Das Verhältnis zu deinem/deiner Anwalt/Anwältin und die Prozessvorbereitung

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11.Das Verhältnis zu deinem Rechtsanwalt und die Prozessvorbereitung

Wie man sich bei der Festnahme und Vernehmung verhält, ist oben im Abschnitt „Festnahme" schon näher beschrieben.

Sowie gegen dich Haftbefehl erlassen worden ist und Untersuchungshaft tatsächlich vollzogen wird, liegt im juristendeutsch ein Fall "notwendiger verteidigung" vor, d. h., wenn du nicht bereits einen Anwalt deiner Wahl benannt hattest, wird dir jetzt ein Pflichtverteidiger beigeordnet (§ 140 Abs. 1 Zif. 4 StPO). Das ist jetzt für dich ein entscheidender Augenblick. Wenn der Anwalt deines Vertrauens nicht schon bei der Verkündung des Haftbefehls und Anordnung des Vollzugs der Untersuchungshaft dabei war, musst du jetzt - bevor du abgeführt wirst (!!!) - entweder den Anwalt benennen, den du beigeordnet bekommen möchtest oder ausdrücklich um eine Frist (von einer Woche) bitten, um einen Anwalt deiner Wahl zu benennen. Den solltest du dann auch benennen, spätestens, wenn dir das Gericht dazu ausdrücklich eine Frist setzt innerhalb dieser Frist. Sonst wird dir das Gericht einen Anwalt beiordnen, den es selbst aussucht. Da das nicht der Anwalt deines Vertrauens ist und wenn du kein Geld hast, selbst einen Anwalt zu bezahlen, wirst du diesen Pflichtverteidiger nur sehr schwer wieder los. Das heißt, du musst dann durch das Verfahren mit diesem Anwalt.

Im folgenden wird zunächst darauf eingegangen, welche Rolle der Anwalt in der Situation der Prozessvorbereitung spielt.

"Wann kannst du einen Anwalt verlangen?"

Theoretisch-juristisch hat jeder Bürger zu jeder Zeit das Recht, sich eines Anwalts zu bedienen {§ 137 StPO). In der Wirklichkeit hat sich jedoch als spätester Zeitpunkt die Begegnung mit dem Richter eingependelt - also der Zeitpunkt, in dem entschieden wird, ob ein Haftbefehl erlassen wird oder nicht. Wichtig ist nur, dass man bevor man mit einem Anwalt gesprochen hat, auf gar keinen Fall irgendeine Aussage macht, die über die notwendigen Angaben zur Person hinausgeht. Wenn man nichts sagt, hat man auch mehr Chancen, einen Anwalt zu bekommen - insbesondere dann, wenn man sein Schweigen damit begründet, dass man keinen Anwalt hat. Also von der ersten Sekunde an einen Anwalt verlangen. Solange ich zu diesem Anwalt keinen Kontakt habe, rede ich kein Wort. Wahrscheinlich wird dieser in den meisten Fallen dazu raten, weiter zu schweigen, bis er die Ermittlungsakten bekommen hat. Und das ist in aller Regel auch richtig: Denn nur wenn man den Akteninhalt kennt, weiß man, wie die Beweislage tatsächlich aussieht. Sonst sagst du unter Umständen was, was du für ganz harmlos hältst und in Wirklichkeit macht das genau den Sack zu, um dir Tatbegehung oder -beteiligung nachzuweisen, was sonst vielleicht gar nicht möglich gewesen wäre. Spätestens wenn dir der Haftbefehl verkündet wurde und der Richter anordnet, dass du tatsächlich für dieses Verfahren in Untersuchungshaft bleiben musst, musst du einen Anwalt benennen oder um Frist dazu bitten und die dann auch einhalten. Denn jetzt (siehe oben, § 140 Abs. 1 Zif. 4 StPO) liegt ein sogenannter Fall notwendiger verteidigung vor. Wenn Du kein Geld hast, selbst einen Anwalt zu bezahlen, musst du jetzt den Anwalt deines Vertrauens benennen oder du bekommst irgend einen!

"Welchen Anwalt nimmt man sich?"

Man sollte sich im Klaren sein, dass die meisten Anwälte sehr selten aus ihrer Rolle, die sie zu einem Teil der Justiz macht, herauskommen. Ein solcher Anwalt ist dann oft Mitwirkender an deiner Verurteilung. Sein Interesse beschränkt sich auf sein Geschäft und seine Karriere. Er vertritt dich, um an dein Geld oder an die gerichtlichen Bezüge heranzukommen oder um dich für Werbezwecke zu benutzen, wenn du ein „spektakulärer Fall" bist. Er wird auf deine Kosten alles unterlassen, was ihn beider Justiz unbeliebt machen könnte, jeder sollte sich einen Anwalt bereits ausgesucht haben, dessen vollständigen Namen, Anschrift, Telefonnummer im Kopf haben. Jeder sollte also vorher einen Anwalt kennen, dem er vertraut, von dem er verteidigt werden möchte, für den Fall dass er in die Hände der Justiz gerät. Dass dies schließlich jedem passieren kann, sollte eigentlich mittlerweile allgemein bekannt sein. Man könnte es fast mit einer Krankheit vergleichen: bei der Wahl eines Arztes verhält man sich schließlich genauso. Man lässt sich schon vorher jemanden von Freunden empfehlen. Bei diesem Anwalt sollte möglichst bereits eine „Blankovollmacht" von dir liegen.-Das heißt: in dem Fall, in dem du in die Justizmühle gerätst, besitzt dein Anwalt bereits automatisch dein Mandat, was dir einiges an Zeit und Ärger erspart. Die Blankovollmacht wird von der Justiz gerne beanstandet, obwohl sie juristisch in keinster Weise zu beanstanden ist. Sie wird nur bekämpft, weil sie den Ermittlungsorganen und der Justiz hinderlich ist. In dem Fall, dass man keinen Anwalt kennt, dem man vertraut, wird man sich auf Tipps verlassen müssen, die man von Mitgefangenen in der Haftanstalt bekommen kann. Diese Tipps im Knast sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn es kommt Öfter mal vor, dass bestimmte Anwälte völlig unberechtigt in Mode sind. Bestimmte Anwälte lassen sich über Knastbeamte, auch bereits über Polizeibeamte weiterempfehlen. Mit solchen Anwälten sind häufig üble Erfahrungen gemacht worden. Informationen, die über das Branchenverzeichnis des Telefonbuchs und Tipps von Mitgefangenen hinausgehen, sind im Knast sehr schwer zu bekommen. Oft ist es auch so, dass man im Knast einen Prozessbericht aus einer Zeitung in die Hand bekommt, wo dann der Name eines Verteidigers erwähnt ist, an den man sich dann wenden kann. Auch das ist mit Sicherheit kein unfehlbarer Tipp, aber man kann einen solchen Anwalt, der im Knast einen gewissen Ruf hat, anschreiben und um eine Besprechung bitten. Dazu bekommst du in manchen Knästen schon vorgedruckte Karten: „...bittet um ihren Besuch ... Ich befinde mich in U-Haft und würde zwecks Verteidigung gerne mit Ihnen sprechen ..." Der angeschriebene Anwalt wird sich dann auf der Geschäftsstelle eine Besuchserlaubnis holen. Du musst jedoch damit rechnen, dass es eine Woche oder länger dauert, bis er bei dir auftaucht. Mit dem ersten Besuch hat der Anwalt noch kein Mandat automatisch übernommen. Das „Anbahnungsgespräch" wird somit von dem „Verbot der Mehrfachverteidi­gung" nicht berührt. D. h. der Anwalt kann nach dem Besuch auch einen anderen Beschuldigten in demselben Verfahren vertreten, solange er von dir noch keine Vollmacht bekommen hat. Wenn er dir nicht passt, dann schicke ihn wieder weg und schreibe den Nächsten an. Wenn du merkst, dass er kein Interesse oder keine Zeit hat, so bitte ihn, dir einen oder mehrere andere Kollegen zu empfehlen. Natürlich kannst du auch Freunde oder eine Knastgruppe bitten, dir einen Anwalt zu vermitteln. Willst du als Frau von einer Rechtsanwältin vertreten werden, so kannst du versuchen, dir von einer Frauengruppe eine Anwältin vermitteln zu lassen Du findest im Adressenteil im Anhang dieses Buches ein Verzeichnis von Rechtsanwälten und Anwältinnen, die uns von Gefangenen und anderen empfohlen worden sind.

"Was kannst du von deinem Anwalt verlangen?"

Sicher keine Wunder. Aber er muss dich umfassend beraten und verteidigen und das Möglichste tun. Er soll dich in die Prozessvorbereitung miteinbeziehen und nichts unternehmen, was nicht mit dir abgesprochen ist (auf die Prozessvorbereitung wird unten noch naher eingegangen). Daneben sollte er sich auch um deine Haftbedingungen kümmern. Also gegebenenfalls Dienstaufsichtsbeschwerden, Strafanzeigen, Antrage, Be­schwerden etc. schreiben. Er sollte dir auf Wunsch auch erklären, wie du dir selbst juristisch helfen kannst und dir vielleicht auch die dazu nötigen Materialien' verschaffen oder zumindest erklären, wie du sie dir verschaffen kannst. Er sollte sich auch für deine Gesundheit interessieren und wenn nötig versuchen, dir einen externen Arzt zur Behandlung zu besorgen oder, wenn das nicht klappt, zumindest eine medizinische Beratung von draußen vermitteln. Er sollte dich regelmäßig besuchen - nicht erst drei Tage vor dem Prozesstermin Bist du streng isoliert oder sonstigen besonderen Schikanen ausgesetzt, dann sollten seine Besuche entsprechend häufiger stattfinden. Ein regelmäßiger Anwaltsbesuch kann unter Umständen auch einen gewissen Schutz vor allzu unverfrorener Willkür seitens Beamten und Anstalt bieten. Die Grenzen der Hilfe, die man von seinem Anwalt erwarten, kann, sind verschieden. Der Anwalt hat berufsrechtliche Verpflichtungen und unterliegt natürlich auch dem Strafrecht. Diese juristischen Bestimmungen sind enorm auslegbar und werden von der Justiz unterschiedlich gehandhabt. Ist ihnen ein Anwalt unangenehm, werden sie viel strenger auf alle Bestimmungen achten als bei einem Anwalt der bereitwillig mit der Justiz zusammenarbeitet.Jedenfalls kann man verlangen, dass er all das tut, was er darf - das soll nicht selbstverständlich sein, wie man hört. Ein Problem ist, dass viele Anwälte nicht wissen, was sie dürfen oder nicht dürfen - und häufig von beidem zu wenig tun. Also kurz: die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Also verlange alles und gib dich nicht zufrieden mit dem, was er tut, sondern frage, ob er nicht noch ein bisschen mehr tun kann.

"Wenn du mit deinem Anwalt nicht klarkommst"

Wenn du den Eindruck hast, dass irgendetwas nicht richtig läuft in deiner Verteidigung, solltest du das dem Anwalt in irgendeiner Form mitteilen. Entweder ihm kurz schreiben oder ihn um eine Besprechung bitten. Die meisten Anwälte werden das dann mit einem diskutieren.Aber es wird sicher auch vorkommen, dass er ungehalten reagiert. Wenn er dir den Eindruck vermittelt, man hätte mit seiner Kritik eine Majestätsbeleidi­gung begangen, dann sollte man sich wirklich überlegen, ob das der richtige Verteidiger ist. Hast du den Eindruck, dass dein Anwalt seinen Job darin sieht, der Staatsanwaltschaft in die Hände zu spielen, um selber einen Vorteil für seine eigene Karriere, für sein Ansehen bei Gericht zu erlangen, und betrachtet er dich nur als Aktenzeichen, das ihm auch noch dankbar dafür sein soll, so schicke ihn zum Teufel. Du solltest mit deinem Anwalt ständig diskutieren, ob er was tut und was er tut - solidarisch diskutieren. Du wirst dabei von selbst ein Gefühl dafür entwickeln, ob er ausweicht oder ob er ehrlich ist, Am schlimmsten sind die, die ständig erzählen, sie tun etwas und dann in Wirklichkeit nichts tun. Schon aus Selbsterhaltungstrieb sollte man den Anwalt wechseln, wenn man den Typ nicht mehr aushält. In jedem Fall sollte man versuchen, sich von seinem Anwalt nicht total abhängig zu machen - und sich bewusst sein, dass man nicht der einzige ist, um den sich dieser Anwalt zu kümmern hat. Das setzt voraus, dass man ihm von Anfang an nicht blind alles überlässt, sondern alle Schritte mit überlegt und selbst entscheidet.

"Wer bezahlt den Anwalt?"

Normalerweise der Angeklagte selbst. Nur nach einem Freispruch und in manchen Fällen nach einer Einstellung des Verfahrens werden dir die Anwaltskosten erstattet. Die Bezahlung ist ein Problem, das du von vornherein mit deinem Anwalt klären musst Leider ist es oft so, dass die Anwälte, denen man vertrauen kann, nicht unbedingt zu der Sorte gehören, die in ihrem Beruf sehr reich werden. Nur in den wenigsten Fällen wird ein Anwalt bereit sein, ohne irgendeine Aussicht auf eine Honorierung oder einen Honorarvorschuss irgendetwas zu unternehmen. Wenn man kein Geld hat oder auftreiben kann - und das wird oft der Fall sein - bist du auf den Pflichtverteidiger angewiesen, der dir gleich nach deiner Inhaftierung beigeordnet (im juristendeutsch: zum Pflichtverteidiger bestellt) wurde, der dann zunächst vom Gericht bezahlt wird. Wichtig ist deshalb immer, einen Verteidiger der eigenen Wahl als Pflichtverteidiger vorzuschlagen. Es steht in jedem Kommentar zur Strafprozessordnung, dass das Gericht einen solchen Vorschlag berücksichtigen soll. Man sollte unter allen Umständen versuchen, dies dem Gericht gegenüber durchzusetzen - im normalen Fall klappt das auch. Du musst nur darauf achten, dass dir das Gericht (gern versteckt) eine Frist setzt, selbst einen Verteidiger deines vertrauens zu benennen.

"Der „von Amts wegen" bestellte Pflichtverteidiger"

Ist es dir nicht rechtzeitig gelungen, einen Verteidiger deines Vertrauens zu finden, handelt es sich, wenn du für dieses Verfahren in Untersuchungshaft bist, immer um einen Fall „notwendiger Verteidigung", so wählt das Gericht selbst einen Pflichtverteidiger für dich aus: bei solchen von Amts wegen bestellten Pflichtverteidigern musst du prinzipiell vorsichtig sein. Als Pflichtverteidiger werden nämlich meist nur solche bestellt, die dem Gericht angenehm sind. Und dem Gericht sind sie nur dann angenehm, wenn sie denen keine Schwierigkeiten machen. Du kannst also davon ausgehen, dass ein solcher Verteidiger - mit wenigen Ausnahmen - einer ist, der sich nicht so für dich einsetzen wird wie es ein anderer tun würde, weit er sonst in Zukunft befürchten muss, vom Gericht nicht mehr als Pflichtverteidiger ausgewählt zu werden. Und so mancher Anwalt lebt von diesen Pflichtmandaten. Erst recht vorsichtig musst du sein, wenn er dir auch noch rät, ein Geständnis abzulegen, um „einen guten Eindruck" zu machen. Dadurch, dass du gestehst, ersparst du diesem Anwalt und dem Gericht natürlich viel Schwierigkeiten. Wenn man als Verteidiger einen geständigen Angeklagten hat, braucht man nichts mehr machen - dann kann man auch nichts mehr machen. Deswegen haben diese Anwälte unter Umständen ein Interesse daran, dass ihre Mandanten gestehen. Das ist dann weniger Arbeit. Das ist dann überhaupt keine Arbeit mehr. Der faselt dann bestenfalls noch irgendetwas davon, dass du vor Jahren mal einer alten Oma Kohlen aus dem Keller geholt hast oder so ähnlich und er deshalb um eine milde Strafe bittet. Wenn es auch schon fast zu spät ist, so ist es immer noch möglich, sich - nachdem das Gericht bereits einen Pflichtverteidiger ausgesucht hat - noch einen Verteidiger dem man vertraut, zu suchen. Schwierig ist es allerdings, zu erreichen, dass dein bisheriger Pflichtverteidiger entpflichtec wird und dein neuer Wahlverteidiger an seiner Steile vom Gericht beigeordnet wird. Du musst dem Gericht klarmachen, dass der Pflichtverteidiger dein Vertrauen nicht mehr besitzt, sondern ein anderer von dir benannter Verteidiger. Vorsicht! Erzähle dabei aber dem Gericht nichts, was deine Verteidigungsstrategie oder andere noch schwerwiegendere Dinge verraten könnte. Dann lieber den Vertrauensverlust gar nicht begründen. Normalerweise kannst du jedenfalls erreichen, dass der andere entpflichtet wird. Aber das heiße noch lange nicht, dass der Neue nun tatsächlich an dessen Stelle treten kann. Schlimmstenfalls hast du dann zwar einen Anwalt, der dein Vertrauen besitzt, aber keine Kohle. Dass du neben deinem ungeliebten Pflichtverteidiger noch einen Wahlverteidiger hast, kann die Justiz nicht unterbinden, solange du nicht mehr als drei Anwälte in diesem Verfahren beschäftigst.

"Zwangsverteidiger" in "politischen Verfahren"

„Zur Sicherung des Verfahrens" neigen Gerichte dazu, in politischen Großverfahren neben den vom Angeklagten ausgewählten Verteidigern noch weitere Anwälte beizuordnen. Soweit der Verteidigte und sein bisheriger Anwalt hierzu gefragt werden, wen sie als weitere Verteidiger wünschen, ist das nicht weiter tragisch. Dann muss man sich mit dem Wahlverteidiger darüber einigen, wen man nun noch dazunimmt. Nun werden jedoch häufig Zwangsverteidiger eingesetzt. Weder der Beschuldigte noch der Wahlverteidiger werden vorher gefragt. Die Übernahme einer Verteidigung gegen den Willen des Verteidigten lehnt jeder ernstzunehmende Anwalt ohnehin ab. Wird er vom Gericht gezwungen, dennoch tätig zu sein, so wird er in seinem Verhalten dokumentieren, dass er gegen seinen Willen hier sitzt und nichts zur Verteidigung unternehmen. Leider gibt es nicht allzu viele ernstzu­nehmende Anwälte.Grundsätzlich sollte das Verhalten gegenüber dem Zwangs Verteidiger mit dem Wahlverteidiger besprochen werden. Verhält sich der Zwangsver­teidiger nicht so, wie oben dargestellt, so sollte man mit allen Mitteln versuchen, ihn aus dem Prozess herauszubekommen - allerdings nicht um den Preis, dabei seinen Wahl (Pflicht)verteidiger zu verlieren.

"Wie deine Verteidigung be- und verhindert wird"

Es gibt seit Jahren die Möglichkeit, nach § 138a StPO den Verteidiger aus dem Verfahren auszuschließen, wenn er in dem „Verdacht" steht, selbst an einer bestimmten Straftat in irgendeiner Form - wenn auch nur entfernt - beteiligt gewesen zu sein. Der Verteidiger muss durch eine mündliche Verhandlung ausgeschlossen werden. In einem solchen Fall hat man jedoch in der Regel die Gelegenheit, mit dem davon bedrohten Verteidiger noch rechtzeitig zu besprechen, wen man als Ersatz für den Notfall einspringen lassen könnte. Handelt es sich um ein Ermittlungs- oder Strafverfahren, in dem entweder mehrere angeklagt sind oder wenn dieses Verfahren mit einer Kette weiterer zusammenhängender Verfahren sächlich verbunden ist, wird es öfter mal vorkommen, dass man versucht, einen Verteidiger zu bekommen, der in irgendeiner Form schon jemand anderen in diesem Zusammenhang verteidigt. Hier wird es passieren, dass dieser Verteidiger vom Gericht zurückgewiesen wird - wegen dem „Verbot der Mehrfach Verteidigung" nach § 146 StPO. Das gilt allerdings nur, wenn die Verteidigung mehrerer gleichzeitig erfolgt. Ist die Verteidigung des einen abgeschlossen, darf der Verteidiger einen anderen wegen des gleichen Gegenstandes verteidigen, muss dann aber aufpassen, dass er nicht in eine Interessenkollision gerät. Man hat dann oft gar keine Gelegenheit, mit dem Verteidiger Kontakt aufzunehmen und muss dann von Neuem auf Verteidigersuche gehen. Bei größeren Verhaftungsaktionen, wie sie immer wieder im Zuge der „Terroristenjagden" inszeniert werden, führt das meist zu großen Problemen: Es fehlen dann einfach Anwälte, die sich um alles kümmern können. In diesem Fall wird man erst mal abwarten müssen, um festzustellen, wer von den Inhaftierten tatsächlich in einer bedrohlichen Situation ist und die Anwälte für diese freihalten. Man hat zeitweise den Eindruck, dass manche Verhaftungen nur den Zweck verfolgen, unbequeme Anwälte zu binden und damit von den Mandanten fernzuhalten, wo sie am meisten stören würden. In politischen Strafverfahren geht man mit immer neuen, zum Teil illegalen Methoden daran, die Verteidigung zu behindern oder gar auszuschalten: Durch Panzerglastrennscheiben in den Anwaltszellen, durch Überwachung von Gesprä­chen und des ansonsten unzensierten Schriftverkehrs mit dem Anwalt (vor allem bei Verdacht der „terroristischen Vereinigung" § 129a StGB) und schließlich durch die „Kontaktsperre“, die totale Absperrung des Gefangenen auch von seinen Verteidigern, die dann zulässig sein soll, wenn durch eine „terroristische Vereinigung" eine „gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit einer Person" besteht. Getroffen werden kann von einer „Kontaktsperre" ein Gefangener, der selbst der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung" verdächtigt wird, der ganz bestimmter Straftaten verdächtigt wird (Mord, Totschlag, Entführung, Sprengstoffdelikte u. a.) oder der irgendeiner Straftat verdächtigt wird, die im Zusammenhang mit einer Tat nach § 129a StGB stehen soll. Dem Anschein nach sind all diese Maßnahmen nur für die inhaftierten „Terroristen" gemacht. Man kann jedoch beobachten, dass vieles, was in den Zeitungen als Maßnahme zur „Terroristenbekämpfung" verkauft wird, früher oder später zur allgemeinen Regel wird. Bist du von solchen Maßnahmen betroffen, so wirst du von deinem Anwalt erwarten können, dass er mit allen ihm möglichen Rechtsmitteln gegen diese Maßnahmen vorgeht und sich unter Umständen auch an die Öffentlichkeit wendet, wenn hier allzu offensichtlich mit illegalen Mitteln gegen dich vorgegangen wird.

"Prozessvorbereitung und Verteidigungsstrategie"

Die Verteidigungsstrategie sollte man nicht dem Anwalt allein überlassen. Mitreden, mitdiskutieren, Fragen stellen sich alles erklären lassen - auch hier erinnert die Situation an das Verhältnis zu einem Arzt. Geheimnistuereien - "lass mich das nur mal machen, ich mach das schon richtig, vertrau mir ruhig" - sind eher Gründe zu Misstrauen. Die Anwaltstätigkeit kann durchsichtig gemacht werden. Als Gefangener bist du ohnehin schon abhängig genug von deinem Anwalt. Dann kannst du wenigstens verlangen, erklärt zu bekommen, was dieser tut. Als Beschuldigter oder Angeklagter wird man sehr oft eine Situation, die Gegenstand der Anklage ist, viel besser kennen und einschätzen können, als dies der Anwalt kann. Der ist in den meisten Fällen echt auf die Beteiligung des Beschuldigten, den er verteidigt, angewiesen. Das sollte man nicht vergessen, auch, wenn man das Gefühl hat, dass der Typ sich blöde anstellt und so tut, als könnte er alles allein. Die letzte Entscheidung über deine Verteidigungsstrategie musst du selbst treffen - du musst ja auch die Strafe selbst absitzen. Sei immer vorsichtig, wenn dein Verteidiger dir empfiehlt, im Prozess ein Geständnis abzulegen. In 90 % der Fälle ist das ein großer Fehler. Wenn dein Anwalt behauptet, das wäre in deinem Fall das Beste für dich, so muss er das schon sehr gut begründen können. Denkbar ist dies z. B. wenn du als jugendlicher oder Heranwachsender und als „Erst- und. Einzeltäter" gehandelt hast. Unter Umständen auch in anderen Fällen, in denen man auf frischer Tat ertappt worden ist. Das kann auch der Fall sein, wenn du Taten aufgrund Drogenabhängigkeit begangen hast (Beschaffung) und erreichen willst, statt eine Knaststrafe abzusitzen, lieber in eine Drogentherapie zu gehen. Z. B. in Berlin (nach der Rechtsprechung des Kammergerichts) muss sich aus den Urteilsgründen oder dem Verhandlungsprotokoll ergeben, dass du die Tat(en) aufgrund Betäubungsmittelabhngigkeit begangen hast. Sonst kann die Strafvollstreckung nicht zugunsten einer Drogentherapie zurück gestellt werden (§ 35 BtmG - "Therapie statt Strafe") Ansonsten gilt: Entweder du findest eine plausible Erklärung für deine Schuldlosigkeit oder du hältst den Mund. Bei dieser Erklärung musst du aber beachten: Dein Anwalt darf dir nichts in den Mund legen, dich nicht zu Lügen auffordern. Aber er sollte dich darüber aufklären, dass du als Angeklagter berechtigt bist zu lügen. Er kann deine Geschichte auch auf ihre Glaubwürdigkeit hin prüfen und dich auf die schwachen Punkte hinweisen. Oder dich darauf hinweisen, dass deine Geschichte so absurd ist, dass es doch besser ist, zu schweigen. Oft ist es besser, zu schweigen. Denn wenn du schweigst, darf das Gericht das nicht gegen dich verwenden. Wenn du die Vorwürfe bestreitest und dich bei der Vernehmung in Widersprüche verstrickst, kann das für dich nachteilig sein. Der Verteidiger sollte mit dir auf jeden Fall die „Vernehmung spielen". Er übernimmt die Rollen von Richter und Staatsanwalt in einer gespielten Verhandlung, um deine Aussagen zu testen und dich auf Fangfragen und Lügenfallen vorzubereiten. Dein Anwalt darf keine Zeugen beeinflussen, aber er sollte eigene Ermittlungen anstellen: sich um Entlastungszeugen bemühen, Sachverständigengutachten zu deinen Gunsten anfertigen lassen. Dies ist besonders wichtig als Gegengutachten gegen ein dich belastendes Gutachten der anderen Seite. Wenn du schon in dem Prozesstermin ein Geständnis ablegst, solltest du das auf jeden Fall vorher mit deinem Anwalt durchgespielt haben. Es ist unter Umständen besser, manche Sachen nicht zu erzählen oder etwas anders. Andererseits kann dir der Anwalt noch helfen, was noch wichtig sein könnte zu erzählen, wo du vielleicht noch gar nicht darauf gekommen bist, das es für dich günstig ist.

Wenn das der vom Gericht ohne deinen Willen bestellte Pflichtverteidiger ablehnt, ist das ein Grund, seine Entpflichtung bei dem Gericht zu verlangen. Wenn er sich nicht einmal die Mühe machen will, deine Aussage vorher mit dir durch zu besprechen.

Achte darauf, dass dein Anwalt selbst bei dem Prozesstermin erscheint oder aber nur einen solchen Kollegen oder Referendar als Vertreter schickt, der ebenfalls dein Vertrauen besitzt und dich vorher besucht hat. Weise den Anwalt von Anfang an darauf hin. Du kannst dies notfalls auch auf dem Vollmachtsformular ausdrücklich vermerken. Tritt plötzlich in deinem Prozess jemand als Anwalt auf, den du noch nie gesehen hast, so kannst du ihm auch noch in der Hauptverhandlung das Mandat entziehen. Allerdings: Wenn kein Fall einer „notwendigen Verteidigung" vorliegt, dann stehst du alleine da. Im anderen Fall ist jedoch der Prozesstermin geplatzt und muss vertagt werden.

"Verteidigung bei mehreren Angeklagten"

Besonders schwierig ist eine Verteidigung in einem Verfahren mit mehreren Mitangeklagten. Hier darf man sich nicht auseinander dividieren lassen. Seit 1974 darf in einem Verfahren jeder Anwalt nur noch einen Angeklagten vertreten. Damit soll eine gemeinsame Vorbereitung erschwert und eine Spaltung und ein Gegeneinanderarbeiten gefördert werden. Man sollte sich auch hier nicht von seinem Anwalt dazu verleiten lassen, sich auf Kosten anderer zu entlasten versuchen. Es ist sowieso kurzsichtig zu glauben, man würde damit wirklich besser wegkommen. Fängt erst mal einer an, die anderen zu belasten, so löst er oft eine Lawine von Denunziation und Gegendenunziationen aus. Das Ergebnis: Die Angeklagten haben sich reihum gegenseitig fertig gemacht. Die Verurteilung ist dann bloß noch eine Formsache, Also: Bestehen auch nur die geringsten Zweifel, ob man durch seine Aussage nicht jemanden belastet, so ist es unverantwortlich, sie dennoch einzusetzen. Versuche dagegen, dich mit den Mitangeklagten zu verständigen, wenn du ihnen vertrauen kannst und wenn es irgend möglich ist. Versuche - wenn sie im selben Knast sind - gemeinsame Freizeit und Teilnahme am Gottesdienst zu erreichen oder beantrage Umschluss. Es ist nicht verboten, dass die Verteidiger der mehreren Angeklagten miteinander sprechen. Es ist auch zulässig, dass sich die Verteidiger auf eine gemeinsame "Plattform" für die Verteidigung aller Angeklagten einigen. Das sollte dein Anwalt immer versuchen.

"Materialien zur Prozessvorbereitung"

Sehr wichtig ist es, als Beschuldigter die Prozessakten zu lesen und mit dem Anwalt durch zusprechen Der Anwalt ist zwar nicht befugt, dir die Originalakten zur Einsicht zu überlassen - das wäre ein ziemlich schweres Berufsvergehen und er könnte große Nachteile dadurch haben. Er darf aber ohne weiteres von den Akten Kopien anfertigen und sie dir überlassen (er muss dir nur das Versprechen abnehmen, die Akte keinen dritten zugänglich zu machen - mit diesem Versprechen ist er entlastet). Viele Anwälte wissen das nicht und meinen, auch das wäre verboten - viele Gerichte übrigens auch, und auch die Knastbürokratie meint dies oft. Dabei ist aber zu beachten, dass der Anwalt für solche Kopien streng genommen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz pro Kopie 50 Cent für die ersten fünfzig Kopien, für alle weiteren 15 Cent verlangen kann. Die meisten Anwälte werden das auch bedenkenlos auf die Gebührenrechnung setzen, insbesondere dann, wenn sie keine Chance haben, diese Kopierkosten vom Staat zurückbekommen. Besonders bei umfangreichen Akten kann dies also ein ziemlich teures Vergnügen werden. Versuche, wenn du kein Geld hast, auszuhandeln, dass dir nur die Selbstkosten berechnet werden. Das sind etwa 5 bis 10 Cent pro kopierte Seite. Der Anwalt wird bei den Besprechungen meist den Gesetzestext in irgendeiner Form bei sich haben - also das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung etc.. Ist man selber in juristischen Sachen beschlagen oder interessiert, so sollte man versuchen, sich Gesetzestexte und Kommentare in der Anstaltsbibliothek auszuleihen oder sich von Leuten draußen besorgen lassen. Auch das setzt leider voraus, dass genügend Geld vorhanden ist. Juristische Literatur - vor allem Gesetzeskommentare - sind wahnsinnig teuer. Oft genügt es aber, wenn Freunde draußen die entsprechenden Texte in einer juristischen Bibliothek heraussuchen, aus dem Internet ausdrucken und dir die entscheidenden Abschnitte einfach zukommen lassen. Du wirst von deinem Anwalt nicht verlangen können, dass er dir alle Bücher die du brauchst, besorgt. Aber er kann dich zumindest beraten, wie du es am geschicktesten anstellst, an diese Unterlagen ranzukommen und was überhaupt zur eigenen Vorbereitung geeignet ist. Man sollte sich mit allen Fragen sachlicher und juristischer Art, die sich aus den Akten ergeben, an den Anwalt wenden. Sinnvoll ist es dabei, sich für den Anwaltsbesuch einen schriftlichen Fragenkatalog vorzubereiten, um nicht das Wichtigste zu vergessen - am besten in Stichworten, mit denen nur du etwas anfangen kannst. Jedenfalls sollte man immer, wenn man irgendwelche Zweifel hat, ob der Anwalt den richtigen Weg vor Augen hat, mit ihm darüber diskutieren, ob es darüber hinaus nicht noch andere Möglichkeiten gibt, sich im Prozess zu verhalten. Oft kommt es vor, dass man ihn erst dadurch auf die ganz guten Ideen bringt. Die Leute sind nämlich auch überlastet. Diskutiere deine Prozessstrategie nicht mit deinen Mitgefangenen. Du weißt selbst, wenn nicht jeder gleich ein Spitzel ist, der Knast hat stets ein „offenes Ohr" für dich.


11.Das Verhältnis zu deinem Rechtsanwalt und die Prozessvorbereitung

Wie man sich bei der Festnahme und Vernehmung verhalt, ist oben im Abschnitt „Festnahme" schon näher beschrieben. Im folgenden wird zunächst darauf eingegangen, welche Rolle der Anwalt in dieser Situation spielt.

Wann kannst du einen Anwalt verlangen?

Theoretisch-juristisch hat jeder Bürger zu jeder Zeit das Recht, sich eines Anwalts zu bedienen {§ 137StPO). In der Wirklichkeit hat sich jedoch als spätester Zeitpunkt die Begegnung mit dem Richter eingependelt - also der Zeitpunkt, in dem entschieden wird, ob ein Haftbefehl erlassen wird oder nicht. Wichtig ist nur, dass man bevor man mit einem Anwalt gesprochen hat, auf gar keinen Fall irgendeine Aussage macht, die über die notwendigen Angaben zur Person hinausgeht. Wenn man nichts sagt, hat man auch mehr Chancen, einen Anwalt zu bekommen - insbesondere dann, wenn man sein Schweigen damit begründet, dass man keinen Anwalt hat. Also von der ersten Sekunde an einen Anwalt verlangen. Solange ich zu diesem Anwalt keinen Kontakt habe, rede ich kein Wort. Wahrscheinlich wird dieser in den meisten Fallen dazu raten, weiter zu schweigen, bis er die Ermittlungsakten bekommen hat.

Welchen Anwalt nimmt man sich?

Man sollte sich im Klaren sein, dass die meisten Anwälte sehr selten aus ihrer Rolle, die sie zu einem Teil der Justiz macht, herauskommen. Ein solcher Anwalt ist dann oft Mitwirkender an deiner Verurteilung. Sein Interesse beschränkt sich auf sein Geschäft und seine Karriere. Er vertritt dich, um an dein Geld oder an die gerichtlichen Bezüge heranzukommen oder um dich für Werbezwecke zu benutzen, wenn du ein „spektakulärer Fall" bist. Er wird auf deine Kosten alles unterlassen, was ihn beider Justiz unbeliebt machen könnte, jeder sollte sich einen Anwalt bereits ausgesucht haben, dessen vollständigen Namen, Anschrift, Telefonnummer im Kopf haben. Jeder sollte also vorher einen Anwalt kennen, dem er vertraut, von dem er verteidigt werden möchte, für den Fall dass er in die Hände der Justiz gerät. Dass dies schließlich jedem passieren kann, sollte eigentlich mittlerweile allgemein bekannt sein. Man könnte es fast mit einer Krankheit vergleichen: bei der Wahl eines Arztes verhält man sich schließlich genauso. Man lässt sich schon vorher jemanden von Freunden empfehlen. Bei diesem Anwalt sollte möglichst bereits eine „Blankovollmacht" von dir liegen.-Das heißt: in dem Fall, in dem du in die Justizmühle gerätst, besitzt dein Anwalt bereits automatisch dein Mandat, was dir einiges an Zeit und Ärger erspart. Die Blankovollmacht wird von der Justiz gerne beanstandet, obwohl sie juristisch in keinster Weise zu beanstanden ist. Sie wird nur bekämpft, weil sie den Ermittlungsorganen und der Justiz hinderlich ist. In dem Fall, dass man keinen Anwalt kennt, dem man vertraut, wird man sich auf Tipps verlassen müssen, die man von Mitgefangenen in der Haftanstalt bekommen kann. Diese Tipps im Knast sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn es kommt Öfter mal vor, dass bestimmte Anwälte völlig unberechtigt in Mode sind. Bestimmte Anwälte lassen sich über Knastbeamte, auch bereits über Polizeibeamte weiterempfehlen. Mit solchen Anwälten sind häufig üble Erfahrungen gemacht worden. Informationen, die über das Branchenverzeichnis des Telefonbuchs und Tipps von Mitgefangenen hinausgehen, sind im Knast sehr schwer zu bekommen. Oft ist es auch so, dass man im Knast einen Prozessbericht aus einer Zeitung in die Hand bekommt, wo dann der Name eines Verteidigers erwähnt ist, an den man sich dann wenden kann. Auch das ist mit Sicherheit kein unfehlbarer Tipp, aber man kann einen solchen Anwalt, der im Knast einen gewissen Ruf hat, anschreiben und um eine Besprechung bitten. Dazu bekommst du in manchen Knästen schon vorgedruckte Karten: „...bittet um ihren Besuch ... Ich befinde mich in U-Haft und würde zwecks Verteidigung gerne mit Ihnen sprechen ..." Der angeschriebene Anwalt Dich dann aufsuchen. Wenn Du eine Besuchsbeschränkung haben solltest, wird sich dazu auf der Geschäftsstelle eine Besuchserlaubnis holen. Du musst jedoch damit rechnen, dass es eine Woche oder länger dauert, bis er bei dir auftaucht. Mit dem ersten Besuch hat der Anwalt noch kein Mandat automatisch übernommen. Das „Anbahnungsgespräch" wird somit von dem „Verbot der Mehrfachverteidi­gung" nicht berührt. D. h. der Anwalt kann nach dem Besuch auch einen anderen Beschuldigten in demselben Verfahren vertreten, solange er von dir noch keine Vollmacht bekommen hat. Wenn er dir nicht passt, dann schicke ihn wieder weg und schreibe den Nächsten an. Wenn du merkst, dass er kein Interesse oder keine Zeit hat, so bitte ihn, dir einen oder mehrere andere Kollegen zu empfehlen. Natürlich kannst du auch Freunde oder eine Knastgruppe bitten, dir einen Anwalt zu vermitteln. Willst du als Frau von einer Rechtsanwältin vertreten werden, so kannst du versuchen, dir von einer Frauengruppe eine Anwältin vermitteln zu lassen Du findest im Adressenteil im Anhang dieses Buches ein Verzeichnis von Rechtsanwälten und Anwältinnen, die uns von Gefangenen und anderen empfohlen worden sind.

Was kannst du von deinem Anwalt verlangen?

Sicher keine Wunder. Aber er muss dich umfassend beraten und verteidigen und das Möglichste tun. Er soll dich in die Prozessvorbereitung miteinbeziehen und nichts unternehmen, was nicht mit dir abgesprochen ist (auf die Prozessvorbereitung wird unten noch naher eingegangen). Daneben sollte er sich auch um deine Haftbedingungen kümmern. Also gegebenenfalls Dienstaufsichtsbeschwerden, Strafanzeigen, Antrage, Be­schwerden etc. schreiben. Er sollte dir auf Wunsch auch erklären, wie du dir selbst juristisch helfen kannst und dir vielleicht auch die dazu nötigen Materialien' verschaffen oder zumindest erklären, wie du sie dir verschaffen kannst. Er sollte sich auch für deine Gesundheit interessieren und wenn nötig versuchen, dir einen externen Arzt zur Behandlung zu besorgen oder, wenn das nicht klappt, zumindest eine medizinische Beratung von draußen vermitteln. Er sollte dich regelmäßig besuchen - nicht erst drei Tage vor dem Prozesstermin. Bist du streng isoliert oder sonstigen besonderen Schikanen ausgesetzt, dann sollten seine Besuche entsprechend häufiger stattfinden. Ein regelmäßiger Anwaltsbesuch kann unter Umständen auch einen gewissen Schutz vor allzu unverfrorener Willkür seitens Beamten und Anstalt bieten. Die Grenzen der Hilfe, die man von seinem Anwalt erwarten, kann, sind verschieden. Der Anwalt hat berufsrechtliche Verpflichtungen und unterliegt natürlich auch dem Strafrecht. Diese juristischen Bestimmungen sind enorm auslegbar und werden von der Justiz unterschiedlich gehandhabt. Ist ihnen ein Anwalt unangenehm, werden sie viel strenger auf alle Bestimmungen achten als bei einem Anwalt der bereitwillig mit der Justiz zusammenarbeitet.Jedenfalls kann man verlangen, dass er all das tut, was er darf - das soll nicht selbstverständlich sein, wie man hört. Ein Problem ist, dass viele Anwälte nicht wissen, was sie dürfen oder nicht dürfen - und häufig von beidem zu wenig tun. Also kurz: die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Also verlange alles und gib dich nicht zufrieden mit dem, was er tut, sondern frage, ob er nicht noch ein bisschen mehr tun kann.

Wenn du mit deinem Anwalt nicht klarkommst

Wenn du den Eindruck hast, dass irgendetwas nicht richtig läuft in deiner Verteidigung, solltest du das dem Anwalt in irgendeiner Form mitteilen. Entweder ihm kurz schreiben oder ihn um eine Besprechung bitten. Die meisten Anwälte werden das dann mit einem diskutieren.Aber es wird sicher auch vorkommen, dass er ungehalten reagiert. Wenn er dir den Eindruck vermittelt, man hätte mit seiner Kritik eine Majestätsbeleidi­gung begangen, dann sollte man sich wirklich überlegen, ob das der richtige Verteidiger ist. Hast du den Eindruck, dass dein Anwalt seinen Job darin sieht, der Staatsanwaltschaft in die Hände zu spielen, um selber einen Vorteil für seine eigene Karriere, für sein Ansehen bei Gericht zu erlangen, und betrachtet er dich nur als Aktenzeichen, das ihm auch noch dankbar dafür sein soll, so schicke ihn zum Teufel. Du solltest mit deinem Anwalt ständig diskutieren, ob er was tut und was er tut - solidarisch diskutieren. Du wirst dabei von selbst ein Gefühl dafür entwickeln, ob er ausweicht oder ob er ehrlich ist, Am schlimmsten sind die, die ständig erzählen, sie tun etwas und dann in Wirklichkeit nichts tun. Schon aus Selbsterhaltungstrieb sollte man den Anwalt wechseln, wenn man den Typ nicht mehr aushält. In jedem Fall sollte man versuchen, sich von seinem Anwalt nicht total abhängig zu machen - und sich bewusst sein, dass man nicht der einzige ist, um den sich dieser Anwalt zu kümmern hat. Das setzt voraus, dass man ihm von Anfang an nicht blind alles überlässt, sondern alle Schritte mit überlegt und selbst entscheidet.

Wer bezahlt den Anwalt?

Normalerweise der Angeklagte selbst. Nur nach einem Freispruch und in manchen Fällen nach einer Einstellung des Verfahrens werden dir die Anwaltskosten erstattet. Die Bezahlung ist ein Problem, das du von vornherein mit deinem Anwalt klären musst Leider ist es oft so, dass die Anwälte, denen man vertrauen kann, nicht unbedingt zu der Sorte gehören, die in ihrem Beruf sehr reich werden. Nur in den wenigsten Fällen wird ein Anwalt bereit sein, ohne irgendeine Aussicht auf eine Honorierung oder einen Honorarvorschuss irgendetwas zu unternehmen. Wenn man kein Geld hat oder auftreiben kann - und das wird oft der Fall sein - kann man sich vom Gericht, wenn ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, einen Pflichtverteidiger bestellen lassen, der dann zunächst vom Gericht bezahlt wird. Wichtig ist dabei, einen Verteidiger der eigenen Wahl als Pflichtverteidiger vorzuschlagen. Es steht in jedem Kommentar zur Strafprozessordnung, dass das Gericht einen solchen Vorschlag berücksichtigen soll. Man sollte unter allen Umständen versuchen, dies dem Gericht gegenüber durchzusetzen - im normalen Fall klappt das auch. Die Pflichtverteidigung setze aber voraus, dass es sich hier um einen fall sogenannter „notwendiger Verteidigung" handelt. Dies ist dann der Fall, wenn man länger als drei Monate im Knast ist oder wenn man unter der Beschuldigung stehe, ein „Verbrechen" begangen zu haben, also eine Straftat.die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist. Eine Verteidigung ist auch dann immer notwendig, wenn der Prozess vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht stattfindet. Ob es sich in deinem Fall um den Verdacht eines Verbrechens handelt, kannst du auch im Haftbefehl nachlesen. Bei der Aufzählung der Strafvorschriften steht dann immer: „Verbrechen gemäß §.." oder aber: „Vergehen gemäß §...". Stehe also nur „Vergehen" in deinem Haftbefehl, so wirst du erst nach drei Monaten U-Haft einen Pflichtverteidiger bekommen. Normalerweise wirst du dich aber auf jeden Fall schon vorher an einen Verteidiger wenden, der dann im Hinblick darauf, dass du später zu einem Fall „notwendiger Verteidigung" wirst, zunächst einmal die Wahlverteidigung übernimmt, um dann nach Ablauf von drei Monaten seine Beiordnung als Pflichtverteidiger zu beantragen. Es kommt übrigens nicht darauf an, dass du die drei Monate in dieser Sache sitzt Also, wenn du z. B. in einer Sache des Amtsgerichts Detmold sitzt und sitze drei Monate lang und hast dann noch ein Verfahren in Frankfurt, ohne dass dort überhaupt ein Haftbefehl besteht, so besitzt du trotzdem eine Anspruch auf einen Pflichtverteidiger für das Frankfurter Verfahren (§140 Abs.l StPO). Es soll Amtsrichter geben, die dies noch nicht wissen. Ist dein Gerichtstermin - was sehr selten ist - schon vor Ablauf der drei Monate und bist du nicht wegen eines Verbrechens angeklagt, so bestehe noch die - allerdings geringe - Chance, deinen Wahlverteidiger mit der Begründung, dass dein Fall besonders schwierig sei, vom Richter verpflichten zu lassen.

Der „von Amts wegen" bestellte Pflichtverteidiger

Ist es dir nicht rechtzeitig gelungen, einen Verteidiger deines Vertrauens zu finden und handelt es sich hier um einen Fall „notwendiger Verteidigung", so wählt das Gericht selbst einen Pflichtverteidiger für dich aus: bei solchen von Amts wegen bestellten Pflichtverteidigern musst du prinzipiell vorsichtig sein. Als Pflichtverteidiger werden nämlich meist nur solche bestellt, die dem Gericht angenehm sind. Und dem Gericht sind sie nur dann angenehm, wenn sie denen keine Schwierigkeiten machen. Du kannst also davon ausgehen, dass ein solcher Verteidiger - mit wenigen Ausnahmen - einer ist, der sich nicht so für dich einsetzen wird wie es ein anderer tun würde, weit er sonst in Zukunft befürchten muss, vom Gericht nicht mehr als Pflichtverteidiger ausgewählt zu werden. Und so mancher Anwalt lebt von diesen Pflichtmandaten. Erst recht vorsichtig musst du sein, wenn er dir auch noch rät, ein Geständnis abzulegen, um „einen guten Eindruck" zu machen. Dadurch, dass du gestehst, ersparst du diesem Anwalt und dem Gericht natürlich viel Schwierigkeiten. Wenn man als Verteidiger einen geständigen Angeklagten hat, braucht man nichts mehr machen - dann kann man auch nichts mehr machen. Deswegen haben diese Anwälte unter Umständen ein Interesse daran, dass ihre Mandanten gestehen. Das ist dann weniger Arbeit. Das ist dann überhaupt keine Arbeit mehr. Der faselt dann bestenfalls noch irgendetwas davon, dass du vor Jahren mal einer alten Oma Kohlen aus dem Keller geholt hast oder so ähnlich und er deshalb um eine milde Strafe bittet. Wenn es auch schon fast zu spät ist, so ist es immer noch möglich, sich - nachdem das Gericht bereits einen Pflichtverteidiger ausgesucht hat - noch einen Verteidiger dem man vertraut, zu suchen. Schwierig ist es allerdings, zu erreichen, dass dein bisheriger Pflichtverteidiger entpflichtec wird und dein neuer Wahlverteidiger an seiner Steile vom Gericht beigeordnet wird. Du musst dem Gericht klarmachen, dass der Pflichtverteidiger dein-Vertrauen nicht mehr besitzt, sondern ein anderer von dir benannter Verteidiger. Vorsicht! Erzahle dabei aber dem Gericht nichts, was deine Verteidigungsstrategie oder andere noch schwerwiegendere Dinge verraten könnte. Dann lieber den Vertrauensverlust gar nicht begründen. Normalerweise kannst du jedenfalls erreichen, dass der andere entpflichtet wird. Aber das heiße noch lange nicht, dass der Neue nun tatsächlich an dessen Stelle treten kann. Schlimmstenfalls hast du dann zwar einen Anwalt, der dein Vertrauen besitzt, aber keine Kohle. Dass du neben deinem ungeliebten Pflichtverteidiger noch einen Wahlverteidiger hast, kann die Justiz nicht unterbinden, solange du nicht mehr als drei Anwälte in diesem Verfahren beschäftigst.

Zwangsverteidiger

„Zur Sicherung des Verfahrens" neigen Gerichte dazu, in politischen Großverfahren neben den vom Angeklagten ausgewählten Verteidigern noch weitere Anwälte beizuordnen. Soweit der Verteidigte und sein bisheriger Anwalt hierzu gefragt werden, wen sie als weitere Verteidiger wünschen, ist das nicht weiter tragisch. Dann muss man sich mit dem Wahlverteidiger darüber einigen, wen man nun noch dazunimmt. Nun werden jedoch immer häufiger Zwangsverteidiger eingesetzt. Weder der Beschuldigte noch der Wahlverteidiger werden vorher gefragt. Die Übernahme einer Verteidigung gegen den Willen des Verteidigten lehnt jeder ernstzunehmende Anwalt ohnehin ab. Wird er vom Gericht gezwungen, dennoch tätig zu sein, so wird er in seinem Verhalten dokumentieren, dass er gegen seinen Willen hier sitzt und nichts zur Verteidigung unternehmen. Leider gibt es nicht allzu viele ernstzu­nehmende Anwälte. Grundsätzlich sollte das Verhalten gegenüber dem Zwangsverteidiger mit dem Wahlverteidiger besprochen werden. Verhält sich der Zwangsver­teidiger nicht so, wie oben dargestellt, so sollte man mit allen Mitteln versuchen, ihn aus dem Prozess herauszubekommen - allerdings nicht um den Preis, dabei seinen Wahl (Pflicht)verteidiger zu verlieren.

Wie deine Verteidigung be- und verhindert wird

Es gibt seit einigen Jahren die Möglichkeit, nach § ___ StPO den Verteidiger aus dem Verfahren auszuschließen, wenn er in dem „Verdacht" steht, selbst an einer bestimmten Straftat in irgendeiner Form - wenn auch nur entfernt - beteiligt gewesen zu sein. Der Verteidiger muss durch eine mündliche Verhandlung ausgeschlossen werden. In einem solchen Fall hat man jedoch in der Regel die Gelegenheit, mit dem davon bedrohten Verteidiger noch rechtzeitig zu besprechen, wen man als Ersatz für den Notfall einspringen lassen könnte. Handelt es sich um ein Ermittlungs- oder Strafverfahren, in dem entweder mehrere angeklagt sind oder wenn dieses Verfahren mit einer Kette weiterer zusammenhängender Verfahren sachlich verbunden ist, wird es öfter mal vorkommen, dass man versucht, einen Verteidiger zu bekommen, der gerade schon jemand anderen in diesem Zusammenhang verteidigt. Hier wird es passieren, dass dieser Verteidiger vom Gericht zurückgewiesen wird - wegen dem „Verbot der Mehrfach Verteidigung" nach § 146 StPO. Man hat dann oft gar keine Gelegenheit, mit dem Verteidiger Kontakt aufzunehmen und muss dann von Neuem auf Verteidigersuche gehen. Bei größeren Verhaftungsaktionen, wie sie immer wieder im Zuge der „Terroristenjagden" inszeniert werden, führt das meist zu großen Problemen: Es fehlen dann einfach Anwälte, die sich um alles kümmern können. In diesem Fall wird man erst mal abwarten müssen, um festzustellen, wer von den Inhaftierten tatsächlich in einer bedrohlichen Situation ist und die Anwälte für diese freihalten. Man hat zeitweise den Eindruck, dass manche Verhaftungen nur den Zweck verfolgen, unbequeme Anwälte zu binden und damit von den Mandanten fernzuhalten, wo sie am meisten stören würden. In politischen Strafverfahren geht man mit immer neuen, zum Teil illegalen Methoden daran, die Verteidigung zu behindern oder gar auszuschalten: Durch Panzerglastrennscheiben in den Anwaltszellen, durch Überwachung von Gesprä­chen und des ansonsten unzensierten Schriftverkehrs mit dem Anwalt (vor allem bei Verdacht der „terroristischen Vereinigung" § 129a StGB) und schließlich durch die „Kontaktsperre“, die totale Absperrung des Gefangenen auch von seinen Verteidigern, die dann zulässig sein soll, wenn durch eine „terroristische Vereinigung" eine „gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit einer Person" besteht. Getroffen werden kann von einer „Kontaktsperre" ein Gefangener, der selbst der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung" verdächtigt wird, der ganz bestimmter Straftaten verdächtigt wird (Mord, Totschlag, Entführung, Sprengstoffdelikte u. a.) oder der irgendeiner Straftat verdächtigt wird, die im Zusammenhang mit einer Tat nach § 129a StGB stehen soll. Dem Anschein nach sind all diese Maßnahmen nur für die inhaftierten „Terroristen" gemacht. Man kann jedoch beobachten, dass vieles, was in den Zeitungen als Maßnahme zur „Terroristenbekämpfung" verkauft wird, früher oder später zur allgemeinen Regel wird. Bist du von solchen Maßnahmen betroffen, so wirst du von deinem Anwalt erwarten können, dass er mit allen ihm möglichen Rechtsmitteln gegen diese Maßnahmen vorgeht und sich unter Umständen auch an die Öffentlichkeit wendet, wenn hier allzu offensichtlich mit illegalen Mitteln gegen dich vorgegangen wird.

Prozessvorbereitung und Verteidigungsstrategie

Die Verteidigungsstrategie sollte man nicht dem Anwalt allein überlassen. Mitreden, mitdiskutieren, Fragen stellen sich alles erklären lassen - auch hier erinnert die Situation an das Verhältnis zu einem Arzt. Geheimnistuereien - "lass mich das nur mal machen, ich mach das schon richtig, vertrau mir ruhig" - sind eher Gründe zu Misstrauen. Die Anwaltstätigkeit kann durchsichtig gemacht werden. Als Gefangener bist du ohnehin schon abhängig genug von deinem Anwalt. Dann kannst du wenigstens verlangen, erklärt zu bekommen, was dieser tut. Als Beschuldigter oder Angeklagter wird man sehr oft eine Situation, die Gegenstand der Anklage ist, viel besser kennen und einschätzen können, als dies der Anwalt kann. Der ist in den meisten Fällen echt auf die Beteiligung des Beschuldigten, den er verteidigt, angewiesen. Das sollte man nicht vergessen, auch, wenn man das Gefühl hat, dass der Typ sich blöde anstellt und so tut, als könnte er alles allein. Die letzte Entscheidung über deine Verteidigungsstrategie musst du selbst treffen. Sei immer vorsichtig, wenn dein Verteidiger dir empfiehlt, im Prozess ein Geständnis abzulegen. In 90 % der Fälle ist das ein großer Fehler. Wenn dein Anwalt behauptet, das wäre in deinem Fall das Beste für dich, so muss er das schon sehr gut begründen können. Denkbar ist dies z. B. wenn du als jugendlicher oder Heranwachsender und als „Erst- und. Einzeltäter" gehandelt hast. Unter Umständen auch in anderen Fällen, in denen man auf frischer Tat ertappt worden ist oder, wenn Du Taten aufgrund deiner Drogenabhängigkeit begangen hast ("Beschaffungskriminalität"). Dann bist Du u. U. in der Zwickmühle, dass Du nicht "Therapie statt Strafe" (§§ 35, 36 BtmG) machen kannst, wenn im Urteil nicht steht, dass Du die Taten "aufgrund von Drogenabhängigkeit begangen" hast. Ansonsten gilt: Entweder du findest eine plausible Erklärung für deine Schuldlosigkeit oder (meistens besser, dann kann dir das Gericht keine Widersprüche vorhalten) du hältst den Mund. Bei einer Erklärung musst du aber beachten: Dein Anwalt darf dir nichts in den Mund legen, dich nicht zu Lügen auffordern (wenn das rauskommt, hat er sich selbst strafbar gemacht). Aber er sollte dich darüber aufklären, dass du als Angeklagter berechtigt bist zu lügen. Und er kann dir Brücken bauen, dass Du selbst darauf kommst, mit welcher "Geschichte" Du durchkommen kannst. Er kann deine Geschichte auch auf ihre Glaubwürdigkeit hin prüfen und dich auf die schwachen Punkte hinweisen. Oder dich darauf hinweisen, dass deine Geschichte so absurd ist, dass es doch besser ist, zu schweigen. Er kann auch mit dir „Vernehmung spielen". Er übernimmt die Rollen von Richter und Staatsanwalt in einer gespielten Verhandlung, um deine Aussagen zu testen und dich auf Fangfragen und Lügenfallen vorzubereiten. Ein solches "Vernehmung spielen", solltest Du von Deinem Anwalt auch verlangen, wenn klar ist, dass Du ein (Teil-)Geständnis ablegen wirst. Nur dann hast Du die Chance, schon vor der Verhandlung zu erleben, ob Du u. U. Sachen erzählst, die Du vielleicht besser weglassen oder anders erzählen solltest. Also: wenn Du aussagst, verlange immer von deinem Anwalt, dass er deine Aussage vor der Verhandlung mit dir durchspielt. Dein Anwalt darf keine Zeugen beeinflussen, aber er sollte eigene Ermittlungen anstellen: sich um Entlastungszeugen bemühen, Sachverständigengutachten zu deinen Gunsten anfertigen lassen. Dies ist besonders wichtig als Gegengutachten gegen ein dich belastendes Gutachten der anderen Seite, Achte darauf, dass dein Anwalt selbst bei dem Prozesstermin erscheint oder aber nur einen solchen Kollegen oder Referendar als Vertreter schickt, der ebenfalls dein Vertrauen besitzt und dich vorher besucht hat. Weise den Anwalt von Anfang an darauf hin. Du kannst dies notfalls auch auf dem Vollmachtsformular ausdrücklich vermerken. Tritt plötzlich in deinem Prozess jemand als Anwalt auf, den du noch nie gesehen hast, so kannst du ihm auch noch in der Hauptverhandlung das Mandat entziehen. Allerdings: Wenn kein Fall einer „notwendigen Verteidigung" vorliegt, dann stehst du alleine da. Im anderen Fall ist jedoch der Prozesstermin geplatzt und muss vertagt werden.

Verteidigung bei mehreren Angeklagten

Besonders schwierig ist eine Verteidigung in einem Verfahren mit mehreren Mitangeklagten. Hier darf man sich nicht auseinander dividieren lassen. Seit 1974 darf in einem Verfahren jeder Anwalt nur noch einen Angeklagten vertreten. Damit soll eine gemeinsame Vorbereitung erschwert und eine Spaltung und ein Gegeneinanderarbeiten gefördert werden. Man sollte sich auch hier nicht von seinem Anwalt dazu verleiten lassen, sich auf Kosten anderer zu entlasten versuchen. Es ist sowieso kurzsichtig zu glauben, man würde damit wirklich besser wegkommen. Fängt erst mal einer an, die anderen zu belasten, so löst er oft eine Lawine von Denunziation und Gegendenunziationen aus. Das Ergebnis: Die Angeklagten haben sich reihum gegenseitig fertig gemacht. Die Verurteilung ist dann bloß noch eine Formsache, Also: Bestehen auch nur die geringsten Zweifel, ob man durch seine Aussage nicht jemanden belastet, so ist es unverantwortlich, sie dennoch einzusetzen. Versuche dagegen, dich mit den Mitangeklagten zu verständigen, wenn du ihnen vertrauen kannst und wenn es irgend möglich ist. Versuche - wenn sie im selben Knast sind - gemeinsame Freizeit und Teilnahme am Gottesdienst zu erreichen oder beantrage Umschluss.

Materialien zur Prozessvorbereitung

Sehr wichtig ist es, als Beschuldigter die Prozessakten zu lesen und mit dem Anwalt durch zusprechen Der Anwalt ist zwar nicht befugt, dir die Originalakten zur Einsicht zu überlassen - das wäre ein ziemlich schweres Berufsvergehen und er könnte große Nachteile dadurch haben. Er darf aber ohne weiteres von den Akten Kopien anfertigen und sie dir überlassen. Viele Anwälte wissen das nicht und meinen, auch das wäre verboten - viele Gerichte übrigens auch, und auch die Knastbürokratie meint dies oft. Dabei ist aber zu beachten, dass der Anwalt für solche Kopien streng genommen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz pro Kopie Geld verlangen kann (für die ersten 50 Kopien je 50 Cent, für jede weitere Kopie 15 Cent). Die meisten Anwälte werden das auch bedenkenlos auf die Gebührenrechnung setzen, insbesondere dann, wenn sie keine Chance haben, diese Kopierkosten vom Staat zurück zu bekommen. Besonders bei umfangreichen Akten kann dies also ein ziemlich teures Vergnügen werden. Versuche, wenn du kein Geld hast, auszuhandeln, dass dir nur die Selbstkosten berechnet werden. Das sind etwa 10 Cent pro kopierter Seite. Der Anwalt wird bei den Besprechungen meist den Gesetzestext in irgendeiner Form bei sich haben - also das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung etc.. Ist man selber in juristischen Sachen beschlagen oder interessiert, so sollte man versuchen, sich Gesetzestexte und Kommentare in der Anstaltsbibliothek auszuleihen oder sich von Leuten draußen besorgen lassen. Auch das setzt leider voraus, dass genügend Geld vorhanden ist. Juristische Literatur - vor allem Gesetzeskommentare - sind wahnsinnig teuer. Oft genügt es aber, wenn Freunde draußen die entsprechenden Texte in einer juristischen Bibliothek heraussuchen und die entscheidenden Abschnitte einfach für dich fotokopieren, Du wirst von deinem Anwalt nicht verlangen können, dass er dir alle Bücher die du brauchst, besorgt. Aber er kann dich zumindest beraten, wie du es am geschicktesten anstellst, an diese Unterlagen ranzukommen und was überhaupt zur eigenen Vorbereitung geeignet ist. Man sollte sich mit allen Fragen sachlicher und juristischer Art, die sich aus den Akten ergeben, an den Anwalt wenden. Sinnvoll ist es dabei, sich für den Anwaltsbesuch einen schriftlichen Fragenkatalog vorzubereiten, um nicht das Wichtigste zu vergessen - am besten in Stichworten, mit denen nur du etwas anfangen kannst. Jedenfalls sollte man immer, wenn man irgendwelche Zweifel hat, ob der Anwalt den richtigen Weg vor Augen hat, mit ihm darüber diskutieren, ob es darüber hinaus nicht noch andere Möglichkeiten gibt, sich im Prozess zu verhalten. Oft kommt es vor, dass man ihn erst dadurch auf die ganz guten Ideen bringt. Die Leute sind nämlich auch überlastet. Diskutiere deine Prozessstrategie nicht mit deinen Mitgefangenen." Du weißt selbst, wenn nicht jeder gleich ein Spitzel ist, der Knast hat stets ein „offenes Ohr" für dich.

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