gespräch in Gang zu setzen und es an geeigneter Stelle in die richtigen Bahnen zu lenken.

Isolation und Rededruck

Je wichtiger du ihnen bist, desto hartnäckiger werden sie sein. Hat gar die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen, wirst du also als „Terrorist" oder auch „Spion" eingestuft, dann musst du dich auf die ausgekochtesten psychologischen Tricks gefasst machen, bei denen alles, was sie von dir, deiner Persönlichkeit, deiner Vergangenheit, deinen Interessen, deinen Gewohnheiten und Schwächen in Erfahrung bringen konnten, gegen dich ausgespielt wird. Mit der zynischen, scheinheiligen Begründung, dich vor „Selbstmord" bewahren zu wollen, versuchen sie manchmal zusätzlich, dich durch nächtliche Zellenbeleuchtung und häufiges nächtliches Wecken mürbe zu machen. Denke daran: Die Hartnäckigkeit der Ermittler ist für dich ein Hinweis darauf, dass ihr Belastungsmaterial gegen dich oder die Mitverdächtigen noch sehr dürftig ist. Sieh zu, dass es dabei bleibt. Deine Gegenstrategie muss sich hauptsächlich darauf konzentrieren, den eigenen durch die Isolation hervorgerufenen Rededruck zu verarbeiten oder zumindest abzulenken und unter Kontrolle zu halten. Neben dem Bewusstsein, diese Methoden durchschauen zu können, können z.B. autogenes Training (siehe Abschnitt 13.3.) und ähnliche Konzentrationsübungen und auch Selbstgespräche in der Zelle ein brauchbares Mittel dagegen sein (siehe auch unter 4. „Einsamkeit und Isolation"). Dassss die Isolationshaft ein hervorragendes Mittel ist, Menschen zum Reden zu bringen, haben nicht nur die Ermittler in politischen Strafsa­chen erkannt: In mehreren U-Haftanstalten - und es ist zu befürchtendassssß sich diallgemeininn durchsetzen wird - ist daher eine „Eingewöhnungszeit", d.h. eine generelle Isolationshaft für alle Neuzugänge eingeführt worden. In der JVA Frankfurt-Preungesheim zum Beispiel dauert diese Zeit zwei Monate. Nur beim allgemeinen Hofgang kommt man mit anderen Gefangenen in Kontakt. Die restlichen 23 Stunden am Tag ist man allein in der Zelle.


2.5. Die Haftbedingungen in der ersten Zeit (U-Haft)

Die Untersuchungshaft ist in der Regel Einzelhaft. Begründet wird dies damit, dass der U-Häftiing ja noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb als unschuldig zu gelten hat. Die Einzelhaft soll also eine besondere Vergünstigung gegenüber den Strafgefangenen sein. Es gäbe also keinen Grund, den U-Häftling nicht sofort und unbe­schränkt mit anderen Gefangenen zusammen zu lassen. Natürlich finden sich doch Gründe: Der „Zweck der U-Haft" könnte sonst gefährdet sein. Du bist ja nicht allein deshalb inhaftiert worden, weil du einer strafbaren Handlung dringend verdächtigt wirst, sondern weil darüber hinaus angeblich „Flucht- oder Verdunklungsgefahr" (oder beides) besteht oder wenn die Gefahr besteht, dass du als „Wiederholungstäter" weitere Straftaten begehst. Sie werden dich oft mit der Begründung von anderen Gefangenen fernhalten, du könntest über Mitgefangene Zeugen beeinflussen, Beweismittel beseitigen lassen, Komplizen verständigen etc. Ein zweiter Grund, dich allein zu halten, ist die Gefährdung von „Sicher­heit und Ordnung in der Anstalt". Diese Floskel wirst du in der nächsten Zeit sehr oft zu hören bekommen; damit kann fast alles verboten und durchgesetzt werden.

Die Verhöre gehen weiter

Einen dritten Grund für deine Isolation wirst du kaum zu hören, dafür aber umso mehr zu spüren bekommen: Das Interesse der Ermittlungsbehörden, aus dir etwas herauszubekom­men. Was sie nicht schon unmittelbar nach der Festnahme erreicht haben, werden sie nun auf andere Weise weiter versuchen. Haben sie vorher noch versucht, deine unmittelbare Angst, deine Desorientiertheit, also den Überraschungseffekt der Festnahme auszunutzen, so kann es passieren, dass sie nun die Zeit für sich arbeiten lassen - mit Hilfe andauernder Isolation. Bist du im Zusammenhang mit deiner politischen Arbeit inhaftiert worden, hast du ein Verfahren wegen §§ 129, 129a (kriminelle bzw. terroristische Vereinigung) am Hals, so musst du regel­mäßig damit rechnen, dass diese Methode an dir ausprobiert wird. Stelle dich darauf ein, dass sie dich vielleicht öfter besuchen werden. Es kommt dabei vor, daß du von einem Beamten mit den Worten aus deiner Zelle geholt wirst: „Besuch für Sie“ oder „Ihr Anwalt möchte Sie sprechen“. In der Besuchszelle erwartet dich dann ein grinsender LKA-Beamter zum Verhör. Laß dich auf kein Gespräch ein! Nach wochenlanger Isolationshaft ist dein Bedürfnis mit jemandem zu reden so stark und deine Selbstkontrolle oft so schwach, dass du vorher nicht einschätzen kannst, wie so ein „Gespräch" enden wird - und damit zu arbeiten, ist die stärkste Waffe der Verhörspezialisten. Außerdem: Wenn sie nur einmal das Gefühl bekommen, du könntest umfallen, dann lassen sie nicht mehr locker. Deshalb glaube nicht, wenn du ihnen irgendwas erzählst, dass du dann deine Ruhe haben wirst. Im Gegenteil. Dann geht es erst richtig los. Also: Sag in so einem Fall: „Danke, das war's dann", dreh dich wieder um und verlange, auf deine Zeile geführt zu werden. Manche empfehlen, dem Druck dadurch auszuweichen, dass man anfängt völlig uninteressante Geschichten zu erzählen, z.B. vom letzten Urlaub, von einem Film, den man gesehen hat, von einem Buch, das man gelesen hat. Davor ist aber zu warnen. Ein geschickter Verhörspezialist wird auch für diese Themen Interesse zeigen, um erstmal ein Gespräch in Gang zu setzen und es an geeigneter Stelle in die richtigen Bahnen zu lenken.

Isolation und Rededruck

Je wichtiger du ihnen bist, desto hartnäckiger werden sie sein. Hat gar die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen, wirst du also als „Terrorist" oder auch „Spion" eingestuft, dann musst du dich auf die ausgekochtesten psychologischen Tricks gefasst machen, bei denen alles, was sie von dir, deiner Persönlichkeit, deiner Vergangenheit, deinen Interessen, deinen Gewohnheiten und Schwächen in Erfahrung bringen konnten, gegen dich ausgespielt wird. Mit der zynischen, scheinheiligen Begründung, dich vor „Selbstmord" bewahren zu wollen, versuchen sie manchmal zusätzlich, dich durch nächtliche Zellenbeleuchtung und häufiges nächtliches Wecken mürbe zu machen. Denke daran: Die Hartnäckigkeit der Ermittler ist für dich ein Hinweis darauf, dass ihr Belastungsmaterial gegen dich oder die Mitverdächtigen noch sehr dürftig ist. Sieh zu, dass es dabei bleibt. Deine Gegenstrategie muss sich hauptsächlich darauf konzentrieren, den eigenen durch die Isolation hervorgerufenen Rededruck zu verarbeiten oder zumindest abzulenken und unter Kontrolle zu halten. Neben dem Bewusstsein, diese Methoden durchschauen zu können, können z.B. autogenes Training (siehe Abschnitt 13.3.) und ähnliche Konzentrationsübungen und auch Selbstgespräche in der Zelle ein brauchbares Mittel dagegen sein (siehe auch unter 4. „Einsamkeit und Isolation"). Dassss die Isolationshaft ein hervorragendes Mittel ist, Menschen zum Reden zu bringen, haben nicht nur die Ermittler in politischen Strafsa­chen erkannt: In mehreren U-Haftanstalten - und es ist zu befürchtendassssß sich diallgemeininn durchsetzen wird - ist daher eine „Eingewöhnungszeit", d.h. eine generelle Isolationshaft für alle Neuzugänge eingeführt worden. In der JVA Frankfurt-Preungesheim zum Beispiel dauert diese Zeit zwei Monate. Nur beim allgemeinen Hofgang kommt man mit anderen Gefangenen in Kontakt. Die restlichen 23 Stunden am Tag ist man allein in der Zelle.


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