Der Beamtentyp

Aus Gefangenenratgeber

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5.5. Der Beamtentyp

Die Neugierde, mit der man als Gefangener die Beamten beobachtet, hat ihren triftigen Grund. Als Gefangener ist man den Launen und der Willkür der Beamten relativ hilflos ausgeliefert. Deswegen versucht man, den Charakter der einzelnen Beamten herauszufinden und teilt instinktiv die Beamten in Charaktergruppen ein. Man kennt den ;, guten" Beamten und den „schlechten" Beamten. Der Unterschied zwischen beiden ist so einschneidend, dass man in einem Fall sich wie auf Urlaub vorkommen kann, wenn der „gute" Beamte auf der Station Dienst hat, und im anderen Fall die schlimmste Zeit durchmacht, wenn der „schlechte" Kollege auf der Station ist. Er kann das normalerweise friedliche Leben einer ganzen Station zu einer- unerträglichen Hölle machen. Man hört den ganzen Tag sein Gebrüll, man hört wie geprügelt wird, wie man Leute in die B-Zellen schleift, man merkt seine Schnüffelei, seine heimlichen Zellenkontrollen während man im Hof ist. Er provoziert dich, er stellt dir Fallen - all das kann dich über Wochen ziemlich fertig machen. Man stellt also fest, dass es zwischen den Beamten erhebliche Unterschiede gibt, was das Verhalten gegenüber den Gefangenen angeht. Für diese Unterschiede interessiert man sich, weil man fühlt, dass man von ihnen abhängt. Es sind Unterschiede im Charakter. Ohne dass wir in den Fehler verfallen wollen, eine wissenschaftliche „Charaktertypologie" der Beamten zu versuchen, wollen wir hier am Beispiel der hohen Beamten aufzeigen, mit weichen „Typen" man rechnen muss. Ihre Art zu „reagieren" bekommt man als Gefangener auch dann zu spüren, wenn man sie selbst kaum zu Gesicht bekommt. Dazu wollen wir einige der vielfältigen Maschen, die ein hoher Beamter bzw. Anstaltsleiter beherrscht, hinter denen sich oft genug seine Macken verbergen, beschreiben:

Der Uninformierte

Er kann tatsächlich uninformiert sein, oder er kann vorgeben, nicht informiert zu sein. Meistens wird es daran liegen, dass er sich nicht informieren lassen will, weil ihm die Information unangenehm ist. Das ist sein wunder Punkt. Er wird angreifbar, wenn die Information, die er unterdrückt, nach außen dringt, wenn sie sich sogar in der Nachbarschaft des Knastes, in den Schulen, in den Kneipen, in den Läden verbreitet. Deshalb: jeden Vorgang von Bedeutung schriftlich festhalten, solche Vorgange sammeln, untereinander Notizen darüber austauschen und diese Berichte nach draußen schicken. Dabei sollte man sich nicht auf einen Vorgang beschränken, sondern etwas systematisch vorgehen und die Vorgänge durch Zeugenunterschrif­ten bestätigen lassen.

Der Raffenierte

Er stellt Fallen. Sein wunder Punkt ist, dass er sich, weil er daraus eine geheime Befriedigung zieht, vielleicht zu sehr damit beschäftigt.Man sollte ihm entgegen kommen. Man sollte ihm selbst eine Falle stellen, von derer glaubt, es ist die seine.nur überlegen. Vielleicht verliert man einen Kassiber, in dem sein Name auftaucht -falls es nicht der Anstaltsleiter selber ist, Wenn es der Anstaltsleiter ist, muss man versuchen, ihn „von außen" zu Fall zu bringen - oder zum Nachgeben, je mehr man sich mit seiner Person beschäftigt, umso mehr wird einem deutlich, was man machen muss.

Der Reformer

Das Falscheste wäre, auf sein Geschwätz hereinzufallen. Versuche vielmehr zu ergründen, womit er solche moralischen Schwierigkeiten hat. Er ist in gewissem Sinn das gefährlichste Exemplar von allen, weil er der einzige ist, der Einfluss auf die Gefangenen haben kann. Das bedeutet: mehr Abwiegelung, mehr Spaltung, mehr Denunzianten, jedoch müssen seine vorgetragenen Ansichten in den meisten Fällen seinen Handlungen widersprechen. Versuche, diese Widerspräche herauszufinden und andern klarzumachen. Die Reformer reagieren meistens allergisch auf Veröffentlichungen in der Presse. Sie bemühen sich, in der Öffentlichkeit als Denkmal der Reform zu erscheinen, als eine Art Albert Schweitzer in Lambarcne, umgeben von Aussätzigen und Bösewichtern, deren sie sich annehmen. Weist man ihnen nach, dass sie das nicht sind und dass ihre Methoden es nur fertigbringen, dass statt geprügelt abgespritzt wird, trifft man auch bei ihnen einen wunden Punkt. Sie werden vielleicht alles tun, um ihren Ruf als Reformer zu behalten. - Allerdings, die Zeit der echten und falschen Reformer ist eigentlich schon vorbei, und viele von ihnen sind inzwischen aus dem Strafvollzugsdienst ausgeschieden. Aber es gibt sie noch.

Der Zyniker

Sein wunder Punkt ist oft seine Vergangenheit. Er ist oft ein Aufsteiger aus den untersten Rängen, ein rabiater Emporkömmling, der in seiner früheren Laufbahn einige dunkle Stellen hat. Seine Taten, die früheren wie die heutigen, sollten möglichst genau festgehalten werden. Es gibt immer Gefangene, die erstaunlich gut über die Vergangenheit gewisser Beamter informiert sind. Außerdem ist dieser Typ unvorsichtig. Er verheimlicht nicht, was er tut und wie er denkt, sondern es drängt ihn, es auch auszusprechen. Wenn er zu weit geht, kann man ihn vielleicht damit zu Fall bringen, zumindest aber in Schwierigkeiten. Unter den respektableren und „seriösen" Gestalten der Justizverwaltung ist dieser Rabauke nicht sehr beliebt. Er verdirbt ihnen den Anschein.

Der Wehleidige

Er ist ein Hypochonder, der ständig Mitleid zu erwecken versucht. Er beschwert sich darüber, wie schlecht ihn alle Weit behandelt. Im Grunde ist er etwas infantil' und daher leicht verletzbar, und das ist wohl auch die Ursache für seinen oft schlechten Gesundheitszustand. Er ist. auch unberechenbar, weil er sich ständig angegriffen fühlt und dann glaubt, sich verteidigen zu müssen. Und wie! Er verteidigt ja viel mehr als nur eine Verordnung. Erschlägt wild um sich und verfolgt ein Phantom, das ihn umbringen will. Seine Überstürztheit und Neigung zur Verzweiflung macht ihn unfähig, eine Situation zu übersehen. Er überlegt nicht lange. Jemand, der nicht lange überlegt, ist ein schwacher Gegner. Ersieht nur sich. Er sieht die Welt verkehrt herum. Sie ist nur wegen ihm so. Man kann ihn andererseits nicht so leicht zum Aufgeben bringen. Er entfaltet eine fürchterliche Energie. Er beschäftigt sich dann aber mit Dingen, die völlig außerhalb seiner Kompetenz liegen. Zum Beispiel kann es sein, dass er sich mit seitenlangen Erklärungen (und Klagen!) in den Briefwechsel der Gefangenen einmischt. Dadurch wird er, wenn sich sein psychopathisches Wesen seinen Vorgesetzten nicht sowieso bald als untragbar erweist, zumindest angreifbar. Außerdem ist er immer völlig überarbeitet, was kein Wunder ist.

Der Lügner

Wie jeder notorische Lügner ist er unsicher. Er traut sich nicht zuzugeben, wie er in Wirklichkeit denkt. Er macht Ausflüchte. Im Gegensatz zum Raffinierten ist er schwach, sein schlechtes Gewissen und sein hin- und hergeworfenes Wesen treiben ihn zu ständig neuen Lügen. Wenn das Lügen bei ihm keine Überlegung, sondern eine Art Triebhaftigkeit ist, weiß man auch seinen wunden Punkt: er hält eine direkte Konfrontation, Aug um Aug, wo er Farbe bekennen muss, nicht aus. Lieber gibt er dann nach oder überlässt den andern Beamten das Feld. Verletzbar ist er durch die von ihm ständig produzierten Widersprüche. Da er sich hinter seinem Schreibtisch verschanzt und sich nicht gern.auf Gespräche mit Gefangenen einlässt, produziert er seine Widersprüche auch noch schriftlich. Man hat damit unter Umständen schlagende Beweise in der Hand.

Der Sicherheitsfanatiker

Er ist der Perfektionist unter den Angehörigen des obersten Beamtenstabs. Er hat für alles eine einfache Lösung: die Sicherheit! mehr Sicherheit! Damit wird er zum Quell aller Unsicherheit, denn statt durch geeignete Ventile den Druck im Kessel eines Knastes auf einem ertragbaren Quantum zu halten, schafft er alle Ventile ab und bringt den Kessel schließlich zur Explosion. Die Beamten fühlen sich nicht allein nur von den Gefangenen bedroht, sondern auch vom Klima des Misstrauens und der Denunziation in ihren eigenen Reihen. In verhältnismäßig kurzer Zeit schafft er es, dass die paar hundert Quadratmeter, die er regiert, so unsicher werden wie eine verheißungsvoller Gefährlichkeit und Entzündlichkeit! Das alles ist von ihm verursacht, weil er nicht psychologisch denkt. Er hält einfach alles für unsicher, deshalb will er alles verbieten. Durch seine Verbote aber wird meistens erst alles unsicher, nur entzieht es sich dann seiner Kontrolle, da er es ja verboten hat. So tappt er schließlich im Dunkeln und hält jeden Schatten für eine schreckliche Bedrohung. Er fühlt sich verfolgt und überträgt seinen Verfolgungswahn auf alles um ihn herum. Damit bringt er schließlich alles fertig, dass die Gefangenen gegen ihn wirklich revoltieren und dass die Schatten, die vorher nur Sträucher waren, sich als Verschwörer entpuppen. Er erreicht auch, dass sich die Schar der Kollaborateure, die Denunzianten, Spitzel, „GefangenenVertreter", immer mehr lichtet - weil er auch sie für unsicher hält und am liebsten sich mit Gefangenen überhaupt nicht abgeben möchte, sondern sie nur sicher hinter Gitter haben will. Es bleibt ihm damit also auch kein Werkzeug in der Hand, womit er eine Revolte beschwichtigen könnte. Wenn es dazu kommt, revoltieren auch die „Gefangenenvertreter" und sogar die Beamten gegen ihn, letztere mit Gleichgültigkeit oder Indiskretionen. Aus all dem geht hervor, dass dieser Typ am ehesten angreifbar ist und unter allen anderen Typen von hohen Beamten der schwächste ist.

Der Unzuständige

Er ist so unselbständig, dass er immer „oben"*anfragt, was er tun soll. Gibt man ihm von oben keine Direktiven, weiß er nicht, wie er sich verhalten soll und ergreift vor dem Problem die Flucht. Es kommt darauf an, immer schneller zu sein als seine Direktiven und dafür zu sorgen, dass ihn die Probleme einholen. Dann wird man vielleicht feststellen, dass er überhaupt nicht weiß was er will und nur will, dass man ihn in Ruhe lässt. Er hat immer neben sich jemanden, der für ihn alles entscheidet. Ihm ist er ausgeliefert wie ein Mündel seinem Vormund. Obwohl er beeinflussbar ist, wird er immer auf seinen Vormund hören, und das verringert die Chance, mit ihm fertigzuwerden.

Der Ängstliche

Er hat Angst, dass etwas heraus kommt. Er ist dann fähig, jemanden, der an die Presse geschrieben hat, in den Bunker bringen zu lassen, um ihn am Schreiben zu hindern,.' und in eine Anstalt zu verlegen. Die Waffe gegen ihn ist die, die er am meisten fürchtet: das Licht der Medien. Wie man es gerade auf ihn richten kann, darüber steht etwas im Abschnitt 10.7. „Presseerklärungen".


5.5. Der Beamtentyp

Die Neugierde, mit der man als Gefangener die Beamten beobachtet, hat ihren triftigen Grund. Als Gefangener ist man den Launen und der Willkür der Beamten relativ hilflos ausgeliefert. Deswegen versucht man, den Charakter der einzelnen Beamten herauszufinden und teilt instinktiv die Beamten in Charaktergruppen ein. Man kennt den ;, guten" Beamten und den „schlechten" Beamten. Der Unterschied zwischen beiden ist so einschneidend, dass man in einem Fall sich wie auf Urlaub vorkommen kann, wenn der „gute" Beamte auf der Station Dienst hat, und im anderen Fall die schlimmste Zeit durchmacht, wenn der „schlechte" Kollege auf der Station ist. Er kann das normalerweise friedliche Leben einer ganzen Station zu einer- unerträglichen Hölle machen. Man hört den ganzen Tag sein Gebrüll, man hört wie geprügelt wird, wie man Leute in die B-Zellen schleift, man merkt seine Schnüffelei, seine heimlichen Zellenkontrollen während man im Hof ist. Er provoziert dich, er stellt dir Fallen - all das kann dich über Wochen ziemlich fertig machen. Man stellt also fest, dass es zwischen den Beamten erhebliche Unterschiede gibt, was das Verhalten gegenüber den Gefangenen angeht. Für diese Unterschiede interessiert man sich, weil man fühlt, dass man von ihnen abhängt. Es sind Unterschiede im Charakter. Ohne dass wir in den Fehler verfallen wollen, eine wissenschaftliche „Charaktertypologie" der Beamten zu versuchen, wollen wir hier am Beispiel der hohen Beamten aufzeigen, mit weichen „Typen" man rechnen muss. Ihre Art zu „reagieren" bekommt man als Gefangener auch dann zu spüren, wenn man sie selbst kaum zu Gesicht bekommt. Dazu wollen wir einige der vielfältigen Maschen, die ein hoher Beamter bzw. Anstaltsleiter beherrscht, hinter denen sich oft genug seine Macken verbergen, beschreiben:

Der Uninformierte

Er kann tatsächlich uninformiert sein, oder er kann vorgeben, nicht informiert zu sein. Meistens wird es daran liegen, dass er sich nicht informieren lassen will, weil ihm die Information unangenehm ist. Das ist sein wunder Punkt. Er wird angreifbar, wenn die Information, die er unterdrückt, nach außen dringt, wenn sie sich sogar in der Nachbarschaft des Knastes, in den Schulen, in den Kneipen, in den Läden verbreitet. Deshalb: jeden Vorgang von Bedeutung schriftlich festhalten, solche Vorgange sammeln, untereinander Notizen darüber austauschen und diese Berichte nach draußen schicken. Dabei sollte man sich nicht auf einen Vorgang beschränken, sondern etwas systematisch vorgehen und die Vorgänge durch Zeugenunterschrif­ten bestätigen lassen.

Der Raffenierte

Er stellt Fallen. Sein wunder Punkt ist, dass er sich, weil er daraus eine geheime Befriedigung zieht, vielleicht zu sehr damit beschäftigt.Man sollte ihm entgegen kommen. Man sollte ihm selbst eine Falle stellen, von derer glaubt, es ist die seine.nur überlegen. Vielleicht verliert man einen Kassiber, in dem sein Name auftaucht -falls es nicht der Anstaltsleiter selber ist, Wenn es der Anstaltsleiter ist, muss man versuchen, ihn „von außen" zu Fall zu bringen - oder zum Nachgeben, je mehr man sich mit seiner Person beschäftigt, umso mehr wird einem deutlich, was man machen muss.

Der Reformer

Das Falscheste wäre, auf sein Geschwätz hereinzufallen. Versuche vielmehr zu ergründen, womit er solche moralischen Schwierigkeiten hat. Er ist in gewissem Sinn das gefährlichste Exemplar von allen, weil er der einzige ist, der Einfluss auf die Gefangenen haben kann. Das bedeutet: mehr Abwiegelung, mehr Spaltung, mehr Denunzianten, jedoch müssen seine vorgetragenen Ansichten in den meisten Fällen seinen Handlungen widersprechen. Versuche, diese Widerspräche herauszufinden und andern klarzumachen. Die Reformer reagieren meistens allergisch auf Veröffentlichungen in der Presse. Sie bemühen sich, in der Öffentlichkeit als Denkmal der Reform zu erscheinen, als eine Art Albert Schweitzer in Lambarcne, umgeben von Aussätzigen und Bösewichtern, deren sie sich annehmen. Weist man ihnen nach, dass sie das nicht sind und dass ihre Methoden es nur fertigbringen, dass statt geprügelt abgespritzt wird, trifft man auch bei ihnen einen wunden Punkt. Sie werden vielleicht alles tun, um ihren Ruf als Reformer zu behalten. - Allerdings, die Zeit der echten und falschen Reformer ist eigentlich schon vorbei, und viele von ihnen sind inzwischen aus dem Strafvollzugsdienst ausgeschieden. Aber es gibt sie noch.

Der Zyniker

Sein wunder Punkt ist oft seine Vergangenheit. Er ist oft ein Aufsteiger aus den untersten Rängen, ein rabiater Emporkömmling, der in seiner früheren Laufbahn einige dunkle Stellen hat. Seine Taten, die früheren wie die heutigen, sollten möglichst genau festgehalten werden. Es gibt immer Gefangene, die erstaunlich gut über die Vergangenheit gewisser Beamter informiert sind. Außerdem ist dieser Typ unvorsichtig. Er verheimlicht nicht, was er tut und wie er denkt, sondern es drängt ihn, es auch auszusprechen. Wenn er zu weit geht, kann man ihn vielleicht damit zu Fall bringen, zumindest aber in Schwierigkeiten. Unter den respektableren und „seriösen" Gestalten der Justizverwaltung ist dieser Rabauke nicht sehr beliebt. Er verdirbt ihnen den Anschein.

Der Wehleidige

Er ist ein Hypochonder, der ständig Mitleid zu erwecken versucht. Er beschwert sich darüber, wie schlecht ihn alle Weit behandelt. Im Grunde ist er etwas infantil' und daher leicht verletzbar, und das ist wohl auch die Ursache für seinen oft schlechten Gesundheitszustand. Er ist. auch unberechenbar, weil er sich ständig angegriffen fühlt und dann glaubt, sich verteidigen zu müssen. Und wie! Er verteidigt ja viel mehr als nur eine Verordnung. Erschlägt wild um sich und verfolgt ein Phantom, das ihn umbringen will. Seine Überstürztheit und Neigung zur Verzweiflung macht ihn unfähig, eine Situation zu übersehen. Er überlegt nicht lange. Jemand, der nicht lange überlegt, ist ein schwacher Gegner. Ersieht nur sich. Er sieht die Welt verkehrt herum. Sie ist nur wegen ihm so. Man kann ihn andererseits nicht so leicht zum Aufgeben bringen. Er entfaltet eine fürchterliche Energie. Er beschäftigt sich dann aber mit Dingen, die völlig außerhalb seiner Kompetenz liegen. Zum Beispiel kann es sein, dass er sich mit seitenlangen Erklärungen (und Klagen!) in den Briefwechsel der Gefangenen einmischt. Dadurch wird er, wenn sich sein psychopathisches Wesen seinen Vorgesetzten nicht sowieso bald als untragbar erweist, zumindest angreifbar. Außerdem ist er immer völlig überarbeitet, was kein Wunder ist.

Der Lügner

Wie jeder notorische Lügner ist er unsicher. Er traut sich nicht zuzugeben, wie er in Wirklichkeit denkt. Er macht Ausflüchte. Im Gegensatz zum Raffinierten ist er schwach, sein schlechtes Gewissen und sein hin- und hergeworfenes Wesen treiben ihn zu ständig neuen Lügen. Wenn das Lügen bei ihm keine Überlegung, sondern eine Art Triebhaftigkeit ist, weiß man auch seinen wunden Punkt: er hält eine direkte Konfrontation, Aug um Aug, wo er Farbe bekennen muss, nicht aus. Lieber gibt er dann nach oder überlässt den andern Beamten das Feld. Verletzbar ist er durch die von ihm ständig produzierten Widersprüche. Da er sich hinter seinem Schreibtisch verschanzt und sich nicht gern.auf Gespräche mit Gefangenen einlässt, produziert er seine Widersprüche auch noch schriftlich. Man hat damit unter Umständen schlagende Beweise in der Hand.

Der Sicherheitsfanatiker

Er ist der Perfektionist unter den Angehörigen des obersten Beamtenstabs. Er hat für alles eine einfache Lösung: die Sicherheit! mehr Sicherheit! Damit wird er zum Quell aller Unsicherheit, denn statt durch geeignete Ventile den Druck im Kessel eines Knastes auf einem ertragbaren Quantum zu halten, schafft er alle Ventile ab und bringt den Kessel schließlich zur Explosion. Die Beamten fühlen sich nicht allein nur von den Gefangenen bedroht, sondern auch vom Klima des Misstrauens und der Denunziation in ihren eigenen Reihen. In verhältnismäßig kurzer Zeit schafft er es, dass die paar hundert Quadratmeter, die er regiert, so unsicher werden wie eine verheißungsvoller Gefährlichkeit und Entzündlichkeit! Das alles ist von ihm verursacht, weil er nicht psychologisch denkt. Er hält einfach alles für unsicher, deshalb will er alles verbieten. Durch seine Verbote aber wird meistens erst alles unsicher, nur entzieht es sich dann seiner Kontrolle, da er es ja verboten hat. So tappt er schließlich im Dunkeln und hält jeden Schatten für eine schreckliche Bedrohung. Er fühlt sich verfolgt und überträgt seinen Verfolgungswahn auf alles um ihn herum. Damit bringt er schließlich alles fertig, dass die Gefangenen gegen ihn wirklich revoltieren und dass die Schatten, die vorher nur Sträucher waren, sich als Verschwörer entpuppen. Er erreicht auch, dass sich die Schar der Kollaborateure, die Denunzianten, Spitzel, „GefangenenVertreter", immer mehr lichtet - weil er auch sie für unsicher hält und am liebsten sich mit Gefangenen überhaupt nicht abgeben möchte, sondern sie nur sicher hinter Gitter haben will. Es bleibt ihm damit also auch kein Werkzeug in der Hand, womit er eine Revolte beschwichtigen könnte. Wenn es dazu kommt, revoltieren auch die „Gefangenenvertreter" und sogar die Beamten gegen ihn, letztere mit Gleichgültigkeit oder Indiskretionen. Aus all dem geht hervor, dass dieser Typ am ehesten angreifbar ist und unter allen anderen Typen von hohen Beamten der schwächste ist.

Der Unzuständige

Er ist so unselbständig, dass er immer „oben"*anfragt, was er tun soll. Gibt man ihm von oben keine Direktiven, weiß er nicht, wie er sich verhalten soll und ergreift vor dem Problem die Flucht. Es kommt darauf an, immer schneller zu sein als seine Direktiven und dafür zu sorgen, dass ihn die Probleme einholen. Dann wird man vielleicht feststellen, dass er überhaupt nicht weiß was er will und nur will, dass man ihn in Ruhe lässt. Er hat immer neben sich jemanden, der für ihn alles entscheidet. Ihm ist er ausgeliefert wie ein Mündel seinem Vormund. Obwohl er beeinflussbar ist, wird er immer auf seinen Vormund hören, und das verringert die Chance, mit ihm fertigzuwerden.

Der Ängstliche

Er hat Angst, dass etwas heraus kommt. Er ist dann fähig, jemanden, der an die Presse geschrieben hat, in den Bunker bringen zu lassen, um ihn am Schreiben zu hindern,.' und in eine Anstalt zu verlegen. Die Waffe gegen ihn ist die, die er am meisten fürchtet: das Licht der Medien. Wie man es gerade auf ihn richten kann, darüber steht etwas im Abschnitt 10.7. „Presseerklärungen".

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