Die Bewacher

Aus Gefangenenratgeber

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5. Die Bewacher

Du erlebst den Beamten nicht bloß als Bewacher. Dir wird auch klarge­macht , daß du von ihm abhängig bist. Er versorgt dich. Du kannst keine Bewegung vornehmen, ohne daß sie von einem Beamten ermöglicht und begleitet wird. Er hält dich nicht nur gefangen, er hält dich auch am Leben. Die Situation beschrankt sich nicht darauf, daß der Beamte etwas von dir will, sondern auch du willst etwas von den Beamten, , Im Umgang mit dem Bewacher wird man feststeilen, daß es für jedes Zugeständnis, das er macht, auch einen Preis gibt. Und dieser Preis ist oft so hoch, bringt dich in eine solche ohnmächtige Rolle, daß es besser ist, auf die Vorteile zu verzichten und dafür so frei zu bleiben, wie man es als Gefangener sein kann, der vom Knast, von seinen künstlichen Quellen des Lebens, noch nicht abhängig ist. Ist man erst einmal davon abhängig, kann man im Knast noch viel unfreier werden. Die innere Freiheit, der Stolz, die eigene Würde, deine eigene Geschichte -das alles ist für dein Leben und dein Weiterleben viel wichtiger als die „Vergünstigungen" und die kleinen schäbigen Möglichkeiten, die du in den Nischen der totalen Verwaltung dir noch zunutze machen karinst. Du solltest es jedenfalls vermeiden, daß. ein Funktionär des Knasts teilnehmend, beobachtend, regulierend in deine Gefühle, Gedanken, Beziehungen zu anderen Menschen soweit eindringen kann, daß du ihm selbst eine solche Kontrolle über dich erlaubst, ihn darum auch noch bittest. Man muß lernen, mit dieser Versuchung umzugehen. Man muß es in jeder Lage fertigbringen, auf seinem eigenen Schicksal zu bestehen. Dazu gehört auch die Fähigkeit zu leiden und sich nicht durch die hingeworfenen billigen Befriedigungen der primitiven Bedürfnisse, die man den Gefangenen unterstellt, bestechen zu lassen. Solche billigen Befriedigungen auszuschlagen ist jedesmal ein Sieg, und sie anzunehmen, und sei's taktisch, bedeutet oft die wirkliche Aufgabe deiner Freiheit. Die Institution versucht alles, um dir das eigene Schicksal zu nehmen, dich schicksallos, geschiehcslos, wesenlos zu machen, damit du zu einem willigen Gegenstand ihrer Verwaltung wirst. Dein eigenes Leben soll verstummen vor den mechanischen Formeln, die man ihm aufdrücken will. Alle Vorceile, die man dir bietet, dienen diesem Zweck - alle Strafen und Benachteiligungen, mit denen man dich zu erpressen versucht, sollen dich dahin bringen. Gerade dieser Aufwand an Zwang und Ersatzleben beweist dir, wie stark du bist, wenn du dein Schicksal nicht preisgibst – wenn du deine totale Verwaltung verweigerst. Die Absicht der Bewacher ist es, alles zu regein. Alles kann ja auch geregelt werden. Aber damit ist alles tot. Dein Leben wird dir selber fremd, weil es dir nicht mehr gehört - nicht nur nach außen, sondern auch innen, in der Substanz. Dieser Verlust des Interesses an sich selbst ist die zentrale Gefahr, die auf einen Gefangenen zukommt. Und es ist nicht nur die Folter der Isolation, die diese Gefahr auslöst, sondern noch mehr das bereitwillige Eingehen auf die scheinbaren Auswege, die sich anbieten. Eine Verweigerung ist nicht mit einer totalen Konfrontation zu verwechseln, die von den wenigsten nervlich durchgehalten werden kann. Sie bedeutet vielmehr, sich ein notwendiges Maß an Selbstbewußtsein und auch Selbstbestimmung zu erhalten oder zu erkämpfen. Das setzt voraus, daß man den Apparat wie die einzelnen Beamten in ihrer Rolle und in ihrer Persönlichkeit durchschaut. Um sich gegen die eigenen Ohnmachtsgefühle zu behaupten, können dabei Mittel und Techniken nötig sein,.mit der die eigene Phantasie den Gegner entmystifiziert, entwaffnet, lächerlich macht, seine Autorität, die seine Uniform, sein Gehabe und natürlich auch seine tatsächliche Macht uns spüren läßt, zu zerstören. Erst dann wird man es lernen, dieser Macht auch in Wirklichkeit zu widerstehen.


5. Die Bewacher

Du erlebst den Beamten nicht bloß als Bewacher. Dir wird auch klarge­macht , daß du von ihm abhängig bist. Er versorgt dich. Du kannst keine Bewegung vornehmen, ohne daß sie von einem Beamten ermöglicht und begleitet wird. Er hält dich nicht nur gefangen, er hält dich auch am Leben. Die Situation beschrankt sich nicht darauf, daß der Beamte etwas von dir will, sondern auch du willst etwas von den Beamten, , Im Umgang mit dem Bewacher wird man feststeilen, daß es für jedes Zugeständnis, das er macht, auch einen Preis gibt. Und dieser Preis ist oft so hoch, bringt dich in eine solche ohnmächtige Rolle, daß es besser ist, auf die Vorteile zu verzichten und dafür so frei zu bleiben, wie man es als Gefangener sein kann, der vom Knast, von seinen künstlichen Quellen des Lebens, noch nicht abhängig ist. Ist man erst einmal davon abhängig, kann man im Knast noch viel unfreier werden. Die innere Freiheit, der Stolz, die eigene Würde, deine eigene Geschichte -das alles ist für dein Leben und dein Weiterleben viel wichtiger als die „Vergünstigungen" und die kleinen schäbigen Möglichkeiten, die du in den Nischen der totalen Verwaltung dir noch zunutze machen karinst. Du solltest es jedenfalls vermeiden, daß. ein Funktionär des Knasts teilnehmend, beobachtend, regulierend in deine Gefühle, Gedanken, Beziehungen zu anderen Menschen soweit eindringen kann, daß du ihm selbst eine solche Kontrolle über dich erlaubst, ihn darum auch noch bittest. Man muß lernen, mit dieser Versuchung umzugehen. Man muß es in jeder Lage fertigbringen, auf seinem eigenen Schicksal zu bestehen. Dazu gehört auch die Fähigkeit zu leiden und sich nicht durch die hingeworfenen billigen Befriedigungen der primitiven Bedürfnisse, die man den Gefangenen unterstellt, bestechen zu lassen. Solche billigen Befriedigungen auszuschlagen ist jedesmal ein Sieg, und sie anzunehmen, und sei's taktisch, bedeutet oft die wirkliche Aufgabe deiner Freiheit. Die Institution versucht alles, um dir das eigene Schicksal zu nehmen, dich schicksallos, geschiehcslos, wesenlos zu machen, damit du zu einem willigen Gegenstand ihrer Verwaltung wirst. Dein eigenes Leben soll verstummen vor den mechanischen Formeln, die man ihm aufdrücken will. Alle Vorceile, die man dir bietet, dienen diesem Zweck - alle Strafen und Benachteiligungen, mit denen man dich zu erpressen versucht, sollen dich dahin bringen. Gerade dieser Aufwand an Zwang und Ersatzleben beweist dir, wie stark du bist, wenn du dein Schicksal nicht preisgibst – wenn du deine totale Verwaltung verweigerst. Die Absicht der Bewacher ist es, alles zu regein. Alles kann ja auch geregelt werden. Aber damit ist alles tot. Dein Leben wird dir selber fremd, weil es dir nicht mehr gehört - nicht nur nach außen, sondern auch innen, in der Substanz. Dieser Verlust des Interesses an sich selbst ist die zentrale Gefahr, die auf einen Gefangenen zukommt. Und es ist nicht nur die Folter der Isolation, die diese Gefahr auslöst, sondern noch mehr das bereitwillige Eingehen auf die scheinbaren Auswege, die sich anbieten. Eine Verweigerung ist nicht mit einer totalen Konfrontation zu verwechseln, die von den wenigsten nervlich durchgehalten werden kann. Sie bedeutet vielmehr, sich ein notwendiges Maß an Selbstbewußtsein und auch Selbstbestimmung zu erhalten oder zu erkämpfen. Das setzt voraus, daß man den Apparat wie die einzelnen Beamten in ihrer Rolle und in ihrer Persönlichkeit durchschaut. Um sich gegen die eigenen Ohnmachtsgefühle zu behaupten, können dabei Mittel und Techniken nötig sein,.mit der die eigene Phantasie den Gegner entmystifiziert, entwaffnet, lächerlich macht, seine Autorität, die seine Uniform, sein Gehabe und natürlich auch seine tatsächliche Macht uns spüren läßt, zu zerstören. Erst dann wird man es lernen, dieser Macht auch in Wirklichkeit zu widerstehen.

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