Der/Die Psycholog e in

Aus Gefangenenratgeber

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5.7. Der Psychologe

Für die Bedeutung der Person des Psychologen gilt eigentlich ähnliches wie oben schon zum Sozialarbeiter gesagt. Er hat eine geringere Bedeutung in U-Haft als in Strafhaft und eine größere Bedeutung im Jugendvollzug. Aber seine Methoden und Techniken sind überall die gleichen. Ähnlich wie den Sozialarbeitern gelingt es dem Psychologen oft, vor allem im Jugendvollzug, das Vertrauen der Gefangenen zu gewinnen. Auch er tritt als dein Helfer auf. Wahrend du aber beim Sozialarbeiter konkrete Hilfe, etwa in Erledigung von Formalkram erwarten kannst, ist die „Hilfe" des Psychologen viel komplizierter und undurchsichtiger. Viele Psychologen sind durchaus in der Lage zu erkennen, was im Knast abläuft und sitzen dann, ähnlich wie manche Sozialarbeiter, zwischen den Stühlen. Doch auch hier ist nicht klar, ob und in welcher Situation sie sich für einen der beiden Stühle entscheiden - und für welchen. Die Tatsache, dass ein Psychologe möglicherweise gegen den in seinem Knast herrschenden Vollzug oppositionell auftritt, heißt noch lange nicht, dass er auf deiner Seite steht. Innerhalb des Vollzugs gäbt es eine Richtung, die weg vom traditionellen und hin zu einem moderneren und „psychologischen" Vollzug geht. Es gibt innerhalb der Beamtenschaft Strömungen, die sich gegeneinander richten - die veralteten Strafvoll­zugsmethoden gegen die modernen Strafvollzugsmethoden - und die Angehörigen von veralteten Berufen im Strafvollzug gegen die Angehörigen moderner Berufe im Strafvollzug. Und ein solcher moderner Beruf ist der Psychologe, während Arrestaufseher und Pfarrer eher veraltete Berufe im Strafvollzug sind. Die Ablösung von veralteten Methoden druckt sich auch in der Architektur der Gefängnisse aus. Die von den Reformern geplanten modernen Gefängnisse haben in der Mitte nicht mehr die Kirche, die den alten Gefängnissen ein klösterliches Aussehen gibt, sondern das „Therapiezentrum", das „Diagnostikzentrum" oder das „Kommunikationszentrum". Diese neuen Gefängnisse sehen eher Kliniken ähnlich. Darin drückt sich das Prinzip und die Richtung dieses Wandels und dieses Gegensatzes aus, in dem der Psychologe eine Rolle spielt. Man kann allerdings nicht sagen, dass sich dieser „moderne" Strafvollzug zur Zeit tatsächlich durchsetze.

Die Begegnung mit dem Psychologen

Besonders im Jugendstrafvollzug wird ein Ausweichen schwer möglich sein. Dort kann man auch auf den Psychologen stoßen, der aus dem Leben eines Menschen, der ihm ausgeliefert ist, ein Muster von negativen Bewertungen macht, die dann von dem jugendlichen übernommen werden und zu Richtlinien seines Verhaltens auswachsen. Diese negativen Bewertungen wird der Jugendliche dann vielleicht sein ganzes Leben lang mitschleppen. Deshalb ist es so wichtig, einem solchen Psychologen, wo es nur möglich ist, auszuweichen und eine Mitarbeit an deiner Bewertung zu verweigern . Wenn es nicht möglich ist, den Psychologen zu umgehen, dann wenigstens noch der dringende Rat: ihn nicht ernst nehmen! Das heißt, die Ergebnisse von irgendwelchen Tests oder die Behauptungen in seinem Gutachten nicht für sich anerkennen. Dort heißt es oft, dass man abartig sei, unnormal, minderwertig. Lass dich von den in wissenschaftliche Begriffe gekleideten Beleidigungen nicht beeindrucken -sie sind eben soviel wert wie Beleidigungen sonst auch, nämlich nichts! Das einzige, was sie von den Beschimpfungen anderer unterscheidet, ist ihre „wissenschaftliche" Sprache, mit der es sich aber noch empfindlicher beleidigen lässt. Denn sie wird einerseits ernst genommen, und enthält gleichzeitig die unverschäm­testen Herabsetzungen. Wenn' sie dir damit kommen, versuche dir klarzuwerden, dass man immer genauso ist, wie man in seiner sozialen Umgebung am zweckmäßigsten aufgewachsen ist und sich auch zweckmäßig verhält - genauso wie es andere, ebenso zweckmäßige Menschentypen geben muss in anderen Lebensumgebungen: andere Klassen, andere .Sprachen, andere Nationalitäten, andere Arten des Körperbaus und Mentalitäten, Temperamente, Traditionen - so muss es auch dich geben. Und es ist dein Recht, darauf zu bestehen, dass du „ideal" für dein Leben bist wie andere für ihres. Niemand ist dir überlegen. Höchstens kann man dir sagen, dass die Umgebung deines Lebens verändert werden muss. Aber man kann dir nicht vorwerfen, dass du nicht jemand anders bist. Wenn du anderes wärst, würdest du der Umgebung deines Gebens gar nicht entsprechen und nicht mehr damit zurecht kommen. Das heißt natürlich nicht, dass ein Mensch nicht in der Lage ist, sich zu ändern. Aber dafür ist der Psychologe ein ungeeigneter Ratgeber - denn er will genauso wie der Sozialarbeiter alle deine Probleme zu etwas umwandeln, das sich im Sinne der staatlichen Zweckmäßigkeit {und damit der Herrschenden) „lösen" lässt. Wenn er etwas an dir auszusetzen hat, dann ist das seine Parteilichkeit, die mit seiner Funktion als ein staatlicher Korrektor der Seelen zu tun hat. Er ist der Aufseher deines Inneren. Gerade weil er ein Agent des Staates in deinem Inneren sein soll, solltest du dein Inneres vor ihm verschlossen halten und ihm so formalrechtlich wie nur möglich begegnen, indem du ihm eine mit deinem grundgesetzlich garantierten Persönlichkeitsrecht begründete Verweigerung, entgegenhältst. Hier noch etwas zu den konkreten Aufgabenbereichen des Psychologen:

Die Aufnahmeuntersuchung und der Vollzugsplan

Dieser Bereich hat in der Regel nur in der Strafhaft Bedeutung. Lediglich bei Jugendlichen gibt es bereits in der U-Haft so etwas wie eine „Aufnahmeunter­suchung". Welche Rolle der Psychologe dabei spielt, kannst du im Abschnitt 2.2. (Aufnahmeprozedur) nachlesen.

Die „psychologische Sonderfallbetreuung"

Sie baut auf dem Wissen auf, das der Psychologe von dir besitzt. Dazu hat er an der Universität eine Reihe von Techniken und Schemata gelernt, die er an dir anwendet. Er ist dabei darauf angewiesen, dass du ihm alles erzählst, was er von dir wissen will. Er wird also immer sagen: „Ich kann dir nur helfen, wenn du alles erzählst, die Tests mitmachst usw. "Über Art und Zweck der einzelnen Tests wird im Anschluss an diesen Abschnitt noch etwas gesagt. Hier zunächst vier Warnungen, die man immer im Kopf haben sollte, wenn man einem Psychologen gegenüber sitzt: Erstens: Psychologen können sehr geschickt sein. Sie können harmlose Gespräche führen und etwas ganz anderes beabsichtigen. Ein Psychologe wird dich oft, um mehr aus dir herauszubekommen, in irgendeiner Art betrügen: durch „harmlose" Gespräche, durch Tricks, durch Tests... Zweitens: Sie sind oft sehr unberechenbar, Sie sind undurchschaubar. Du kannst mit ihnen nicht „normal" reden. Sie werden dir immer ein Rätsel bleiben, weil sie von sich selbst absolut nichts preisgeben. Du weißt, nicht, was sie denken, was sie mit dir vorhaben. Drittens: Ein Psychologe, der schon sehr lange im Knast arbeitet, ist verdächtig. Zu einem Psychologen, der ganz unerfahren ist, der neu im Knast ist, kannst du unter Umständen ein einigermaßen „sicheres" Verhältnis herstellen- sicher insofern, als du bei ihm eher weiße, wie du mit ihm dran bist. Bei einem, der schon über Jahre im Justizdienst ist, wird man das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht können. Viertens: Du kannst dich beim Psychologen auf keine Schweigepflicht gegenüber der Anstaltsleitung verlassen. Überleg dir also, ob du deine Probleme nicht lieber mit Mitgefangenen, mit deinem Anwalt, über Briefe oder notfalls mit dem Anstaltsgeistlichen besprichst - oder eben allein löst.

Die gutachterlichen Stellungnahmen

Die Gutachten des Psychologen haben - hier wieder vor allem im Jugendstrafvollzug - ein ganz entscheidendes Gewicht bei Anträgen auf Teilnahme an Gemein­schaftsveranstaltungen, vorzeitigen Entlassungen etc.. Du musst damit rechnen, dass in den Gutachten alles auftaucht, was der Psychologe von dir weiß oder glaubt von dir zu wissen. Spätestens hier wirst du merken: auch sogenannte „vertrauliche Gespräche" sind oft plötzlich nicht mehr vertraulich, sondern in schriftlicher Form der Justiz zugänglich. Der Psychologe hat, das ist auch wichtig zu wissen, in seinen: Interpretationen deiner Persönlichkeit, die er in den Gutachten beschreibt, die Freiheit, eine Maßnahme für oder gegen dich gut oder schlecht zu heißen: es ist wichtig sich hier zu erinnern, daß die gutachterliche Stellungnahme nichts sein sollte, von dem man sich beeindrucken lässt - dass also die Ablehnung eines Antrags oder die negative Stellungnahme des Psychologen zu einem Antrag, den du gestellt hast, nicht etwa bedeutet, dass die Maßnahme, die du beantragt hast, für dich nicht geeignet ist, sondern nur bedeutet, dass der Psychologe gegen dich ist, sich gegen dich gewandt hat. Und es muss dir klar sein, dass er genauso gut zum andern Ergebnis hätte kommen können, wenn er auf „deiner Seite" gewesen wäre. Gibt er vor, auf „deiner Seite" zu sein, so muss er dein Misstrauen akzeptieren und sich trotzdem in seinem Gutachten für dich einsetzen. Das ist eine Forderung, die man an einen Psychologen, der den Anspruch erhebt vertrauenswürdig zu sein, ruhig stellen kann.

Der Einsatz des Psychologen in Konflikten

Von einem Psychologen, der sich in erster Linie um die Probleme der Beamten kümmert, ist natürlich kaum etwas Positives zu erwarten. Oft spielen die Psychologen auch die Rolle, mit Tricks die Beamten vor als Vermittler eingesetzt, wenn zum Beispiel eine Station in Hungerstreik getreten ist oder wenn ein Gefangener droht, wenn bestimmte Forderungen nicht erfüllt werden, vom Dach zu springen. Versprechungen der Anstaltsleitung werden jedoch nicht dadurch glaubwürdiger, dass sie von einem Psychologen übermittelt werden. Der Psychologe wird in einem Konfliktfall versuchen, jedes Problem auf den seelischen Zustand der Beteiligten zurückzuführen. Er klammert dabei seine Seite völlig aus. Er berücksichtigt natürlich nicht den seelischen Zustand des Anstaltsleiters, der einen Konflikt mit brutaler Gewalt niederschlägt, und er sieht das auch nicht als Aggressivität, Diese Seite ist aus seiner Vorstellung ausgeblendet. Dafür ist er blind. Er sieht auf der anderen Seite eine Gruppe von Einzelnen, die in einem seelischen Zustand der Aggressivität, oder wie er das immer nennt, irgendetwas tun, was er von seinen Begriffen und seiner ganzen Einsatzfunktion her für unnormal halten muss oder zumindest als solches behandeln muss. Die Gefahr ist dabei, dass man auf diese Denkweise des Psychologen, weil man ihr nichts entgegenzusetzen hat, hereinfällt — dass man seine Begriffe benutzt statt die möglichen eigenen. Bei Aktionen von Gefangenen gegen den Knast ist das Mittel der Öffentlichkeit das einzige, wenn es überhaupt eines gibt, das die Chance bietet, etwas durchzusetzen. Eine Aktion, die auf den Anstaltspsychologen baut, ist dagegen von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil sie keinen Druck ausüben kann. Versprechungen sind in dem Fall nichts wert. Das einzige, was also nützen kann, ist die Einschaltung der Kontakte nach draußen oder irgendwelcher Institution draußen. Es ist falsch, zu glauben, der Psychologe wäre schon eine Institution, die man einschaltet. Man wird hinterher feststellen, dass da eigentlich niemand war, der zwischen Anstaltsleitung und Gefangenen gestanden hat. Es ist vielleicht sogar gefährlicher, im Konfliktfall! mit dem Psychologen zu sprechen als mit dem Anstaltsleiter. Der Psychologe wird psychologisch, der Anstaltsleiter dagegen ziemlich schematisch, also durchsichtig reagieren. Eine solche durchsichtige Reaktion ist aber einer solchen vorzuziehen, bei der man überhaupt nicht weiß, was mit einem angefangen wird. Der Anstaltsleiter hat vielleicht einen üblen Charakter. Der Psychologe dagegen hat eine üble Methode, mit der er versucht, dich zu überrumpeln und aufs Kreuz zu legen. Er ist methodisch bereits geprüft auf den Erfolg seines Einsatzes in solchen Fällen. Er wird nie sagen, was er tut, und vielleicht nie tun was er sagt.

Wie man ihm gegenübertreten kann

Wir gehen hier - wie schon im bisher Gesagten - von dem Psychologentyp 'aus, mit dem man schlimmstenfalls rechnen muss. Dabei ist uns klar, daß es auch andere gibt. Es ist auch nicht die Regel, dass dich der Psychologe ständig bedrängt. Im Gegenteil. In der Regel wirst du ihn kaum zu Gesicht bekommen. Eine mögliche Verhaltensstrategie gegenüber dem Psychologen ist vielleicht, sich alles erklären zu lassen und zum Beispiel vom Psychologen zu fordern, dass er dir den Psycho-Test erklärt, Er wird es nicht tun und er wird es auch nicht können. Aber es ist eine Möglichkeit, ihm seine Autorität wegzunehmen. Vielleicht wird er versuchen, auch dieses Verhalten von dir zu vermerken, indem er dein Misstrauen als Symptom einordnet. Aber, dem kann man vorbeugen, indem man gleich im nächsten Atemzug fragt, ob er eigentlich vorhat, diese Frage als Symptom zu bewerten. Dazu gehört eine gewisse Schlagfertigkeit und Sachkenntnis, die allerdings die meisten nicht haben werden. Man müsste also Methoden finden, die jeder anwenden kann, auch ohne spezielle Kenntnisse in der Psychologie. Die allgemeinste und einfachste Methode ist die Verweigerung . Man kann eine Erklärung abfassen, in der steht, dass man diese Testmethoden als einen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte betrachtet, die nach dem Grundgesetz geschützt sind, und dass man deswegen überhaupt jede Beteiligung daran verweigert. Die Erklärung könnte etwa so aussehen: Ich lehne eine Mitwirkung an einer psychologischen Untersuchung ab, weil ich die dabei angewendeten Methoden als einen Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte betrachte, da ich weder erkennen kann, was sie beinhalten', noch wozu ihre Ergebnisse verwendet werden.

Den Zettel unterschreibt man und gibt ihn dem Psychologen. Soll er ihn dann in seine Mappe heften. Auf weiteres Fragen von ihm, warum man die Mitwirkung verweigert, darf man dann allerdings nicht mehr antworten. Wenn ihm klar ist, dass man nicht mehr mit ihm reden will, wird er es nicht mit Gewalt versuchen. Reden ist nicht zu erzwingen. Damit ist seine Tätigkeit an dir praktisch ausgeschaltet. Er kann höchstens noch ein graphologisches Gutachten von deiner Schrift anfertigen oder anfertigen lassen. Dagegen wehrst du dich, indem du alles mit Maschine schreibst oder in Blockbuchstaben. Was auch beim Versuch der Psychiatrisierung gilt (siehe dazu Kapitel J9. „Verhalten bei drohender Psychiatrisierung"), trifft hier genauso zu: sich der Behandlung nicht wortlos zu entziehen versuchen, sondern erklären, dass der Beamte (Psychologe, Psychiater) dein Vertrauen nicht hat und dass du deswegen die Untersuchung verweigerst. Das ist auch die einzige Ver­haltensmöglichkeit, die nicht als „Symptom" bewertet werden kann. Gutachter, Ärzte und auch Psychologen, werden sehr schnell bereit sein, deinen Fall wieder .-ir>7nt>*»hpn wmn du ilmon orU^nr A~Ü ..;„ A-;~sind, nicht leisten können, durch Zwangsmethoden in Verruf zu kommen. Denn solche Methoden schaden dem wissenschaftlichen Anschein, der sie umgibt.


5.7. Der Psychologe

Für die Bedeutung der Person des Psychologen gilt eigentlich ähnliches wie oben schon zum Sozialarbeiter gesagt. Er hat eine geringere Bedeutung in U-Haft als in Strafhaft und eine größere Bedeutung im Jugendvollzug. Aber seine Methoden und Techniken sind überall die gleichen. Ähnlich wie den Sozialarbeitern gelingt es dem Psychologen oft, vor allem im Jugendvollzug, das Vertrauen der Gefangenen zu gewinnen. Auch er tritt als dein Helfer auf. Wahrend du aber beim Sozialarbeiter konkrete Hilfe, etwa in Erledigung von Formalkram erwarten kannst, ist die „Hilfe" des Psychologen viel komplizierter und undurchsichtiger. Viele Psychologen sind durchaus in der Lage zu erkennen, was im Knast abläuft und sitzen dann, ähnlich wie manche Sozialarbeiter, zwischen den Stühlen. Doch auch hier ist nicht klar, ob und in welcher Situation sie sich für einen der beiden Stühle entscheiden - und für welchen. Die Tatsache, dass ein Psychologe möglicherweise gegen den in seinem Knast herrschenden Vollzug oppositionell auftritt, heißt noch lange nicht, dass er auf deiner Seite steht. Innerhalb des Vollzugs gäbt es eine Richtung, die weg vom traditionellen und hin zu einem moderneren und „psychologischen" Vollzug geht. Es gibt innerhalb der Beamtenschaft Strömungen, die sich gegeneinander richten - die veralteten Strafvoll­zugsmethoden gegen die modernen Strafvollzugsmethoden - und die Angehörigen von veralteten Berufen im Strafvollzug gegen die Angehörigen moderner Berufe im Strafvollzug. Und ein solcher moderner Beruf ist der Psychologe, während Arrestaufseher und Pfarrer eher veraltete Berufe im Strafvollzug sind. Die Ablösung von veralteten Methoden druckt sich auch in der Architektur der Gefängnisse aus. Die von den Reformern geplanten modernen Gefängnisse haben in der Mitte nicht mehr die Kirche, die den alten Gefängnissen ein klösterliches Aussehen gibt, sondern das „Therapiezentrum", das „Diagnostikzentrum" oder das „Kommunikationszentrum". Diese neuen Gefängnisse sehen eher Kliniken ähnlich. Darin drückt sich das Prinzip und die Richtung dieses Wandels und dieses Gegensatzes aus, in dem der Psychologe eine Rolle spielt. Man kann allerdings nicht sagen, dass sich dieser „moderne" Strafvollzug zur Zeit tatsächlich durchsetze.

Die Begegnung mit dem Psychologen

Besonders im Jugendstrafvollzug wird ein Ausweichen schwer möglich sein. Dort kann man auch auf den Psychologen stoßen, der aus dem Leben eines Menschen, der ihm ausgeliefert ist, ein Muster von negativen Bewertungen macht, die dann von dem jugendlichen übernommen werden und zu Richtlinien seines Verhaltens auswachsen. Diese negativen Bewertungen wird der Jugendliche dann vielleicht sein ganzes Leben lang mitschleppen. Deshalb ist es so wichtig, einem solchen Psychologen, wo es nur möglich ist, auszuweichen und eine Mitarbeit an deiner Bewertung zu verweigern . Wenn es nicht möglich ist, den Psychologen zu umgehen, dann wenigstens noch der dringende Rat: ihn nicht ernst nehmen! Das heißt, die Ergebnisse von irgendwelchen Tests oder die Behauptungen in seinem Gutachten nicht für sich anerkennen. Dort heißt es oft, dass man abartig sei, unnormal, minderwertig. Lass dich von den in wissenschaftliche Begriffe gekleideten Beleidigungen nicht beeindrucken -sie sind eben soviel wert wie Beleidigungen sonst auch, nämlich nichts! Das einzige, was sie von den Beschimpfungen anderer unterscheidet, ist ihre „wissenschaftliche" Sprache, mit der es sich aber noch empfindlicher beleidigen lässt. Denn sie wird einerseits ernst genommen, und enthält gleichzeitig die unverschäm­testen Herabsetzungen. Wenn' sie dir damit kommen, versuche dir klarzuwerden, dass man immer genauso ist, wie man in seiner sozialen Umgebung am zweckmäßigsten aufgewachsen ist und sich auch zweckmäßig verhält - genauso wie es andere, ebenso zweckmäßige Menschentypen geben muss in anderen Lebensumgebungen: andere Klassen, andere .Sprachen, andere Nationalitäten, andere Arten des Körperbaus und Mentalitäten, Temperamente, Traditionen - so muss es auch dich geben. Und es ist dein Recht, darauf zu bestehen, dass du „ideal" für dein Leben bist wie andere für ihres. Niemand ist dir überlegen. Höchstens kann man dir sagen, dass die Umgebung deines Lebens verändert werden muss. Aber man kann dir nicht vorwerfen, dass du nicht jemand anders bist. Wenn du anderes wärst, würdest du der Umgebung deines Gebens gar nicht entsprechen und nicht mehr damit zurecht kommen. Das heißt natürlich nicht, dass ein Mensch nicht in der Lage ist, sich zu ändern. Aber dafür ist der Psychologe ein ungeeigneter Ratgeber - denn er will genauso wie der Sozialarbeiter alle deine Probleme zu etwas umwandeln, das sich im Sinne der staatlichen Zweckmäßigkeit {und damit der Herrschenden) „lösen" lässt. Wenn er etwas an dir auszusetzen hat, dann ist das seine Parteilichkeit, die mit seiner Funktion als ein staatlicher Korrektor der Seelen zu tun hat. Er ist der Aufseher deines Inneren. Gerade weil er ein Agent des Staates in deinem Inneren sein soll, solltest du dein Inneres vor ihm verschlossen halten und ihm so formalrechtlich wie nur möglich begegnen, indem du ihm eine mit deinem grundgesetzlich garantierten Persönlichkeitsrecht begründete Verweigerung, entgegenhältst. Hier noch etwas zu den konkreten Aufgabenbereichen des Psychologen:

Die Aufnahmeuntersuchung und der Vollzugsplan

Dieser Bereich hat in der Regel nur in der Strafhaft Bedeutung. Lediglich bei Jugendlichen gibt es bereits in der U-Haft so etwas wie eine „Aufnahmeunter­suchung". Welche Rolle der Psychologe dabei spielt, kannst du im Abschnitt 2.2. (Aufnahmeprozedur) nachlesen.

Die „psychologische Sonderfallbetreuung"

Sie baut auf dem Wissen auf, das der Psychologe von dir besitzt. Dazu hat er an der Universität eine Reihe von Techniken und Schemata gelernt, die er an dir anwendet. Er ist dabei darauf angewiesen, dass du ihm alles erzählst, was er von dir wissen will. Er wird also immer sagen: „Ich kann dir nur helfen, wenn du alles erzählst, die Tests mitmachst usw. "Über Art und Zweck der einzelnen Tests wird im Anschluss an diesen Abschnitt noch etwas gesagt. Hier zunächst vier Warnungen, die man immer im Kopf haben sollte, wenn man einem Psychologen gegenüber sitzt: Erstens: Psychologen können sehr geschickt sein. Sie können harmlose Gespräche führen und etwas ganz anderes beabsichtigen. Ein Psychologe wird dich oft, um mehr aus dir herauszubekommen, in irgendeiner Art betrügen: durch „harmlose" Gespräche, durch Tricks, durch Tests... Zweitens: Sie sind oft sehr unberechenbar, Sie sind undurchschaubar. Du kannst mit ihnen nicht „normal" reden. Sie werden dir immer ein Rätsel bleiben, weil sie von sich selbst absolut nichts preisgeben. Du weißt, nicht, was sie denken, was sie mit dir vorhaben. Drittens: Ein Psychologe, der schon sehr lange im Knast arbeitet, ist verdächtig. Zu einem Psychologen, der ganz unerfahren ist, der neu im Knast ist, kannst du unter Umständen ein einigermaßen „sicheres" Verhältnis herstellen- sicher insofern, als du bei ihm eher weiße, wie du mit ihm dran bist. Bei einem, der schon über Jahre im Justizdienst ist, wird man das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht können. Viertens: Du kannst dich beim Psychologen auf keine Schweigepflicht gegenüber der Anstaltsleitung verlassen. Überleg dir also, ob du deine Probleme nicht lieber mit Mitgefangenen, mit deinem Anwalt, über Briefe oder notfalls mit dem Anstaltsgeistlichen besprichst - oder eben allein löst.

Die gutachterlichen Stellungnahmen

Die Gutachten des Psychologen haben - hier wieder vor allem im Jugendstrafvollzug - ein ganz entscheidendes Gewicht bei Anträgen auf Teilnahme an Gemein­schaftsveranstaltungen, vorzeitigen Entlassungen etc.. Du musst damit rechnen, dass in den Gutachten alles auftaucht, was der Psychologe von dir weiß oder glaubt von dir zu wissen. Spätestens hier wirst du merken: auch sogenannte „vertrauliche Gespräche" sind oft plötzlich nicht mehr vertraulich, sondern in schriftlicher Form der Justiz zugänglich. Der Psychologe hat, das ist auch wichtig zu wissen, in seinen: Interpretationen deiner Persönlichkeit, die er in den Gutachten beschreibt, die Freiheit, eine Maßnahme für oder gegen dich gut oder schlecht zu heißen: es ist wichtig sich hier zu erinnern, daß die gutachterliche Stellungnahme nichts sein sollte, von dem man sich beeindrucken lässt - dass also die Ablehnung eines Antrags oder die negative Stellungnahme des Psychologen zu einem Antrag, den du gestellt hast, nicht etwa bedeutet, dass die Maßnahme, die du beantragt hast, für dich nicht geeignet ist, sondern nur bedeutet, dass der Psychologe gegen dich ist, sich gegen dich gewandt hat. Und es muss dir klar sein, dass er genauso gut zum andern Ergebnis hätte kommen können, wenn er auf „deiner Seite" gewesen wäre. Gibt er vor, auf „deiner Seite" zu sein, so muss er dein Misstrauen akzeptieren und sich trotzdem in seinem Gutachten für dich einsetzen. Das ist eine Forderung, die man an einen Psychologen, der den Anspruch erhebt vertrauenswürdig zu sein, ruhig stellen kann.

Der Einsatz des Psychologen in Konflikten

Von einem Psychologen, der sich in erster Linie um die Probleme der Beamten kümmert, ist natürlich kaum etwas Positives zu erwarten. Oft spielen die Psychologen auch die Rolle, mit Tricks die Beamten vor als Vermittler eingesetzt, wenn zum Beispiel eine Station in Hungerstreik getreten ist oder wenn ein Gefangener droht, wenn bestimmte Forderungen nicht erfüllt werden, vom Dach zu springen. Versprechungen der Anstaltsleitung werden jedoch nicht dadurch glaubwürdiger, dass sie von einem Psychologen übermittelt werden. Der Psychologe wird in einem Konfliktfall versuchen, jedes Problem auf den seelischen Zustand der Beteiligten zurückzuführen. Er klammert dabei seine Seite völlig aus. Er berücksichtigt natürlich nicht den seelischen Zustand des Anstaltsleiters, der einen Konflikt mit brutaler Gewalt niederschlägt, und er sieht das auch nicht als Aggressivität, Diese Seite ist aus seiner Vorstellung ausgeblendet. Dafür ist er blind. Er sieht auf der anderen Seite eine Gruppe von Einzelnen, die in einem seelischen Zustand der Aggressivität, oder wie er das immer nennt, irgendetwas tun, was er von seinen Begriffen und seiner ganzen Einsatzfunktion her für unnormal halten muss oder zumindest als solches behandeln muss. Die Gefahr ist dabei, dass man auf diese Denkweise des Psychologen, weil man ihr nichts entgegenzusetzen hat, hereinfällt — dass man seine Begriffe benutzt statt die möglichen eigenen. Bei Aktionen von Gefangenen gegen den Knast ist das Mittel der Öffentlichkeit das einzige, wenn es überhaupt eines gibt, das die Chance bietet, etwas durchzusetzen. Eine Aktion, die auf den Anstaltspsychologen baut, ist dagegen von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil sie keinen Druck ausüben kann. Versprechungen sind in dem Fall nichts wert. Das einzige, was also nützen kann, ist die Einschaltung der Kontakte nach draußen oder irgendwelcher Institution draußen. Es ist falsch, zu glauben, der Psychologe wäre schon eine Institution, die man einschaltet. Man wird hinterher feststellen, dass da eigentlich niemand war, der zwischen Anstaltsleitung und Gefangenen gestanden hat. Es ist vielleicht sogar gefährlicher, im Konfliktfall! mit dem Psychologen zu sprechen als mit dem Anstaltsleiter. Der Psychologe wird psychologisch, der Anstaltsleiter dagegen ziemlich schematisch, also durchsichtig reagieren. Eine solche durchsichtige Reaktion ist aber einer solchen vorzuziehen, bei der man überhaupt nicht weiß, was mit einem angefangen wird. Der Anstaltsleiter hat vielleicht einen üblen Charakter. Der Psychologe dagegen hat eine üble Methode, mit der er versucht, dich zu überrumpeln und aufs Kreuz zu legen. Er ist methodisch bereits geprüft auf den Erfolg seines Einsatzes in solchen Fällen. Er wird nie sagen, was er tut, und vielleicht nie tun was er sagt.

Wie man ihm gegenübertreten kann

Wir gehen hier - wie schon im bisher Gesagten - von dem Psychologentyp 'aus, mit dem man schlimmstenfalls rechnen muss. Dabei ist uns klar, daß es auch andere gibt. Es ist auch nicht die Regel, dass dich der Psychologe ständig bedrängt. Im Gegenteil. In der Regel wirst du ihn kaum zu Gesicht bekommen. Eine mögliche Verhaltensstrategie gegenüber dem Psychologen ist vielleicht, sich alles erklären zu lassen und zum Beispiel vom Psychologen zu fordern, dass er dir den Psycho-Test erklärt, Er wird es nicht tun und er wird es auch nicht können. Aber es ist eine Möglichkeit, ihm seine Autorität wegzunehmen. Vielleicht wird er versuchen, auch dieses Verhalten von dir zu vermerken, indem er dein Misstrauen als Symptom einordnet. Aber, dem kann man vorbeugen, indem man gleich im nächsten Atemzug fragt, ob er eigentlich vorhat, diese Frage als Symptom zu bewerten. Dazu gehört eine gewisse Schlagfertigkeit und Sachkenntnis, die allerdings die meisten nicht haben werden. Man müsste also Methoden finden, die jeder anwenden kann, auch ohne spezielle Kenntnisse in der Psychologie. Die allgemeinste und einfachste Methode ist die Verweigerung . Man kann eine Erklärung abfassen, in der steht, dass man diese Testmethoden als einen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte betrachtet, die nach dem Grundgesetz geschützt sind, und dass man deswegen überhaupt jede Beteiligung daran verweigert. Die Erklärung könnte etwa so aussehen: Ich lehne eine Mitwirkung an einer psychologischen Untersuchung ab, weil ich die dabei angewendeten Methoden als einen Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte betrachte, da ich weder erkennen kann, was sie beinhalten', noch wozu ihre Ergebnisse verwendet werden.

Den Zettel unterschreibt man und gibt ihn dem Psychologen. Soll er ihn dann in seine Mappe heften. Auf weiteres Fragen von ihm, warum man die Mitwirkung verweigert, darf man dann allerdings nicht mehr antworten. Wenn ihm klar ist, dass man nicht mehr mit ihm reden will, wird er es nicht mit Gewalt versuchen. Reden ist nicht zu erzwingen. Damit ist seine Tätigkeit an dir praktisch ausgeschaltet. Er kann höchstens noch ein graphologisches Gutachten von deiner Schrift anfertigen oder anfertigen lassen. Dagegen wehrst du dich, indem du alles mit Maschine schreibst oder in Blockbuchstaben. Was auch beim Versuch der Psychiatrisierung gilt (siehe dazu Kapitel J9. „Verhalten bei drohender Psychiatrisierung"), trifft hier genauso zu: sich der Behandlung nicht wortlos zu entziehen versuchen, sondern erklären, dass der Beamte (Psychologe, Psychiater) dein Vertrauen nicht hat und dass du deswegen die Untersuchung verweigerst. Das ist auch die einzige Ver­haltensmöglichkeit, die nicht als „Symptom" bewertet werden kann. Gutachter, Ärzte und auch Psychologen, werden sehr schnell bereit sein, deinen Fall wieder .-ir>7nt>*»hpn wmn du ilmon orU^nr A~Ü ..;„ A-;~sind, nicht leisten können, durch Zwangsmethoden in Verruf zu kommen. Denn solche Methoden schaden dem wissenschaftlichen Anschein, der sie umgibt.

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